Analyse "Pegida" treibt einen Keil in die Gesellschaft

Berlin · Mit Verschwörungstheorien, Demonstrationen und einer klaren Abgrenzung zur Mehrheitsgesellschaft macht sich die Anti-Islam-Bewegung "Pegida" in Deutschland breit. Für die Politik ist eine klare Verurteilung schwierig, weil es so viele Anhänger gibt.

Fragen und Antworten zu "Pegida"
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Foto: dpa, abu tmk

Bislang gab es klare Spielregeln für den Umgang der Politik mit Rechtsextremen: ächten, ausgrenzen und abwarten, bis sie sich selbst zerlegen. Da die NPD nur in einigen ostdeutschen Flächenländern gelegentlich die Fünf-Prozent-Hürde schaffte, um in der nächsten Wahlperiode wieder zu verschwinden, ging die Taktik auf.

Mit dem Aufkommen der Anti-Islam-Bewegung "Pegida" in Sachsen und ihren bundesweiten Ablegern ist diese Regel außer Kraft gesetzt. Es gibt viele Rechtsextreme, die unter dem Banner der "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" in den Demonstrationen marschieren. Aber nicht alle Teilnehmer sind rechtsextrem.

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Die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD) macht sich diese Lücke zunutze, indem sie offen ihre Sympathie und ihr Verständnis für die Bewegung ausspricht. "Von der Dresdner Demonstration habe ich einen sehr guten Eindruck. Da habe ich keine Nazis in Nadelstreifen gesehen", sagte der stellvertretende AfD-Sprecher Alexander Gauland. Polizei und Verfassungsschutz bewerten diese Frage allerdings anders.

Während die AfD den Schulterschluss mit den Anti-Islam-Demonstranten probt, halten die etablierten Parteien Distanz. Wobei Union und SPD mit einer unterschiedlichen Taktik reagieren: Während CDU-Vize Julia Klöckner davor warnt, alle, die bei den "Pegida"-Umzügen mitgehen, als "Spinner" anzusehen, fordert SPD-Vize Ralf Stegner eine klare Abgrenzung: "Man muss diese Rechtspopulisten entschieden bekämpfen." Für die Anliegen der Bewegung könne man kein Verständnis aufbringen. "Die Gefahr einer Islamisierung in Deutschland ist ungefähr so wahrscheinlich wie dass heute in Berlin ein halber Meter Schnee fällt", sagte Stegner. Er spricht sich auch dafür aus, "Pegida" vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen.

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Foto: Schaller,Bernd

Schon jetzt zeichnet sich ab, dass es der Bewegung gelingt, einen Keil in die Gesellschaft zu treiben. Deutschland droht zu zerfallen in eine Mehrheitsgesellschaft einerseits, die für Weltoffenheit mit geregelter Zuwanderung steht, und eine starke Minderheit andererseits, die sich mit Fremdenfeindlichkeit und Islam-Angst abgrenzt.

Der Politikwissenschaftler Michael Lühmann vom Göttinger Institut für Demokratieforschung sagt: ",Pegida' ist nicht zum Dialog mit der Politik oder den Medien bereit." Das Wort "Lügen-Presse", das die "Pegida"-Anhänger bei der Demonstration am Montag immer wieder in die Kameras riefen, zeigt, dass sie die regierenden Politiker und die Medien in einen Topf werfen.

"Pegida"-Anhänger und Gegner demonstrieren in Dresden
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Politikwissenschaftler Lühmann sieht diese Spaltung insbesondere als sächsisches Phänomen. Ein Viertel der Bürger in Sachsen hätten sich von den etablierten Parteien verabschiedet. Im Internet gebe es rund um die Plattform "Politically Incorrect" ein Milieu, das Verschwörungstheorien gegen die etablierte Politik und die Medien verbreite. "Mir ist es ein Rätsel, wie man diese Leute für die Demokratie zurückgewinnen will", sagt Lühmann.

Eben dieser Herausforderung wird sich die politische Führung stellen müssen, was ein schwieriges Unterfangen ist. Denn angesichts einer realen Sicherheitsbedrohung durch radikale Islamisten ist es leichter, Ängste zu schüren, als mit einer differenzierten Sicht auf die vielen friedliebenden Muslime im Land durchzudringen.

Die AfD begibt sich mit ihrer offenen und uneingeschränkten Sympathie für die "Pegida"-Bewegung jedenfalls endgültig ins Lager der Rechtspopulisten. So nutzte Konrad Adam aus dem Führungsgremium der Partei die terroristischen Geiselnahme in Sydney durch einen Islamisten aus dem Iran als Argument für die "Pegida"-Bewegung in Deutschland.

Adam stellte die Wirksamkeit geregelter Einwanderung infrage. Trotz strikter Einwanderungsregeln sei es einem fanatischen Islamisten gelungen, nach Australien zu gelangen, sagte der AfD-Politiker. Bei der Geiselnahme kamen der Täter und zwei Geiseln ums Leben. Sechs Menschen wurden verletzt.

(qua)
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