CDU-Politiker sagt Besuch bei der Basis ab Pofalla wie einst Kohl — er will alles aussitzen

Kalkar · Der Ex-Bundeskanzleramtschef hatte die Teilnahme an der Klausurtagung seines CDU-Kreises Kleve überraschend abgesagt. Gerade deshalb stand er aber dort im Mittelpunkt.

 Ronald Pofalla wartet erst mal ab.

Ronald Pofalla wartet erst mal ab.

Foto: dpa, Kay Nietfeld

Laut Hausprospekt ist die Burg Boetzelaer bei Kalkar "auferstanden aus Ruinen". Das mehr als 750 Jahre alte Gebäude, das mit Hilfe des Landes teilrestauriert wurde, sei eine der ältesten Burgen im deutsch-niederländischen Grenzgebiet. Doch für diesen geschichtlichen Hintergrund interessierte sich gestern Abend vermutlich keiner der rund 50 Unionspolitiker. Der komplette Vorstand der CDU des Kreises Kleve war vielmehr im Festsaal der Burg im ersten Stock zusammengekommen, um hinter geschlossenen Türen über die aktuelle Politik zu diskutieren.

Eigentlich sollte es eine Routinesitzung werden. Doch der angebliche Wechsel in Ronald Pofallas in den Bahnvorstand beherrschte das abendliche Treffen, obwohl der Ehrenvorsitzende, prominentestes Mitglieds des Kreisverbandes, gar nicht zugegen war. Pofallas Absage hat den ohnehin heftigen Unmut in der Klever CDU weiter anschwellen lassen. In der einstündigen Aussprache wurde massive Kritik daran geübt, dass sich Pofalla nun doch nicht wie erwartet vor seinem Heimatverband zu seinen beruflichen Plänen äußern wollte. Pofalla hatte zwar den Parteivorstand wissen lassen, dass er "so bald wie möglich" zu einer Stellungnahme bereit sei, doch das ist nicht gut angekommen an der Basis: "Pofalla kneift", lautete noch der gelindeste Vorwurf, der sich gegen den 54-Jährigen richtet.

Viel massiver formulierte es gestern ein anderer Diskussionsteilnehmer, der dem Bundespolitiker gar Wahlbetrug vorwarf. Immerhin ist Pofalla im CDU-Wahlkreis Kleve im September gerade erst mit 50,9 Prozent wiedergewählt worden. Verlässt er demnächst den Bundestag, wäre seine Kontrahentin, Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD), die alleinige Repräsentantin des Wahlkreises in Berlin. Das ist bitter für die örtliche Union.

 Beim CDU-Kreisverband Kleve war Ronald Pofalla am Freitagabend großes Thema.

Beim CDU-Kreisverband Kleve war Ronald Pofalla am Freitagabend großes Thema.

Foto: dpa, Roland Weihrauch

Schon einmal hat Pofalla in diesen Wochen die Klever CDU vor den Kopf gestoßen: Am 13. Dezember hatte er dem Vorstand einen ausführlichen Bericht zur politischen Lage in Berlin gegeben, doch kein Wort von seinen persönlichen Plänen gesagt. Kaum hatte er die Versammlung verlassen, wurde die Runde von einem Bericht unserer Redaktion überrascht, wonach Pofalla politisch kürzertreten und eine Familie gründen wolle. Doch dann verdichteten sich Spekulationen, dass der gebürtige Weezer in den Vorstand der Bahn AG wechseln werde. Seinen politischen Freunden im Kreis Kleve und darüber hinaus verschlug es die Sprache. Doch was ist wirklich dran am Wechsel? Bis heute hat Pofalla sich dazu nicht geäußert. Ob er im Urlaub ist, wie gemutmaßt wird?

Der Vorsitzende der CDU des Kreises Kleve, Günther Bergmann, weiß es nicht, obwohl er am Vortag noch eine Stunde lang mit Pofalla telefoniert hatte. Der Ex-Minister habe ihn angerufen, doch über Politik sei "am wenigsten geredet worden", berichtete Bergmann nach der Aussprache auf Burg Boetzelaer. Pofalla hält es offenbar wie der frühere Kanzler Helmut Kohl: Er sitzt Probleme aus. Es gilt aber als sicher, dass er die Medienberichterstattung über ihn minutiös verfolgt. Beobachter vermuten, dass er auch deshalb nicht nach Kalkar kam, weil er lästigen Journalistenfragen ausweichen wollte. Dies wiederum gilt als Beleg dafür, dass sich seine Verhandlungen mit der Bahn in einer "heißen Phase" befinden, auch wenn sich unternehmensintern Widerstand gegen die ungewöhnliche Personalie zusammenzubrauen scheint.

Ungewöhnlich nicht zuletzt deshalb, weil für Pofalla angeblich ein millionenschwerer Vorstandsposten geschaffen werden soll. Pofallas Aufgabe wäre es, Lobbyarbeit zu leisten. Sein Telefonbuch aus den Zeiten, da er die rechte Hand von Bundeskanzlerin Angela Merkel war, dürfte ihm dabei wertvolle Hilfe leisten. Aber genau daran entzündet sich die Kritik: Darf jemand, der in der Schaltzentrale der Macht gesessen hat, nahtlos in die Führungsetage eines quasi staatlichen Unternehmens wechseln? Der Kreisverband Kleve fordert jetzt eine Stellungnahme von seinem Ehrenvorsitzenden. "Pofalla muss den Leuten Erklärungen geben", beharrt Bergmann. Ob das der Gescholtene genauso sieht?

(hüw)
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