Essener Bundestagsabgeordnete kassiert weiter Pauschale Petra Hinz hat sich krank gemeldet

Essen/Berlin · Die Essener SPD hat die Bundestagsabgeordnete Petra Hinz aufgefordert, binnen 48 Stunden ihr Mandat niederzulegen. Bislang hatte Hinz ihren Rücktritt dem Bundestagspräsidenten noch nicht angezeigt. Stattdessen hat sie sich krank gemeldet.

 Petra Hinz wollte eigentlich so schnell wie möglich ihr Mandat niederlegen.

Petra Hinz wollte eigentlich so schnell wie möglich ihr Mandat niederlegen.

Foto: dpa, shp gfh

Es sei bis Montag keine Verzichtserklärung eingegangen, bestätigte ein Bundestagssprecher in Berlin. Hinz hatte angekündigt, ihren Sitz im Parlament aufzugeben. Ihren Anwälten zufolge hat sie Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) um ein schnellstmögliches Treffen gebeten. Hinz habe sich vorerst krank gemeldet. Man habe sie auch nicht erreichen können, sagte ein Sprecher des Bundestages am Montag.

Mehrfach habe die 54-Jährige die Versuche des Bundestags, ihr für den angekündigten Mandatsverzicht noch im Juli einen Termin bei Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) zu verschaffen, scheitern lassen, hieß es weiter. "An uns liegt es nicht. Wir haben zeitnah Termine angeboten", sagte Bundestagssprecher Ernst Hebeker. "Der Bundestagspräsident war bereit, dafür nach Berlin zu kommen. Der Ball ist jetzt im Feld von Frau Hinz."

Für den Monat August stehen Hinz nun noch die Abgeordnetenentschädigung von rund 9300 Euro und die steuerfreie Aufwandspauschale in Höhe von etwa 4300 Euro zu. Nach Angaben des Bundestagssprecher hatte Hinz am vorigen Mittwoch allerdings eine ärztliche Bescheinigung eingereicht und per Mail um einen neuen Termin mit Lammert Mitte September gebeten. Das würde bedeuten, dass sie auch im September noch fast 14.000 Euro Abgeordnetenentschädigung und Kostenpauschale bekäme.

Der Vorstand der Essener SPD tagte am Abend und beschloss ein Parteiordnungsverfahren. Die Schiedskommission werde gebeten, über weitere Sanktionen gegen Hinz zu entscheiden - eine Möglichkeit sei auch der sofortige Ausschluss der Partei. Der Vorstand habe einstimmig festgestellt, dass Hinz "schweres parteischädigendes Verhalten" gezeigt habe, sagte NRW-Justizminister Thomas Kutschaty in seiner Funktion als Vorsitzender der SPD Essen.

Hinz hatte zugegeben, entgegen bisherigen Angaben kein Abitur erlangt und keine justischen Staatsexamina abgelegt zu haben.

Kutschaty, der den Vorsitz des krisengebeutelten Essener SPD-Unterbezirks erst im Mai übernommen hatte, reißt offenbar der Geduldsfaden. Es sei nicht nötig, auf ein Gespräch mit Lammert zu warten, stellt er fest. Hinz könne ihren sofortigen Rücktritt auch mit einer notariellen Erklärung besiegeln.

Der Justizminister macht keinen Hehl mehr aus seiner Verärgerung und gewährt nun Einblick hinter die Kulissen der Affäre Hinz. Mit ihrer geschönten Biografie habe sie "sich selbst und der Partei großen Schaden zugefügt", bekräftigt er. Noch am Tag, als er davon erfahren habe, habe er sie abends in einem Telefonat zum Rücktritt aufgefordert. Der lange Austausch, der bei Hinz sämtliche Facetten menschlicher Emotionen zum Ausbruch gebracht habe, habe leider nicht zum erwünschten Resultat geführt, ließ Kutschaty durchblicken. "Am Tag danach habe ich dann auch öffentlich den Rücktritt gefordert — das hätte ich sonst nicht mehr getan."

Die Staatsanwaltschaft Essen prüft unterdessen, ob Hinz' Höhenflug auch strafrechtliche Konsequenzen hat. Bislang lägen etwa ein Dutzend Anzeigen vor — überwiegend wegen Betrugs, teilte die Behörde der dpa mit. Die müssten nun geprüft werden. Kutschaty erläutert, der Beruf des Rechtsanwalts sei rechtlich geschützt. Dies gelte aber nicht für die Bezeichnung "Jurist". Die Staatsanwaltschaft prüft außerdem, ob Hinz sich mit ihrer Biografie-Fälschung auch finanzielle Vorteile verschafft hat, die strafrechtlich relevant wären.

Ihm sei nie aufgefallen, dass Hinz keine Juristin sei, bekräftigt der Politiker, der selbst jahrelang als Rechtsanwalt in einer Essener Kanzlei tätig war. Es habe aber auch wenig persönlichen Kontakt gegeben.

Eine Konsequenz will der Essener Parteichef aus der Affäre auf jeden Fall ziehen: "Ich schaue mir die Lebenläufe genauer an von denen, die wir für Wahlen nominieren." Zeugnisse will sich Kutschaty aber nicht vorlegen lassen. "Das widerstrebt mir. Basis muss Vertrauen sein."

(heif/felt/dpa)
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