Migration CDU-Generalsekretär Tauber kann sich Obergrenze vorstellen

Berlin · Im Unionsstreit über die Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Merkel hat CDU-Generalsekretär Tauber einen neuen Vorschlag: Im Interview sagt er, er wolle sich auf klare Begrenzungen der "klassischen Einwanderung" verständigen.

 CDU-Generalsekretär Peter Tauber.

CDU-Generalsekretär Peter Tauber.

Foto: dpa, mkx fpt

"Wenn es der bayerischen Schwester darum geht, die eigentliche, auf Dauer angelegte Migration gesetzlich klar mit Vorgaben zu regeln, dann sind wir nah beieinander", sagte Tauber unserer Redaktion. Für Flucht und Asyl seien andere Wege nötig.

Die Union ist in den Umfragen im Sinkflug von 42 auf 29,5 Prozent — wo soll das noch enden?

Tauber Es gibt auch Umfragen, die uns bei 34 Prozent sehen. Aber natürlich stehen wir nicht so gut da, wie wir das gerne möchten. Wir haben ein Jahr mit vielen Emotionen und harten Auseinandersetzungen hinter uns. Jetzt gilt es, Vertrauen zurückzugewinnen — indem wir als Union zeigen, was wir alles tun, um die Sorgen der Menschen aufzugreifen. Wir müssen klar machen, dass wir uns mit den wichtigen Zukunftsfragen dieses Landes befassen. Wenn wir als Union da gemeinsam die richtigen Antworten geben, gehen wir in ein sehr spannendes und am Ende auch erfolgreiches Wahljahr.

Welchen Anteil hat der Unionsstreit an den Umfragen und mageren Landtagswahlergebnissen?

Tauber Gerade unsere Anhänger sind besonders sensibel für Streit innerhalb der Union. Dass es auch mal Unterschiede zwischen CDU und CSU gibt, ist nichts Neues. Aber wenn man den Eindruck gewinnt, dass sich ein solcher Streit verselbständigt, dann schadet das natürlich. Deshalb ist es jetzt so wichtig, dass wir die Deutschlandkongresse machen, um gemeinsam die Frage zu diskutieren, wie Deutschland stark bleibt. Und da sind CDU und CSU bei vielen Punkten sehr eng beieinander.

Wo denn zum Beispiel?

Tauber Nehmen Sie etwa die abwegige Forderung der Grünen, ab 2030 auf Verbrennungsmotoren in Deutschland zu verzichten. Dass alternative Antriebsformen entwickelt werden müssen, ist doch völlig unstrittig. Da braucht unsere Industrie keine Nachhilfe. Die Verbotsdebatte zeigt aber, dass die Grünen immer noch nicht verstanden haben, wie wichtig die industrielle Basis für unsere Volkswirtschaft ist. Und auch mit Linken und Sozialdemokraten brauchen wir die Auseinandersetzung darüber, wie wichtig für sichere Arbeitsplätze der Freihandel gerade mit den USA ist. Darauf werden wir uns als Union konzentrieren.

Mit ihren Gemeinsamkeiten sind Sie bei der Flüchtlingspolitik aber schnell am Ende, oder?

Tauber Nein. Wir hatten uns gemeinsam vorgenommen, die Zahl der Flüchtlinge deutlich zu verringern. Das ist uns gelungen. Manche zweifelten am Weg, aber das Ergebnis zählt. Wir sind uns auch einig darin, dass es für das Zusammenleben klare Regeln geben muss, dass es Werte gibt in unserem Land, die wir nicht preisgeben werden. Das Bekenntnis zur Leitkultur eint uns.

Fehlt die Obergrenze.

Tauber Das sieht die CSU anders als wir. Aber es geht doch um die Aussage, dass wir einerseits Menschen in Not helfen, das aber nur in einem begrenzten Rahmen tun können. Im Grunde sind wir doch längst weiter: Wir reden darüber, was wir tun müssen, damit keine Menschen mehr im Mittelmeer ertrinken müssen, damit niemand in der Sahara stirbt. Deshalb war die Afrika-Reise der Kanzlerin ein wichtiges Signal, dass wir es mit der Bekämpfung der Fluchtursachen ernst meinen — und dass das im deutschen Interesse geschieht.

Bekommt Seehofer am Ende irgendeine Begrenzung, auch wenn sie nicht "Obergrenze" heißt?

Tauber Es wird bei einer klaren Unterscheidung bleiben: Einerseits Asylbewerber und Flüchtlinge, die temporären Schutz erhalten, aber nicht auf Dauer bleiben. Anderseits die klassische Einwanderung, bei der wir klären müssen, wie viele Fachkräfte wir brauchen und wer zu uns passt. Diese Zahlen werden sich von Jahr zu Jahr verändern müssen. Wenn es der bayerischen Schwester darum geht, die eigentliche, auf Dauer angelegte Migration gesetzlich klar mit Vorgaben zu regeln, dann sind wir nah beieinander.

Die Obergrenze kann also in einem Einwanderungsgesetz stehen?

Tauber Klassische Einwanderungsländer schreiben jährlich vor, wie hoch die Migration sein soll. Aber das ist natürlich keine Obergrenze für Asylbewerber und Flüchtlinge. Hier wollen wir anders vorgehen und dafür sorgen, dass diese Menschen in ihrer Heimat eine Perspektive bekommen und Flüchtlinge in der Nähe ihrer Herkunftsländer untergebracht und versorgt werden. Und für die, die dennoch zu uns kommen, werden wir eine Verteilung auf europäischer Ebene finden müssen.

Kann es passieren, dass Merkel nicht beim CSU-Parteitag und Seehofer nicht beim CDU-Parteitag sind?

Tauber Das mag für Sie eine spannende Frage sein. Die Menschen erwarten aber vor allem, dass wir unsere Arbeit gut machen.

Die Kanzlerin hat noch keine Einladung, schicken Sie denn eine nach München?

Tauber Das werden die beiden Vorsitzenden sicher miteinander besprechen.

Die AfD wächst im Schatten Ihres Streites. Manche raten sogar zur Koalition mit ihr.

Tauber Solche Einzelmeinungen mag es geben, die Haltung der CDU ist aber sehr klar: Die AfD kann wegen ihres Weltbildes und ihrer Ausrichtung kein Partner für uns sein. Die Westbindung, die Rolle Deutschlands in Europa als starke, aber weltoffene Nation, die Mitgliedschaft in der Nato — all das sind Prägungen unseres Landes, die Christdemokraten auf den Weg gebracht haben. Wir finden, das ist das beste Deutschland, das es je gab. Das sieht man an den sehr guten Arbeitsmarktzahlen, den Lohn- und Rentensteigerungen, an unserem Ansehen in der Welt, an den hohen Ausgaben für Forschung und Bildung. Das lassen wir uns doch nicht kaputtreden. Auch deshalb kann die AfD mit ihrem völlig anderen Deutschlandbild niemals unser Partner sein.

Brauchen Sie dann eine neue Strategie gegenüber der AfD? Sie haben es ja schon mit einer Austrittspropaganda zu tun.

Tauber Es geht darum, die AfD inhaltlich zu stellen — das tun wir. Mancher Funktionär mag vorher bei uns gewesen sein. Aber die haben inzwischen ein Weltbild entwickelt, das nicht dem christdemokratischen entspricht. Nicht wir haben uns verändert, sondern diese Leute. Aber natürlich hätte ich gerne die Wähler zurück, die von uns zur AfD gegangen sind. Da ist dann die Frage, mit welchen Themen das gelingt. Wenn es um innere Sicherheit oder wirtschaftliche Stärke geht, müssen wir erläutern, welchen Weg wir gehen und warum das besser mit einem starken Europa und im Bündnis mit den USA funktioniert. Wenn das angezweifelt wird, müssen wir eben dafür neu werben, aber nicht die Grundkonstanten unserer Politik ändern.

In Dresden herrschte blanker Hass auf den Straßen — funktioniert ein Dialog überhaupt noch?

Tauber Diese Schreihälse repräsentieren sicher nicht Dresden. Generell gilt: Es gibt einen großen Unterschied zwischen Funktionären, also dem hartem Kern der AfD, und den Wählern. Nicht alle Wähler der AfD sind Rechtsextreme. Aber man muss ihnen schon sagen, welche Partei sie wählen und wer sich da noch tummelt, mit wem sie sich also gemein machen. Wir erleben das Phänomen, dass nicht mehr nur von ganz links, sondern auch von ganz rechts diese Republik in Frage gestellt wird. Wir sind jetzt gefordert, für eine offene und freie Gesellschaft einzustehen und das auch mit Stolz zu tun. Wir dürfen keine Auseinandersetzung scheuen, wohlwissend, dass diejenigen, die "Volksverräter" schreien, ja nicht ernsthaft diskutieren wollen.

Ist es auch deshalb mühsam, weil der CSU-Chef immer wieder Stichworte, wie etwa den "Kontrollverlust" liefert?

Tauber Das glaube ich nicht. Wir widmen den Claqueuren auf der Straße zu viel Aufmerksamkeit. Wir müssen uns stattdessen besser um die kümmern, die täglich ihren Job machen, die unser Land am Laufen halten. Die schreien nicht, die arbeiten hart, aber die fragen sich auch, was Politik dafür tut, dass sie ihr Leben so leben können, wie sie sich das vorstellen. Wenn wir uns zu sehr auf die Schreihälse konzentrieren, haben wir zu wenig Zeit für diejenigen, die unsere Hilfe brauchen, beispielsweise Alleinerziehende, bei denen das Armutsrisiko am größten ist. Wir müssen denen besser zuhören, die nicht schreien.

In Ihrem Vorstand gab es den Vorschlag, sich im Streit mit der CSU nach einer CDU-Immobilie in München umzuschauen. Haben Sie mal geguckt?

Tauber Wenn ich mal in München übernachten möchte, kann ich das bei Freunden machen. Und zwischen CDU und CSU laufen die Deutschlandkongresse so gut, dass wir uns mit einer Ausdehnung der Parteien nicht ernsthaft beschäftigen. Die Strategie "getrennt marschieren, vereint schlagen" war immer unsere Stärke. Und wir arbeiten daran, dass das so bleibt.

Sie wollten eine modernere CDU, die jünger, bunter, weiblicher ist — und haben nun eine Sexismus-Debatte. Was ist näher an der innerparteilichen Wirklichkeit?

Tauber Das ist ein gesellschaftliches Thema, und kein CDU-spezifisches. Und es gibt auch neue Sensibilitäten, wenn sich die Gesellschaft verändert. Wir reden heute anders darüber, als vor zehn oder 20 Jahren.

In den Regionen werden bei der Kandidatenaufstellung die Messer gewetzt. Sie haben auch Schrammen abgekriegt bei der "Kaninchenjagd", einer hessischen Mobbing-Affäre. Bleibt da was?

Tauber Es gab in meinem Kreisverband vor über zehn Jahren heftige Auseinandersetzungen zwischen dem damaligen Kreisvorsitzenden und der Kreisgeschäftsführerin, deren Arbeitsverhältnis er beenden wollte. Er hat dazu etwas aufschreiben lassen, das in keinster Weise akzeptabel ist. Ich habe es weder in Auftrag gegeben noch geschrieben. Das habe ich deutlich gesagt. Ich kannte es zwar, habe aber nicht widersprochen, was ein Fehler war. Wir haben in der Kreispartei inzwischen viel darüber diskutiert.

Stichwort Kandidatenaufstellung: Haben Sie einen Plan B, falls Angela Merkel nicht noch mal antritt?

Tauber Sie hat angekündigt, sich dazu zu gegebener Zeit zu erklären. Ich habe den Eindruck: Viele Menschen wünschen sich, dass Angela Merkel weiter Deutschland dient. Ich bin sicher, dass sie diesen Wunsch in ihre Überlegungen einfließen lässt.

Das Interview führte Gregor Mayntz.

(may-)
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