Flüchtlinge vors Kanzleramt gebracht Das war menschenverachtend, Herr Landrat

Meinung | Berlin · Einen Bus voller Flüchtlinge vor dem Kanzleramt absetzen, um auf die Probleme in Bayern hinzuweisen – die PR-Aktion des Landshuters Peter Dreier ist gelungen. Politisch skrupellos war sie allerdings auch.

 Der Landrat vor dem Bus mit den Flüchtlingen.

Der Landrat vor dem Bus mit den Flüchtlingen.

Foto: dpa

Einen Bus voller Flüchtlinge vor dem Kanzleramt absetzen, um auf die Probleme in Bayern hinzuweisen — die PR-Aktion des Landshuters Peter Dreier ist gelungen. Politisch skrupellos war sie allerdings auch.

Die Bayern, die können's halt. An dieser Stelle ist ein Glückwunsch fällig; er geht ins schöne Landshut. Die Aktion des dortigen Landrats Peter Dreier, einen Bus voller Flüchtlinge vorm Kanzleramt abzusetzen, war ein voller Erfolg. Nicht weil sie die Probleme vor Ort auch nur einen Zentimeter einer Lösung nähergebracht hätte, das nun wirklich nicht. Sondern weil Dreier schlagartig in der ganzen Republik bekannt geworden ist. Seine Flüchtlingsfahrt war eine PR-Aktion aus dem Bilderbuch.

Dumm nur, dass sie abgeschmackt und menschenverachtend war. Flüchtlinge — nicht "die Flüchtlinge", also die abstrakte Masse, sondern 31 Individuen mit ihren Ängsten und Hoffnungen — für die eigenen politischen Ziele einzusetzen wie Maskottchen, ist abstoßend. Dass die Busfahrt ohne greifbares Ergebnis geblieben ist (gestern waren die meisten der Passagiere schon wieder auf dem Weg zurück nach Bayern), zeigt, wie sinnlos das Unterfangen war. Und es steht zumindest der Verdacht im Raum, dass da den Syrern direkt oder indirekt Dinge in Aussicht gestellt wurden, die utopisch waren, eine Wohnung in Berlin zum Beispiel und ein Arbeitsplatz.

Die Stimmung in Deutschland ist angesichts einer Million Flüchtlinge im vergangenen Jahr, angesichts der Kölner Übergriffe und scheinbar allgegenwärtiger Terrorbedrohung schon jetzt ungesund aufgeheizt. Allerorten reden Wirrköpfe von "Notwehr" und "Widerstand". Landrat Dreier hat den Thermostaten noch ein kräftiges Stück weiter aufgedreht mit seiner angeblichen "Verzweiflungsaktion". Dass er dabei von Menschenwürde spricht, macht die Sache nur noch schlimmer.

Ist es etwa menschenwürdig, 31 Menschen mitten im Winter zwei Tage lang durch die Republik zu kutschieren, wenn doch am Ende nichts Konkretes herauskommen kann? Entweder wusste Dreier nicht, dass die Syrer ohne ihre Papiere, die noch bei den bayerischen Behörden liegen, offenbar keine Chance auf eine dauerhafte Unterkunft in Berlin hatten. Dann war er schlecht vorbereitet. Oder er wusste es sehr wohl. Dann war das Ganze an Zynismus nicht zu überbieten. "Ich hätte sie auch als Obdachlose in Berlin lassen können", sagte Dreier am Freitag. Falls es noch Zweifel gab, was man von der ganzen Aktion und ihrem Initiator halten soll, dieser Satz beseitigt sie.

Höchste Zeit ist es jetzt für deutliche Kritik durch die Freien Wähler an ihrem Parteifreund einerseits und die bayerische Landesregierung an ihrem wildgewordenen Landrat andererseits. Sozialministerin Emilia Müller (CSU) ließ zumindest ein gewisses Unbehagen durchblicken, als sie betonte, Dreiers Busfahrt sei seine Privatsache (was freilich Unsinn ist — der Landrat und der Privatmann Dreier sind nur theoretisch zu trennen). Der Parlamentsgeschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Max Straubinger, spricht von Unverfrorenheit und Selbstsucht; diese Kritik ehrt ihn. Ansonsten herrscht Schweigen im Walde. Aber wer diese Schnapsidee nicht klar verurteilt, der scheint ihr zuzustimmen.

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