Buhrufe und Eklat auf dem Piraten-Parteitag Pirat Jacken gesteht Übertritt zur AfD

Berlin · Immer wieder stehen Personalien im Fokus des Piraten-Parteitages in Neumarkt: Und mit einem merkwürdigen Bekenntnis hat ein Kandidat für den Posten des politischen Geschäftsführers Unverständnis und heftige Buhrufe geerntet.

 Katharina Nocun ist das neue Gesicht der Piraten.

Katharina Nocun ist das neue Gesicht der Piraten.

Foto: dpa, awe tmk

In seiner Bewerbungsrede sagte der 36-jährige Christian Jacken am Freitag unvermittelt, er müsse sich jetzt "outen": Er sei Mitglied der Alternative für Deutschland (AfD) geworden. Er habe diesen Schritt getan, "um dieses Euro-Betrugssystem zu beenden".

Jacken war bereits bei der Gründungsveranstaltung der AfD im April in Berlin vor Ort gewesen, damals gehörte er aber noch den Piraten an. Bei diesen engagierte sich Jacken nach den Angaben in seinem Profil auf dem Piraten-Wiki - einem Informationsportal zur Piratenpartei - seit 2006. Sein Bekenntnis sorgte auf dem Parteitag in Neumarkt für Empörung bei den mehr als 1000 anwesenden Piraten. Um ihre Ablehnung zu demonstrieren, standen viele auf und schwenkten wütend die lilafarbenen Nein-Karten, die bei Abstimmungen zum Einsatz kommen.

Neue Geschäftsführerin gewählt

Mit der Studentin Katharina Nocun (26) als neuer Geschäftsführerin wollen die Piraten doch noch den Einzug in den Bundestag schaffen. Die Datenschützerin aus Niedersachsen wurde mit 87,1 Prozent zur Nachfolgerin des in der Partei umstrittenen Johannes Ponader gewählt. Die Internet-Partei kämpft seit Monaten mit internen Querelen und ist mit aktuell zwei Prozent weit von ihren einst zweistelligen Zustimmungswerten entfernt. Am Wochenende wollen die Piraten ihr Wahlprogramm beschließen.

Nocun gab sich kämpferisch: "Wir müssen als Team verdammt noch mal zusammenarbeiten, die anderen vor uns hertreiben, denn sie haben es verdient." Die Partei müsse sich nun "den Arsch aufreißen". Sie wolle von keinem Piraten mehr hören, "dass wir die Bundestagswahl nicht wuppen können". Nocun selbst kandidiert in Niedersachsen auf Listenplatz 2 für den Bundestag. Sie setzte sich gegen vier Kandidaten durch und erhielt im ersten Wahlgang 796 von 974 Stimmen. Allerdings können Piraten mehrere Stimmen pro Wahlgang abgeben.

Ponader macht den Kotau

Ponader entschuldigte sich bei seiner Partei. Der Berliner, dem Alleingänge und mangelnde Kommunikationsfähigkeit angekreidet wurden, sagte: "Wo ich etwas falsch gemacht habe, da möchte ich euch um Entschuldigung bitten." Der 36-Jährige warnte davor, die Partei hierarchisch zu führen. "Die Piratenpartei ist kein Unternehmen, sondern eine starke, selbstbewusste Bewegung." Auch könnten die Piraten nicht aus der Krise kommen, wenn "wir statt Debatten Shitstorms auslösen." Ponader will jetzt wieder Basisarbeit machen.

Der bayerische Spitzenkandidat Bruno Gert Kramm sagte, die Piraten würden gebraucht, um "Filz und Lobby" bei den etablierten Parteien anzuprangern. Er verwies auf die Verwandtenaffäre bei der CSU. "Wer wie die bayerischen Landesfürsten nur die eigene Familie mit einem bedingungslosen Grundeinkommen ausstattet, zeigt die Abgründe des eigenen Demokratieverständnisses."

Der einflussreiche Berliner Abgeordnete Christopher Lauer kritisierte aber auch die Attacken gegen den eigenen Vorstand. "Wir müssen ein Klima hinbekommen, damit das Gremium mehr Unterstützung bekommt", sagte er.

Nichtzahler werden künftig gefeuert

Die Piraten wollen künftig nichtzahlende Mitglieder aus der Partei werfen. Das beschlossen die Internet-Aktivisten. Ein Mitglied, das mit seinem Beitrag mehr als 12 Monate im Verzug ist, kann künftig aus der Mitgliederdatenbank gestrichen werden. Zuvor muss der Betreffende mindestens zweimal gemahnt werden.
Die Piraten wollen so auch für mehr Transparenz sorgen. Offiziell haben sie derzeit 32.000 Mitglieder - darunter seien aber tausende "Karteileichen", die nie oder nur vor Jahren einmal einen Beitrag gezahlt hätten.

Die Piraten sind in Umfragen erheblich abgesackt. Anfang des Jahres scheiterten sie bei der Landtagswahl in Niedersachsen deutlich an der Fünf-Prozent-Hürde. Das droht der jungen Partei, die sich für freies Internet, mehr Bürgerrechte und soziale Teilhabe einsetzt, auch am 22. September auf Bundesebene.

In Neumarkt in der Oberpfalz wollen viele Piraten auch die Weichen für mehr "Online-Demokratie" stellen. So könnte eine "ständige Mitgliederversammlung" (SMV) im Netz aufgebaut werden, wo die Mitglieder permanent den Kurs der Partei bestimmen sollen. Eine Mehrheit dafür galt aber als offen.

(AFP/dpa/felt/nbe)
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