Nachruf Peter Hintze — ein politischer Hellseher und Brückenbauer

Berlin · Im Wahlkampf 1994 erfand er die "Rote Socken"-Kampagne gegen ein rot-rot-grünes Bündnis, bei Themen wie Sterbehilfe stellte sich der evangelische Pfarrer gegen die Haltung der Kirchen. Peter Hintze war ein Politiker mit Profil mit einer besonderen Beziehung zur Kanzlerin.

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In seinen letzten Wochen hatte es sich Peter Hintze noch offen gehalten, ob er abermals für den Bundestag antritt. Jahrelang trotzte er mit politischer Aktivität und Lebensmut seiner schweren Krebserkrankung. Der Theologe habe "aus seinem Glauben die Kraft für seine politische Arbeit" gezogen, erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel, die mit Hintze einen treuen politischen Weggefährten verliert. In der Nacht zu Sonntag erlag der 66-Jährige seinen Leiden. Parteiübergreifend reagierten die Kollegen mit Trauer und Bestürzung.

Hintze brachte als Politiker mit, was sich der Ökonom Max Weber idealerweise von dieser Berufsgruppe wünschte: Augenmaß und Leidenschaft. Voller Leidenschaft und Angriffslust gegen den politischen Gegner zeigte er sich den späten Jahren der Kanzlerschaft Helmut Kohls als CDU-Generalsekretär.

1994 erfand er die "Rote Socken"-Kampagne, mit der er auf Wahlplakaten die Deutschen vor einem rot-rot-grünen Bündnis auf Bundesebene warnte. Als er vier Jahre später noch ein Schippchen oben drauf legte und in einer Rote-Hände-Kampagne den Zusammenschluss von SPD und KPD zur SED als Warnung vor Rot-Rot im wiedervereinigten Deutschland symbolisierte, fanden das auch in der CDU viele geschmacklich überzogen.

So angriffslustig Hintze sich als Generalsekretär zeigte, so gut war der evangelische Pfarrer auch als Brückenbauer zwischen den politischen Lagern. In Reaktion auf die Todesnachricht twitterten die Grünen-Bundestagsabgeordnete Ekin Deligöz: "Geschätzter Kollege, Kämpfer für Frauenquote, kollegial im Umgang."

Zu jenen, die Hintze in besonderem Maße schätzten, gehört Kanzlerin Angela Merkel. Der Theologe aus dem Westen erklärte der Pfarrerstochter aus dem Osten die Mechanismen der CDU. Anfang der 90er Jahre war er ihr Staatssekretär, als sie das Ministerium für Frauen und Jugend führte. Sie folgte ihm 1998 nach der für die CDU verlorenen Bundestagswahl auf dem Generalsekretärsposten nach. Auch in den Jahren danach blieb er ihr als Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, als Chef der CDU-Landesgruppe und als Bundestagsvizepräsident ein Vertrauter und Ratgeber der Kanzlerin.

"Er gehörte zu den herausragenden intellektuellen Köpfen der Partei, war sensibel für gesellschaftliche Entwicklungen, erkannte frühzeitig die Notwendigkeit zur programmatischen Weiterentwicklung und leistete damit einen wichtigen Beitrag, dass die CDU eine lebendige Volkspartei in der Mitte der Gesellschaft bleiben konnte", erklärte Merkel in ihrer Reaktion auf Hintzes Tod. Trotz seiner politischen Hellsichtigkeit und seiner strategischen Fähigkeiten blieb dem gebürtigen Rheinländer ein Ministeramt allerdings verwehrt.

Beim Thema Sterbehilfe war er liberal eingestellt

Hintze war auch ein Politiker, der in seinen Positionen auch für Überraschungen gut war. In ethischen Fragen war er sehr liberal, stellte sich bei der Präimplantationsdiagnostik und bei der Sterbehilfe beispielsweise gegen die Überzeugungen der Kirchen. Zuletzt wollte er bei der Sterbehilfe Rechtssicherheit schaffen für Ärzte und Patienten, um einen ärztlich unterstützten Suizid in einer "aussichtslosen Schmerz- oder Ekellage" zu ermöglichen. Gegen die eigene tückische Krankheit kämpfte er bis zum Schluss.

Sehr persönliche Worte zum Tod des CDU-Politikers schrieb Bundespräsident Joachim Gauck an dessen Witwe: "Mir werden seine Leidenschaft für die res publica, seine Geradlinigkeit, seine Warmherzigkeit und seine besondere Fähigkeit, dem anderen zuzuhören, immer in Erinnerung bleiben." Der auch aus Nordrhein-Westfalen stammende Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) würdigte Hintze im Namen des Parlaments als "leidenschaftlichen Parlamentarier". Hintze habe eine große Begabung gehabt, "Brücken zwischen unterschiedlichen Auffassungen und Interessen zu bauen".

(qua)
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