Grüne Sehnsucht nach Robert Habeck

Berlin · Schleswig-Holsteins Umweltminister will und soll neuer Grünen-Chef werden, aber gleichwohl noch acht Monate Landesminister in Kiel bleiben. Ob die Partei das akzeptiert, entscheidet der Bundesparteitag in Hannover am Freitag.

 Robert Habeck will neuer Grünen-Chef werden.

Robert Habeck will neuer Grünen-Chef werden.

Foto: dpa, dan htf

Bei den Grünen entscheidet sich an diesem Wochenende, ob die Sehnsucht nach Robert Habeck als neuem Parteichef groß genug ist, um nur für ihn eines der Gründungsprinzipien der Partei aufzugeben. Denn Schleswig-Holsteins populärer Umweltminister will nur dann die Nachfolge von Cem Özdemir antreten, wenn er gleichzeitig sein Ministeramt in Kiel noch mindestens acht Monate ausüben darf. Die Satzung der Grünen verbietet es aber bislang, dass einer Parteichef und gleichzeitig Landesminister ist. Die strikte Trennung von Amt und Amt oder Amt und Mandat soll sicherstellen, dass es nicht zu Interessenkollisionen kommt.

Die eigentlich spannende Frage auf dem kommenden Bundesparteitag in Hannover ist daher weniger die Wahl des neuen Parteichefs. Wichtiger ist, ob die 825 Delegierten am Freitag eigens für Habeck einer Satzungsänderung mit Zweidrittelmehrheit zustimmen. Zur Wahl stehen dabei drei Leitanträge. Darin werden Übergangsfristen für Habeck von drei, acht und zwölf Monaten vorgeschlagen. Würde sich der Parteitag nur für drei Monate Übergangszeit entscheiden, wird Habeck seine Kandidatur zurückziehen, wie er bereits öffentlich erklärt hatte. Auch wenn keiner der Anträge die nötige Mehrheit bekommt, wäre Habecks Kür gescheitert — und die Grünen stünden vor einer neuen hausgemachten Krise.

Vieles spricht daher dafür, dass sich die Delegierten für die achtmonatige Übergangszeit entscheiden und damit den Weg für Habeck freimachen. Denn mehrere Antragsteller, die zuvor unterschiedliche Pläne verfolgt hatten, haben sich unter der sanften Moderation des Bundesgeschäftsführers Michael Kellner auf diesen gemeinsamen Antrag geeinigt. Er würde auch am ehesten einen Kompromiss darstellen. Habeck hatte ursprünglich eine Übergangszeit von etwa einem Jahr gefordert. Er hatte sie damit begründet, dass die Kieler Jamaika-Koalition erst seit Mitte 2017 im Amt sei und er wichtige Projekte wie die Energiewende in Schleswig-Hostein noch umsetzen müsse.

Sollte Habeck nicht antreten, wäre eine weibliche Doppelspitze möglich. Um den Frauenplatz an der Parteispitze konkurrieren zunächst im ersten Wahlgang die Brandenburger Bundestagsabgeordnete Annalena Baerbock (37) und die Fraktionschefin im niedersächsischen Landtag, Anja Piel (52). Die bisherige Grünen-Vorsitzende Simone Peter tritt wie Özdemir nicht wieder an. Baerbock gehört dem Realo-Flügel an, Piel wird dem linken Flügel zugerechnet.

Die Chancen Piels steigen, sollten die Delegierten weiterhin mehrheitlich der Meinung sein, beide Flügel müssten in der Parteispitze vertreten sein. Alle drei Kandidaten haben allerdings mehrfach betont, sie wollten beide Flügel repräsentieren.

Die jeweils unterlegene Kandidatin könnte sich bei der Wahl des zweiten, üblicherweise männlichen Vorsitzenden, erneut zur Wahl stellen. Anja Piel schränkte allerdings ein: "Wenn ich im ersten Wahlgang unterliegen sollte, werde ich nur dann auch für den Platz der zweiten Vorsitzenden kandidieren, wenn zuvor keine Zweidrittelmehrheit für eine Satzungsänderung zustande gekommen ist und Robert Habeck deswegen nicht kandidiert. Nur in diesem Fall wäre eine weibliche Doppelspitze mit Annalena Baerbock und mir denkbar."

Vor allem Habeck hält nicht viel von der starren Flügelarithmetik bei den Grünen. Die Partei müsse sich davon lösen, um gelenkiger zu werden, so der 48-Jährige Charismatiker, der flügelübergreifend Rückhalt genießt. Mit der neuen Parteispitze wird auch ein programmatischer Erneuerungsprozess eingeleitet: Bis 2020 wollen die Grünen ein aufgefrischtes Grundsatzprogramm erarbeiten — um dann 2021 gestärkt den nächsten Anlauf zur Regierungsbeteiligung zu unternehmen.

(mar)
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