Schlechte Umfrage-Werte Piraten vor Untergang?

Berlin · Der Höhenflug der Piratenpartei scheint beendet. Nach dem Einzug in vier Landtage ist die Partei inzwischen zerrissen und unorganisiert. Umfragen sehen die Neulinge nur noch bei vier Prozent.

 Johannes Ponader, politischer Geschäftsführer der Piratenpartei.

Johannes Ponader, politischer Geschäftsführer der Piratenpartei.

Foto: dpa

Berlin Öffentlich werden die Piraten zwar nicht müde zu erklären, dass ihnen Umfragen nichts oder sehr viel weniger bedeuten als den anderen Parteien. Jetzt aber sind sie so tief gesunken, dass selbst der neue Bundesvorsitzende Bernd Schlömer nervös zu werden scheint.

Wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre, kämen die Piraten wohl nicht über die Fünf-Prozent-Hürde. Vor einem Jahr lagen sie noch bei komfortablen zwölf Prozent. Die Sensation ist verflogen, der Charme des Neuen offenbar verbraucht. Können sie das Ruder noch herumreißen?

Hat der Abstiegskampf schon begonnen?

Der Politikberater Michael Spreng sieht die Partei mit ihren inzwischen 35.000 Mitgliedern jedenfalls schon "im Abstiegskampf". Gegenüber "Spiegel Online" erklärt der frühere Wahlkampfmanager von Edmund Stoiber (CSU): "Jetzt helfen nur noch Notfallmaßnahmen: Die Partei muss sich professionalisieren und eine kleine, meinungsstarke Truppe installieren, die schnell auf Debatten reagieren kann."

Das ist ihr zuletzt nicht gut gelungen. Seit Wochen steht das Thema Nebeneinkünfte wegen der langen Vortragsliste des SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück ganz oben auf der Agenda. Die Stimme der Piraten, Vorkämpfer für mehr Transparenz in der Politik, war bei alldem nicht zu vernehmen. Ihre Kritiker sagen, sie hätten das Thema schlichtweg "verpennt".

Christopher Lauer, Fraktionsvorsitzender der Piraten im Berliner Abgeordnetenhaus, will das nicht gelten lassen. "Wir haben dazu unsere Erklärungen abgegeben", sagt der 28-Jährige, der in Talk-Shows gern provoziert. Es klingt fast ein wenig beleidigt. Vor mehr als einem Jahr hat man ihm auch gesagt, die Piraten mit ihren Personalquerelen hätten keine Chance bei der Berliner Landtagswahl. Am Ende landeten sie bei knapp neun Prozent und mit allen 15 Kandidaten im Abgeordnetenhaus.

Ein Pirat leitet heute den wichtigen Untersuchungsausschuss, der die Pannen um den Eröffnungstermin des neuen Berliner Großflughafens aufklären soll. "Da wird gearbeitet, wir sind bei zehn Prozent", sagt Lauer mit Blick auf das Berliner Beispiel. Die Partei sollte sich auch vor der Bundestagswahl auf Themen konzentrieren, meint Lauer. Er habe schon immer gesagt, die Piraten sollten so arbeiten, als wären sie bei null Prozent, auch wenn sie bei 13 seien. Gerade steuert das Piratenschiff eher gefährlich in die Nähe der Null. Wer am Steuer steht, ist schwer zu erkennen.

Ponader polarisiert

Seit Marina Weisband sich als politische Geschäftsführerin zurückgezogen hat, haben die Piraten bundesweit kein Gesicht mehr. Zuletzt polarisierte ihr Nachfolger Johannes Ponader, indem er öffentlich mit seiner Arbeitslosigkeit kokettierte. Parteichef Schlömer soll ihm inzwischen nahegelegt haben, sich mit öffentlichen Auftritten vorerst zurückzuhalten.

Ponader selbst übt unterdessen öffentlich Kritik am Umgang der Parteimitglieder untereinander. "Lasst die sprachliche Gewalt weg", mahnte er jetzt beim Parteitag in Schleswig-Holstein. Der rüde Ton scheint auch zunehmend Wähler zu verprellen. Kürzlich hat ein prominenter Berliner Pirat eine Journalistin in einer Kurznachricht indirekt als "Prostituierte" bezeichnet.

Die aktuelle Auseinandersetzung mit Geschäftsführer Ponader offenbart die Hauptprobleme der jungen Partei: ihre unklaren Führungsstrukturen, ihre Zerrissenheit. Der vorherige Bundesvorsitzende Sebastian Nerz blieb eine blasse Figur, weil er zu keiner weitreichenden politischen Frage klar Stellung beziehen durfte. Dort, wo die Piraten sich noch nicht auf eine Haltung geeinigt haben, darf auch der Vorsitzende keine vertreten.

"Totgesagte leben länger"

Anders als in den etablierten Parteien sehen die Piraten ihre Führungspersonen als Dienstleister, als "Aushängeschild und Grüßaugust", wie einer von der Basis es einmal formulierte. Während die Wahlkämpfe der schon im Bundestag vertretenen Parteien immer stärker auf Persönlichkeiten zugeschnitten werden, probieren die Piraten sich am Gegenteil aus. Damit wollen sie sich treu bleiben.

Ihr größtes Versprechen, anders zu sein als die anderen, wird trotzdem immer schwerer einzuhalten. Auch die Berliner Piraten haben erkannt, dass es sinnvoll sein kann, manches erst mal hinter verschlossenen Türen zu besprechen. Die Berliner Fraktion zog sich in diesem Sommer etwa zu einer Tagung zurück, die Öffentlichkeit blieb, anders als sonst bei den Piraten üblich, ausgeschlossen. Andere Parteien nahmen das einigermaßen schadenfroh zur Kenntnis.

Im Untergang begriffen sind die Piraten noch nicht, in Seenot aber schon. Nachdem die erste Begeisterung verflogen ist, steht ihnen die wohl härteste Probe im Politikbetrieb noch bevor: sich aus dem tiefen Tal wieder hochzuarbeiten, durchzuhalten. "Totgesagte leben länger", sagt FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle gern, wenn er zu den Aussichten seiner Partei befragt wird, in den nächsten Bundestag einzuziehen. Die Piraten könnten jetzt doch noch von den "Alten" lernen.

(RP/jh-/areh/rm)
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