Nach Krawallen in Hamburg BKA fürchtet weitere Attacken auf Polizei

Hamburg · Das Bundeskriminalamt (BKA) befürchtet nach einem Medienbericht weitere Attacken aus der linksextremen Szene auf die Polizei. Anlass ist die Eskalation in Hamburg, wo im Dezember Proteste gegen die drohende Räumung des Kulturzentrums "Rote Flora" in Straßenschlachten mit Verletzten ausgeartet waren. Inzwischen wurden im Gefahrengebiet mehr als 400 Menschen kontrolliert.

Hamburg im Dezember 2013: Demo zum Erhalt der "Roten Flora" eskaliert
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Hamburg im Dezember 2013: Demo zum Erhalt der "Roten Flora" eskaliert

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In der linksextremen Szene sei die Hemmschwelle zu Gewalt gegen Polizisten weiter niedrig, zitierte "Spiegel Online" am Montag aus einem BKA-internen Papier. Die Gewalt werde "teilweise hemmungslos, offenbar mit dem Ziel nachhaltiger Körperverletzungen ausgeübt", was in Einzelfällen auch zu Todesfällen führen könne.

Es obliege dem BKA, Gefahrenanalysen zu erstellen, sagte eine Sprecherin der Behörde in Wiesbaden. Sie wollte das Papier aber nicht kommentieren. Dem Bericht nach bringt das BKA auch versuchte Sprengstoffanschläge in Göttingen in Verbindung mit Hamburg. Unter anderem sollte ein Bundespolizist getroffen werden. In Köln habe ein Beamter Augen- und Hautreizungen erlitten, weil die Klinke seines Streifenwagens mit einer ätzenden Flüssigkeit verschmiert war.

Hamburg kommt seit Wochen nicht zur Ruhe. Erst bestimmten Krawalle bei einer Demonstration für das besetzte linksalternative Kulturzentrum "Rote Flora" mit Hunderten Verletzten die Schlagzeilen, eine Woche später griffen laut Polizei bis zu 40 Vermummte eine Polizeiwache an und verletzten drei Beamte schwer.

"Wie eine Ordnungsmacht des finsteren Mittelalters"

Um die Gewalt zu unterbinden, erklärte die Polizei am Wochenende Teile der Stadtviertel Altona, St. Pauli und Sternschanze zum Gefahrengebiet. Dort darf sie jedermann auch ohne besonderen Anlass kontrollieren. Mehr als 400 Menschen wurden bereits überprüft; Schlagwerkzeuge, Pyrotechnik und schwarze Masken sichergestellt. Doch helfen die Maßnahmen? Der Streit darüber ist groß.

Der Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft Hamburg, Joachim Lenders, erinnerte an die Auseinandersetzungen um besetzte Häuser in den 80-ern: "Gewaltexzesse in dieser Form hat es noch nicht einmal zu Zeiten der Hafenstraße gegeben." Das Vorgehen der Polizei im Gefahrengebiet sei deshalb "zielgerichtet und richtig" gewesen. Nach Meinung der Linken in der Hamburgischen Bürgerschaft sind die Kontrollen im Gefahrengebiet jedoch kein Mittel, Übergriffe zu verhindern. Die Fraktion prüft eine Klage.

Am Montagabend wollte sich der Innenausschuss mit den Ausschreitungen vom 21. Dezember und der damaligen Polizeitaktik beschäftigen. Sie erwarte dabei von der Polizei auch Erläuterungen zur Verhältnismäßigkeit des eingerichteten "Gefahrengebietes", hatte die Grünen-Politikerin Antje Möller erklärt.

Für neuen Zündstoff dürfte dabei eine Mitteilung der Bundesarbeitsgemeinschaft Kritischer Polizistinnen und Polizisten sorgen. Sie warfen der Hamburger Polizei vor, sie führe sich auf "wie eine Ordnungsmacht des finsteren Mittelalters". Zudem bezweifelte der Anwalt der "Roten Flora", Andreas Beuth, die Darstellung der Polizei zu den Geschehnissen vor der Davidwache an der Reeperbahn am 28. Dezember. Es habe zu keinem Zeitpunkt Stein- oder Flaschenwürfe auf die Revierwache oder Polizisten gegeben. "Hinter der bewusst falschen Darstellung stehen augenscheinlich politische Interessen der Polizeiführung und ihrer Gewerkschaften wie zusätzliche Stellen, eine bessere Bezahlung", erklärte Beuth.

Belohnung von 10.000 Euro ausgesetzt

Die Polizei wies Beuths Vorwürfe zurück. Die Mitteilung der Polizei zu dem Vorfall müsse nur in einem Detail korrigiert werden: Ein aus kurzer Distanz attackierter Beamter sei nicht direkt an der Davidstraße schwer verletzt worden, sondern wenige Meter entfernt.

Die Ermittler suchen weiter nach dem unbekannten Täter. Er habe versuchten Totschlag und gefährliche Körperverletzung begangen, teilte die Staatsanwaltschaft Hamburg am Montag mit. Der Beamte erlitt eine Fraktur der Kieferhöhlenwand, eine Zahnabsplitterung, starke Schwellungen und eine Platzwunde. Polizei und Generalstaatsanwalt setzten eine Belohnung von 8000 Euro aus. Die Deutsche Polizeigewerkschaft erhöhte die Summe auf 10.000 Euro.

In dem neu ausgewiesenen Gefahrengebiet wurden am Wochenende mehr als 400 Menschen überprüft. Dabei seien gut 90 Aufenthaltsverbote und acht Platzverweise ausgesprochen worden, sagte eine Polizeisprecherin. Zudem gab es eine Festnahme. 45 Menschen wurden in Gewahrsam genommen — fast alle, nachdem sie an einer Kreuzung geschrien, Feuerwerk gezündet und Gesprächsversuche der Polizei abgelehnt hatten. Sie gehörten zu etwa 300 Menschen, die sich über das Internet zu einem "Spaziergang durch das Gefahrengebiet" verabredet hatten, um gegen diese Maßnahme der Polizei zu protestieren.

Wie lange die Stadtteile "Gefahrengebiet" bleiben sollen, ist offen. "Wir bewerten jeden Tag neu", sagte die Polizeisprecherin.

(dpa)
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