Patienten in der Warteschleife Politik streitet um Terminvergabe beim Arzt

(RP). Patienten gesetzlicher Kassen müssen mitunter monatelang auf einen Termin bei einem Facharzt warten. Die SPD will Ärzten daher mit drakonischen Strafen drohen. Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) spricht sich gegen eine gesetzliche Regulierung bei den Wartezeiten auf Arzttermine aus. Doch die Krankenkassen machen Druck, damit sich etwas ändert.

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Foto: AP

Auf Termine bei Augenärzten, Orthopäden und Radiologen müssen gesetzlich Krankenversicherte oft wochenlang warten. Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) lehnt dennoch eine gesetzlich geregelte Garantie für eine beschränkte Wartezeit auf Arzttermine ab. "Eine gute Versorgungssituation kann man nicht einfach per Gesetz bestimmen", sagte Rösler der Zeitung "Die Welt". "Fakt ist: Es gibt zu wenige Ärzte, die überhaupt noch Termine vergeben können", fügte der Minister hinzu. "Deshalb bleibe ich dabei: Wir müssen dafür sorgen, dass es wieder mehr Ärzte gibt", betonte er.

Union und FDP arbeiten zurzeit an einem neuen Versorgungsgesetz, das die medizinische Betreuung und Behandlung der Bevölkerung auch in Zukunft sichern soll. Wichtige Bestandteile sind eine neue Bedarfsplanung für Arztpraxen, die Zusammenarbeit von Praxen und Krankenhäusern sowie die Nachwuchsförderung. Streit gibt es um die Frage, wie viele Betten künftig noch in einem Krankenhauszimmer stehen dürfen, und um die Frage, ob niedergelassene Ärzte nach spätestens drei Wochen einen Termin vergeben müssen. Diese Forderungen hatte ursprünglich die CDU erhoben. Die FDP und Teile der CSU stellten sich dagegen.

"Geld ist genug da"

Die SPD wollte noch viel weiter gehen. Für Aufruhr sorgte ein Vorstoß des sozialdemokratischen Gesundheitsexperten Karl Lauterbach. Er wollte den Ärzten eine Strafe von bis zu 25 000 Euro androhen, wenn sie ihre Patienten zu lange auf einen Termin warten lassen. Dieser Vorschlag stieß allerdings allseits auf Widerstand.

Der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn sieht trotz der ablehnenden Haltung der FDP zur Termingarantie immer noch die Möglichkeit, die Terminvergabe bei Ärzten besser zu steuern als bislang. "Natürlich lässt sich das nicht einfach per Gesetz verordnen", räumte auch Spahn ein. Er betonte aber: "Es braucht Anreize im ärztlichen Vergütungssystem. Es muss sich mehr lohnen, sich um schwierige Patienten zu kümmern." Dies gehe ohne Kostensteigerung, betonte Spahn. "Geld ist nach den Steigerungen der letzten Jahre genug da, es muss nur besser verteilt werden."

Kliniken als Lückenbüßer

Probleme bei der Terminvergabe haben die Patienten vor allem bei einigen Fachärzten. Außer bei Augenärzten, Radiologen und Orthopäden betragen die Wartezeiten auch bei Kardiologen, Neurologen und Frauenärzten teils mehrere Wochen. Eine Studie der Kassenärztlichen Bundesvereinigung belegt, dass elf Prozent der gesetzlich Versicherten und vier Prozent der Privatversicherten länger als drei Wochen auf einen Arzttermin warten müssen. "Privatversicherte kommen sowohl bei der Terminvergabe als auch in der Praxis schneller zum Zug als die Angehörigen einer gesetzlichen Krankenversicherung", heißt es in der Studie.

Viele Krankenkassen versuchen ihren Versicherten individuell zu helfen, wenn sie Schwierigkeiten haben, einen Termin beim Arzt zu bekommen. Bei der AOK Rheinland/Hamburg gehen pro Monat rund 300 Anrufe von Versicherten ein, die Hilfe bei der Terminsuche erbitten. Kassenchef Wilfried Jacobs ist der Meinung, dass dort, wo die Ärzte keine Termine anbieten können, man prüfen sollte, ob die Kliniken die Versorgung teilweise übernehmen könnten. Die entstehenden Kosten sollten aus dem System der Kassenärztlichen Versorgung abgezogen werden.

"Wartezeiten-Management"

Die Barmer/GEK, Deutschlands größte Krankenkasse, hat ein Wartezeiten-Management eingerichtet. Dort helfen ausgebildete Arzthelferinnen den Versicherten, entweder einen Termin beim gewünschten Arzt oder bei einem anderen Mediziner zu bekommen.

Die Barmer-Chefin Birgit Fischer sieht das Problem der langen Wartezeiten in den unterschiedlichen Honorierungssystemen von privater und gesetzlicher Krankenversicherung. "Die Privatpatienten, für die es ein höheres Honorar gibt, sind attraktiver für die Ärzte. Dadurch kommt es zur Ungleichbehandlung", sagte Fischer unserer Zeiung. "Es ist nicht akzeptabel, dass die 90 Prozent gesetzlich Versicherten schlechter behandelt werden als die zehn Prozent Privatpatienten", betonte sie. Dieses Problem könne nicht durch ein Gesetz für eine Termingarantie beim Arzt gelöst werden. Vielmehr müssten die Ursachen der Ungleichbehandlung beseitigt werden, forderte die Kassenchefin. "Die lassen sich beseitigen, indem man die Vollversicherung ausschließlich den gesetzlichen Kassen überlässt. Die Privaten sollten sich hingegen auf das Geschäft der Zusatzversicherungen konzentrieren."

(RP)
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