Die FDP kreist wieder um sich selbst Rösler, immer nur Rösler

Die FDP fällt drei Wochen vor der so wichtigen Landtagswahl in Niedersachsen wieder in alte Muster zurück. Nachdem Parteichef Philipp Rösler sein Positionspapier vorgelegt hat, diskutiert die Partei nicht über dessen Ansichten, sondern den Vorsitzenden selbst. Rätsel geben die Motive von Chef-Kritiker Niebel auf.

 Was Dirk Niebel zu seinen Attacken auf Parteichef Philipp Rösler treibt, ist für viele in der Partei ein Rätsel.

Was Dirk Niebel zu seinen Attacken auf Parteichef Philipp Rösler treibt, ist für viele in der Partei ein Rätsel.

Foto: dapd, Maja Hitij

An den Weihnachtstagen legte FDP-Chef Philipp Rösler in einem übersichtlichen Papier seine Ansichten zu liberaler Politik vor. Nein zum Mindestlohn, Privatisierung von Staatseigentum sowie die weitere Flexibilisierung des Arbeitsmarktes. Vieles davon zählt zu urliberalen Anliegen. Rösler will so Kante zeigen, die Kernklientel ansprechen und mit einem harten inhaltlichen Kern die Wähler überzeugen.

Doch am 20. Januar wählt Niedersachsen einen neuen Landtag. Die Zeit für inhaltliche Positionsbestimmungen ist damit abgelaufen, wieder einmal geht es für die FDP um die Existenz. Gleiches gilt vor dem traditionellen Dreikönigstreffen erst recht für Rösler. Unter seiner Führung hat die FDP bislang nicht den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde geschafft. Sie muss um den Wiedereinzug in den Bundestag bangen.

Partei außer Kontrolle

Am Mittwoch legte Minister Dirk Niebel und Dauerkritiker Dirk Niebel persönlich erneut die Axt an. Der frühere FDP-Generalsekretär bekräftigte in einem Interview, es sei nicht zwingend notwendig, dass Rösler die Liberalen als Spitzenkandidat in die Wahl führe. Rösler konterte am Freitag, mit dieser Frage beschäftigten sich derzeit nur einige wenige in der Partei. Wichtiger sei die Unterstützung der Kollegen in Niedersachsen.

Doch allen Appellen Röslers zum Trotz gerät die Partei nun erneut aus den Fugen. Statt der so oft beschworenen Geschlossenheit überlagert ein Stimmengewirr die liberale Szenerie. Der Vorsitzenden versucht händeringend den Laden zusammenzuhalten und fordert volle Konzentration auf Niedersachsen. "Es ist eine wichtige Wahl für das Land und hat auch eine gewisse bundespolitische Bedeutung", sagte Rösler am Freitag im ZDF. Das kann man wohl sagen. Die "bundespolitische Bedeutung" - so viel ist klar - erstreckt sich insbesondere auf ihn selbst und seinen Posten als Vorsitzenden.

Rückendeckung aus der Spitze

Die Spitzenriege versucht, den Ärger so weit wie möglich unter der Decke zuhalten. Am Freitag stellten sich in der Zeitung "Die Welt" führende Liberale hinter Rösler und sein Positionspapier. "Das Papier ist eine klare inhaltliche Positionsbestimmung in der Wirtschaftspolitik", sagte Parteivize Birgit Homburger. Generalsekretär Patrick Döring erklärte: "Ordnungspolitische Klarheit und Akzente für Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit sind gerade zum neuen Jahr geboten, wenn das Umfeld rauer wird." Der FDP-Haushaltsexperte Otto Fricke fügte hinzu: "Das Papier zeigt genau, was in Deutschland notwendig ist, wenn wir unseren Lebensstandard und unsere wirtschaftliche Position in der Welt erhalten wollen."

Doch seitdem Niebel Röslers Führungsqualitäten ein weiteres Mal unmissverständlich in Frage stellte, ist der Bann gebrochen. Die Liberalen diskutieren abermals über sich selbst und zerreden alle Versuche, die Reputation ihres Chefs wieder herzustellen.

Kritik aus der Fraktion: Kein Blatt vor den Mund nimmt der liberale Bundestagsabgeordnete Hein-Peter Haustein. Er vermisst an der Parteispitze "eine überzeugende Führungsfigur". Es mache sich, wie im Fußball, bei einer Mannschaft Frust breit, wenn sie fast jedes Spiel verliere. "Dann kommt zwangsläufig die Frage nach dem Trainer", so Haustein gegenüber der "Leipziger Volkszeitung" Röslers "Schicksalswahl" sei die Landtagswahl in Niedersachsen am 20. Januar. "Parteifreunde, Geschäftsfreunde, Bekannte sagen mir auf den Kopf zu: Mit Deiner Partei ist im Prinzip alles okay. Aber mit dem Philipp passt das nicht."

Kritik aus Niedersachsen: Schon am Donnerstag zeigte sich der ausgerechnet der niedersächsische Landesvorsitzende Stefan Birkner alles andere als glücklich über Röslers Vorstoß. In der "Welt" rief er seine Partei auf, sich für Mindestlöhne zu öffnen. Indirekt übte Birkner auch Kritik an der Parteiführung. Der FDP müsse es endlich gelingen, "die thematische Breite des Liberalismus zu vermitteln."

Kritik aus der Fraktion II: Ähnlich wie Birkner äußerte sich auch der Fraktionsvize im Bundestag, Martin Lindner. Er rief Rösler auf, neben der "unverzichtbaren klaren Alternative" im liberalen Kernbereich der Wirtschaftspolitik "auch unsere starke bürgerrechtliche Linie" herauszustellen. Er erwarte sich von Rösler, dass er dies auf dem traditionellen Dreikönigstreffen der Liberalen in Stuttgart hervorhebe, sagte Lindner der "Leipziger Volkszeitung".

Kritik aus dem Kabinett: Eine Sonderrolle spielt im Dauerclinch der Liberalen sicherlich Dirk Niebel. Der Vertraute von Guido Westerwelle gilt seit jeher als parteiinterner Widersacher Röslers. Schon Anfang Dezember hatte er eine Debatte über die Führungsqualitäten des Vorsitzenden losgetreten, indem er eine Doppelspitze ins Gespräch brachte. Eine solche Zweiteilung gilt bei den Liberalen bislang aber als Tabu.

Was ihn antreibt, hat in den Medien bereits Spekulationen ausgelöst. Womöglich will Niebel sich selbst als Spitzenmann der FDP in Stellung bringen. Auf die Frage, ob er sich selbst den Parteivorsitz zutraue, antwortete Niebel: "Ich strebe es nicht an. Ich war fünf Jahre Generalsekretär und damit sehr nahe am Parteivorsitzenden dran. Ich weiß, was das Amt einem abverlangt und würde es nicht unbedingt wollen." "Er sieht hier eine Chance für sich, weil andere nicht können oder wollen", glaubt ein FDP-Politiker.

(pst)
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