Interview mit Annette Schavan Regierung plant Offensive gegen Schulabbrecher

Düsseldorf (RP). Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) über Innovation, Hochschulpolitik und die neue Initiative der Bundesregierung, die Zahl der Schulabgänger ohne Abschluss bis 2012 zu halbieren.

Die High-Tech-Strategie der Bundesregierung soll Arbeitsplätze schaffen. Wie viele sind machbar?

Schavan Hinter der High-Tech Strategie verbirgt sich ein Potenzial von bis zu 1,8 Millionen Arbeitsplätzen. Zentrale Voraussetzung hierfür ist, dass wirklich alle Innovationsstrategien umgesetzt werden. Besonders großes Potenzial liegt in der Automobilbranche, in der Informations- und Kommunikationstechnologie, in der Logistik und in der Medizintechnik.

Dafür braucht man qualifizierte Leute. In Deutschland aber verlassen zehn Prozent eines Jahrgangs die Schule ohne Abschluss.

Schavan Dieses Problem müssen wir lösen. Ich möchte 2007 gemeinsam mit den Ländern eine Offensive für den Bildungsaufstieg ins Leben rufen. Mein Ziel ist es, die Zahl der Schulabgänger ohne Abschluss zu halbieren. Zugleich sollen noch mehr Ausbildungsangebote für die so genannten Altbewerber geschaffen werden. Zudem müssen die Schüler stärker zu den technischen Fächern hingeführt werden. Das ist eine zwingende Voraussetzung, um am Ende genügend junge Leute für die Bereiche ausbilden und hoch qualifizieren zu können, in denen künftig die Musik spielt.

In welchem Zeitraum kann das gelingen?

Schavan Wir sollten uns das Ziel setzen, das in den nächsten fünf Jahren zu schaffen. Denn wir wollen ja auch in der Bildung im europäischen Wettbewerb eine starke Rolle spielen. So wird das Thema berufliche Bildung auch ein zentrales Thema der deutschen EU-Ratspräsidentschaft sein.

Wenn sie mehr Studenten für technische Fächer gewinnen möchten, ist es dann sinnvoll, für 2007 ein Jahr der Geisteswissenschaften auszurufen?

Schavan Das Wissenschaftsjahr 2007 dient nicht der Werbung für ein Studium der Geisteswissenschaften. Vielmehr soll klar werden, welche Bedeutung die Geisteswissenschaften für die Gesellschaft haben. Ich wünsche mir, dass sich die Brücken zwischen Geisteswissenschaften und Kultur in Deutschland zeigen.

Sind die Geisteswissenschaften das Aschenputtel an den Universitäten?

Schavan Manche sehen das so. Die Geisteswissenschaften sollten selbstbewusst ihre Rolle wahrnehmen sowohl in den Hochschulen wie auch in der Gesellschaft. Sie haben zum Beispiel eine wichtige Funktion als Vermittler zwischen den Kulturen. Sie helfen, die Globalisierung nicht nur als ökonomischen Prozess zu sehen.

EU-weit sollen bis 2010 drei Prozent des Bruttoinlandprodukts in Forschung investiert werden. Wird Deutschland das gelingen?

Schavan Wir sind auf bestem Weg. Die Bundesregierung hat mit zusätzlichen sechs Milliarden Euro bis 2010 die Vorlage dafür geliefert. Nun müssen auch die Unternehmen in Deutschland nachziehen. Die Signale sind positiv. Nur wer jetzt auf Forschung und Innovation setzt, wird im weltweiten Wettbewerb stark sein.

Auf welchen Feldern erwarten Sie neue Erfindungen?

Schavan Zu erwarten sind Erfindungen für mehr Benutzerfreundlichkeit bei elektronischen Geräten aller Art, außerdem Bild gebende Verfahren bei der Verbesserung von Diagnosen in der Medizin sowie mehr Erkenntnisse über Volkskrankheiten wie Diabetes und Herzerkrankungen. Es geht aber auch um die Weiterentwicklung des Navigationssystems zum intelligenten Auto.

Die Wissenschaft drängt die Politik, den Stichtag für die embryonalen Stammzellen, die für Forschungszwecke verwendet werden dürfen, nach hinten zu verschieben. Wie stehen Sie dazu?

Schavan Der Bundestag wird sich damit dieses Jahr beschäftigen. Mir persönlich ist es wichtig, dass die Substanz des Embryonenschutz-Gesetzes erhalten bleibt. Wir reden hier nicht allein über ein Thema der Wissenschaft, sondern über grundlegende Werte in unserer Gesellschaft.

Das Interview führte Eva Quadbeck.

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