Rede von Ministerpräsident Weil Diese Sätze wurden auf Wunsch von VW geändert

Hannover/Düsseldorf · Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil steht unter Druck: Seine Regierungserklärung zur Diesel-Affäre hatte er dem Autokonzern VW vorgelegt. Welche Stellen wurden umgeschrieben?

Der niedersächsische Ministerpräsident Weil (SPD) sitzt im VW-Aufsichtsrat - und legte im Oktober 2015, mitten in der Diesel-Affäre, eine Regierungserklärung zu diesem Thema Volkswagen vorab vor. Nun steht er politisch unter Beschuss: Wie viel Einfluss auf die Rede hatte VW wirklich? Um das Schlimmste abzuwenden, bemüht sich die niedersächsische Staatskanzlei um Transparenz: Sie veröffentlichte einen Vergleich des Redeentwurfs mit der tatsächlich von Weil gehaltenen Regierungserklärung vor dem Landtag in Hannover. Die Endfassung der Rede enthält Änderungen, die laut Staatskanzlei teils vom Anwalt der niedersächsischen Regierung, teils aber auch auf Anregung von Volkswagen gemacht wurden.

Wir haben uns die Änderungen in dem Textdokument angesehen. Demnach wurden in der neuneinhalbseitigen Rede des Ministerpräsidenten 13 Textstellen von Volkswagen beanstandet. Acht Passagen wurden auf Bitten von VW durch die Staatskanzlei geändert. Die meisten beziehen sich auf technische Details und Angaben zum amerikanischen Verfahrensrecht. Einige Beispiele:

  • Die inhaltlich schärfste Formulierung, mit der Weil Kritik an dem Autobauer übte, blieb in der Rede zwar stehen. Der Ministerpräsident sagte: "So erklärt es sich auch, dass wir alle tief betroffen und entsetzt sind zu erfahren, dass bei Volkswagen über etliche Jahre hinweg Abgaswerte manipuliert worden sind. Dieses Vorgehen ist unverantwortlich, völlig inakzeptabel und durch nichts zu rechtfertigen." Gleichzeitig wurde aber im selben Absatz eine Aussage auf Wunsch VWs geändert. Statt "Volkswagen hat damit gegen Gesetze verstoßen und Vertrauen missbraucht" heißt es auf Wunsch des Konzerns: "Damit ist gegen Gesetze verstoßen und Vertrauen missbraucht worden." VW als direkt angesprochener Schuldiger fehlt in diesem Satz.
  • In Weils Entwurf wird kritisiert, dass VW die strengen Abgaswerte in den USA nicht eingehalten habe: "Anstatt dies klar und deutlich zu thematisieren, ist fatalerweise der Entschluss gefasst worden, die Software zu entwickeln, die die Abgasentwicklung unterschiedlich steuert, je nachdem ob sich ein Fahrzeug auf dem Prüfstand befindet oder im normalen Verkehr." VW wünschte sich eine Änderung in "eine Software" - diesem Wunsch wurde entsprochen.
  • Deutlich sind die Änderungen in einer darauffolgenden Passage, die sich auf den Einsatz der Software in anderen Ländern und Modellen beziehen. Aus "Wo, wann und wer dafür die Verantwortung hatte, ist ebenfalls Gegenstand intensiver Untersuchungen" wurde auf Bitten des Autokonzerns die Formulierung: "Wer dafür die Verantwortung hatte, ist ebenfalls Gegenstand intensiver Untersuchungen." Die Zeitaussagen fehlen.
  • Es wurden aber auch fünf Änderungsvorschläge abgelehnt. So heißt es in Weils Rede zum Beispiel: "So erklärt es sich auch, dass wir alle tief betroffen und entsetzt darüber sind zu erfahren, dass bei Volkswagen über etliche Jahre hinweg Abgaswerte manipuliert worden sind." Der Vorschlag von VW lautete: "So erklärt es sich auch, dass wir alle tief betroffen und entsetzt darüber sind, dass bei Volkswagen über etliche Jahre hinweg Abgaswerte bei Messungen auf dem Prüfstand manipuliert worden sind."

Das Land Niedersachsen ist mit 20 Prozent zweitgrößter Anteilseigner von VW. Die Staatskanzlei argumentiert, sie habe Volkswagen die Rede nur deshalb vorgelegt, um angesichts der gegen VW laufenden Gerichtsverfahren Falschmeldungen und Schadenersatzansprüche zu verhindern. Das geht auch aus einer internen Mail von Regierungssprecherin Anke Pörksen hervor, die sie ihren Mitarbeitern vor der strittigen Regierungserklärung geschrieben hatte und die unserer Redaktion vorliegt: "Wir werden keinesfalls unsere politischen oder sonstigem Äußerungen mit dem Konzern vorab abstimmen, es geht nur um konkrete Aussagen zu den Vorgängen, die jetzt Gegenstand von Gerichtsverfahren sind."

Weil selbst verteidigte sein Verhalten und sprach von einer "bodenlosen Unterstellung". Auch ein VW-Sprecher erklärte, es sei üblich, dass Aufsichtsratsmitglieder geplante Aussagen über Konzernangelegenheiten mit dem Unternehmen abstimmen. Die Frage, wie legitim es ist, wenn ein gewählter Volksvertreter das macht, könnte ihn am Ende das Amt kosten.

(mit Material der dpa)

(oko)
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