Facebook-Debatte über Türkei-Referendum "Wir wurden von Europa immer wie ein Stiefkind behandelt"

Düsseldorf · Warum haben ausgerechnet in Deutschland so viele Türken für eine Verfassungsänderung in der Türkei gestimmt? Das fragten wir Erdogan-Anhänger auf Facebook – und erhielten heftige Reaktionen. Insbesondere von ratlosen Deutschen.

 Türken feiern in Berlin den Ausgang des Referendums.

Türken feiern in Berlin den Ausgang des Referendums.

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Warum haben ausgerechnet in Deutschland so viele Türken für eine Verfassungsänderung in der Türkei gestimmt? Das fragten wir Erdogan-Anhänger auf Facebook — und erhielten heftige Reaktionen. Insbesondere von ratlosen Deutschen.

Reaktionen auf Referendum: "Dann geht doch zurück in die Türkei"
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"Warum seid ihr für ein Präsidialsystem in der Türkei?", hatten wir am Dienstag auf Facebook gefragt — und sofort reagierten Nutzer darauf. Vor allem waren es Deutsche, die offenbar ihre türkischen Mitmenschen nicht (mehr) verstehen.

Wieso wünschen sich ausgerechnet diejenigen mehr Macht für Erdogan, die selbst in einer Demokratie leben? Oder anders gefragt: Warum stimmen Deutsch-Türken für das genaue Gegenteil dessen, was sie selbst haben, schrieb zum Beispiel Nicole Rudolph-Ristau unter unseren Aufruf auf Facebook.

Viele ratlose Nutzer berichteten, dass sie Deutsch-Türken in ihrem Bekanntenkreis schon darauf angesprochen hätten, ohne eine Antwort zu bekommen. Offenbar will kaum jemand öffentlich darüber sprechen, warum er für das Präsidialsystem in der Türkei gestimmt hat. Auch auf unseren Facebook-Aufruf meldeten sich nur wenige, die wirklich am Sonntag abgestimmt hatten. Einer von ihnen war Murat Akyüz — er ist ein Erdogan-Anhänger:

"Ich kann dazu nur eins sagen", schrieb Akyüz auf Facebook: Die Europäische Union behandle die Türkei wie ein Stiefkind, und Erdogan lasse das nicht mehr zu. "Weil er Rückgrat hat und sich nicht alles bieten lässt."

Oder hatte das Abstimmungsergebnis innenpolitische Gründe? Das vermutete Tugba Yesil. "Wenn man sich die Geschichte der Türkei anschaut, gibt es eine Konsensunfähigkeit", schrieb sie bei Facebook. Die parlamentarische Demokratie funktioniere dort nicht — anders als in Deutschland. "Deswegen hat sich das Volk eine Präsidialdemokratie gewünscht."

Andere Leser spekulierten darüber, warum Erdogan ausgerechnet aus Deutschland so viele Stimmen bekommen hat. Der türkische Präsident habe seinen Landsleuten vermittelt, dass er sich um sie kümmere, vermutete Heike Hermann. "Ich glaube, das hören viele gerne."

Und oft seien gerade diejenigen, die fern der Heimat lebten, besonders nationalistisch, meinte Marcus Dickmann. "Es ist kein besonderes Phänomen, denn Deutsche die z. B. in den USA leben, gelten als besonders deutsch."

Aber viele Nutzer versuchten erst gar nicht, die Deutsch-Türken und ihr Abstimmungsergebnis zu verstehen. "Für mich ist es ein No-Go. Man genießt hier die Freizügigkeit der Demokratie und mutet seinen Landsleuten in der Türkei eine Diktatur zu", schimpfte Brigitte Dünnwald.

Günther Jacob meinte: "Man sollte nur da wählen dürfen, wo man auch lebt und für seine Entscheidung die Konsequenzen tragen muss."

Und viele Nutzer reagierten trotzig auf die vielen Ja-Stimmen für Erdogan aus Deutschland. So wie Marcel Rweiler: "Wenn in der Türkei alles so viel besser sein soll, warum geht man dann nicht einfach zurück in dieses Land?"

(wer)
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