Geplante Reform Die Jugend und ihre Sorge um die Rente

Berlin · Neun Organisationen sollen der Arbeitsministerin an diesem Mittwoch ihre Ideen und Konzepte zur Generationengerechtigkeit erläutern. Die Vorstellungen der jungen Generation reichen von einer kostspieligen Anhebung des Rentenniveaus bis hin zu der Forderung nach einer Verschiebung des Renteneintrittsalters von 67 auf 70 Jahre.

Rente mit 67 oder 70? Die Jugend und ihre Sorge um die Rente
Foto: Radowski

Vor der anstehenden nächsten Rentenreform hat Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) für diesen Mittwoch die Vertreter von insgesamt neun Jugendorganisationen eingeladen — darunter die jungen Vertreter der fünf Parteien im Bundestag, der Gewerkschaften Verdi, IG Metall und IG BCE sowie der Jungen Unternehmer und des Bundesjugendrings. Sie sollen der Ministerin ihre Konzepte für Alterssicherung und zur Generationengerechtigkeit vorstellen. Der Ministerin gehe es darum, sich ein umfassendes Bild zu machen, bevor sie im Herbst ein Gesamtkonzept für die in dieser Legislaturperiode noch geplante Rentenreform vorlegen werde, sagte eine Ministeriumssprecherin.

"Der Rückhalt für die gesetzliche Rente ist auch unter jungen Menschen weiterhin hoch", sagte Juso-Chefin Johanna Uekermann unserer Redaktion. Sie bemängelte jedoch die Unsicherheit, nicht zu wissen, ob das eigene Rentenniveau noch lebensstandardsichernd sein werde. Uekermann forderte eine "langfristige Sicherung des gesetzlichen Rentenniveaus oberhalb von 50 Prozent des durchschnittlichen Bruttogehalts".

Das Rentenniveau ist der prozentuale Anteil einer Standardrente am Durchschnittseinkommen. Aktuell liegt das Rentenniveau bei 47,5 Prozent. Sollte es dabei bleiben, würde der Renten-Beitragssatz laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) im Auftrag der von den Arbeitgebern finanzierten Initiative für Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) schon ab 2022 stärker steigen als bisher vorgesehen. Er würde 2027 die gesetzlich festgelegte Obergrenze von 22 Prozent durchbrechen.

Allein im Jahr 2020 müsste die Rentenkasse 28 Milliarden Euro mehr ausgeben als heute vorgesehen. Bei einem auf mindestens 50 Prozent festgelegten Rentenniveau müsste der Beitragssatz schon 2024 über 22 Prozent steigen, was vor allem die jüngere Generation erheblich belasten würde. Die Mehrausgaben lägen im Jahr 2029 bei 52 Milliarden Euro zusätzlich.

Auch die Junge Union will das Rentenniveau möglichst nicht weiter absenken, hält dafür aber eine steigende Lebensarbeitszeit für notwendig. "Um das Rentenniveau künftig nicht so weit absenken zu müssen, dass immer weniger Menschen davon leben können, sollten wir das Renteneintrittsalter an die steigende Lebenserwartung koppeln", betonte JU-Chef Paul Ziemiak. In kleinen Schritten will er das Renteneintrittsalter weiter steigern — bis die Menschen im Jahr 2100 erst mit 70 in Rente gehen könnten. "Es kann nicht bei der Rente mit 67 bleiben, wenn wir Altersarmut vermeiden wollen", sagte Ziemiak und verwies auf die künftig wachsende Zahl der Rentner im Vergleich zur sinkenden Zahl der Arbeitnehmer.

Ähnlich sieht dies der Verband "Die Jungen Unternehmer", wie ihr Vorsitzender Hubertus Porschen erklärte: "Der wichtigste Schritt, um den Verteilungskonflikt zwischen Jung und Alt zu entschärfen, ist, die Lebensarbeitszeit an die Lebenserwartung zu koppeln." Er will noch weiter gehen als die JU und sagt, das höhere Rentenalter solle nicht erst in 30 oder 40 Jahren kommen.

Die Jugendorganisation der Linkspartei hält dem entgegen, die Menschen, die vorschlagen, das Renteneintrittsalter auf 70 zu erhöhen, seien auch "diejenigen, die sich weigerten, Menschen über 50 überhaupt einzustellen." Auch der Vertreter der Grünen Jugend, Korbinian Gall, warnte: "Eine weitere Absenkung des Rentenniveaus würde verheerende Folgen haben." Die Grünen forderten statt dessen, die Beitragsbemessungsgrenze anzuheben und auch Selbstständige und Beamte beitragspflichtig zu machen.

Nach einem unlängst vorgestellten Gutachten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) würde allerdings jeder zusätzliche von Arbeitgebern und Arbeitnehmern paritätisch finanzierte Beitrags-Prozentpunkt 60.000 bis 80.000 Jobs kosten, weil die Lohnzusatzkosten steigen.

Der Autor der IW-Studie, Jochen Pimpertz, weist zudem darauf hin, dass bald die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen. Sie hätten häufig hohe Rentenanwartschaften erworben und würden wegen ihrer längeren Lebenserwartung auch länger Rente beziehen als frühere Generationen. Auf diese finanziellen Herausforderungen habe die Politik bisher noch gar keine Antwort gegeben. Voraussichtlich müsse das Renteneintrittsalter von 2030 an ohnehin über 67 Jahre hinaus steigen und gleichzeitig auch das Rentenniveau für die künftigen Generationen noch weiter sinken.

Es sei falsch, allein wegen der bis 2029 geplanten Absenkung des Rentenniveaus darauf zu schließen, dass deutlich mehr Menschen in Zukunft von Altersarmut bedroht seien, sagte Pimpertz. Denn in einem Haushalt lebten oft mehrere Personen. Zudem verfügten viele Menschen über eine private und betriebliche Altersvorsorge sowie weiteres Vermögen. Die INSM forderte einen Freibetrag von 100 Euro monatlich für die private Vorsorge bei der Anrechnung auf die Grundsicherung im Alter. Dies würde verhindern, dass Geringverdiener gar nicht erst vorsorgten, weil sie befürchteten, dass ihr Erspartes später angerechnet werde.

(mar/qua)
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