Benzinpreis-Wut sorgt für Aktionismus der Politik Rösler will höhere Pendlerpauschale

Berlin · Bundeswirtschaftsminister und FDP-Chef Philipp Rösler hat die Forderung der Liberalen bekräftigt, angesichts des Rekordhochs bei den Benzinpreisen die Pendlerpauschale anzuheben. "Ich kann mir eine maßvolle Erhöhung der Pendlerpauschale vorstellen", sagte Rösler in einem Interview.

 Bundeswirtschaftsminister und FDP-Chef Philipp Rösler will die Pendlerpauschale aufgrund der hohen Spritpreise erhöhen.

Bundeswirtschaftsminister und FDP-Chef Philipp Rösler will die Pendlerpauschale aufgrund der hohen Spritpreise erhöhen.

Foto: dpa, Britta Pedersen

Zuvor hatte Regierungssprecher Steffen Seibert erklärt, eine Anhebung der 30 Cent je Kilometer sei nicht geplant. Rösler sieht indes Handlungsbedarf und auch den notwendigen Spielraum. Die gestiegenen Kraftstoffpreise führten zu Mehreinnahmen des Staates, damit könne eine Anhebung der Pendlerpauschale finanziert werden, so Rösler gegenüber der Tageszeitung "Die Welt".

Der März war der teuerste Tankmonat aller Zeiten. Die Politik will daher die Mineralölkonzernen stärker an die Kandare nehmen. Das Bundeskartellamt dürfte in diesem Jahr ganz genau beobachten, ob und wie die fünf marktbeherrschenden Mineralölkonzerne BP (Aral), ConocoPhilipps (Jet), ExxonMobil (Esso), Shell und Total zu Ostern an der Preisschraube drehen. Hier könnten neue Rekorde an der Tankstelle erreicht werden.

FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle hat die Mineralölkonzerne aufgefordert, die Spritpreise an den Zapfsäulen zur Oster-Reisezeit stabil zu halten. "Mich stört vor allem, dass zu jedem Ferienbeginn und oft auch zu Feiertagen fast reflexhaft die Preise an den Tankstellen erhöht werden", sagte Brüderle der "Leipziger Volkszeitung". Die Benzinpreise hatten am Freitag erneut ein Rekordniveau erreicht. Brüderle hatte die Mineralölbranche in ähnlicher Weise bereits 2010 und 2011, damals noch als Bundeswirtschaftsminister, attackiert.

Mehr Wettbewerb

Das Rekordhoch drückt das Konsumklima und schürt Inflationsängste. Und in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen stehen wichtige Wahlen an, wo die CDU um die Macht und die FDP ums Überleben kämpft. Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) will mehr Wettbewerb. Etwa indem die freien Tankstellen gestärkt werden. So dürfen die Konzerne ihnen den Sprit nicht mehr teurer verkaufen als den eigenen Tankstellen. Doch reicht das im Kampf gegen die hohen Preise?

Westaustralien oder Österreich - das sind derzeit die Zauberwörter bei Bundes- und Landespolitikern, wenn sie wütenden Autofahrern zeigen wollen, die Politik kümmere sich um das Problem.

Australisches Modell?

In dem in Westaustralien praktizierten Modell sehen die Fraktionen von Union und FDP, aber auch das Kartellamt, eine Option, die womöglich schon bis zur großen Urlaubsreisewelle im Sommer in einem Gesetz münden könnte. Damit würden Tankstellen verpflichtet, bis 14 Uhr den Preis für den nächsten Tag zu melden und publik zu machen.
Der Preis würde dann ab 6 Uhr morgens gelten und könnte erst 24 Stunden später wieder verändert werden. Der Vorteil: Kunden hätten noch Zeit, um zum womöglich günstigeren Tarif zu tanken.

Die Bundesregierung soll diese Option nun prüfen - auch der Bundesrat forderte am Freitag auf Initiative Thüringens, das Westaustralien-Modell zu prüfen. Ebenso soll das Vorgehen in Österreich analysiert werden, wo nur einmal am Tag mittags der Benzinpreis erhöht werden darf, um Jojo-Effekte mit Sprüngen von 15 Cent pro Tag wie zuletzt in Deutschland zu vermeiden. Zudem wird so ein Anheben der Preise zur Rush-Hour nach dem Feierabend verhindert. Röslers Ministerium sieht beide Modelle nicht als Allheilmittel.

Und auch beim ADAC ist man skeptisch: "Das Westaustralien-Modell könnte Preisabsprachen Tür und Tor öffnen", sagt der für den Bereich Verkehr zuständige Sprecher Andreas Hölzel. "Wir haben große Vorbehalte gegen staatliche Regulierungsmaßnahmen." Hölzel sieht auch das Österreich-Modell nicht als sinnvoll an. Hier gebe es zwar eine Beruhigung des Kraftstoffpreises, aber er sei nun höher als früher.

Aus Sorge, zu knapp zu kalkulieren, kann der Preis bei der nur noch einmaligen Erhöhung pro Tag stärker als nötig angehoben werden. Gleiches gilt für das Westaustralien-Modell, wo der Preis nach einer saftigen Erhöhung womöglich erst binnen mehrerer Tage wieder langsam sinken könnte - für den Autofahrer wäre nichts gewonnen.

Kein Patentrezept

Ein Patentrezept scheint es nicht zu geben, letztlich steigt und fällt der Preis an der Tankstelle mit dem Ölpreis. Und ein kurzfristiges Anzapfen der Ölreserven, um den Autofahrern die Fahrt in den Osterurlaub nicht zu vermiesen, kommt nicht infrage. Dies ist gesetzlich nur möglich, wenn es akute Versorgungsengpässe gibt.

Daher könnte es letztlich vor allem um kleinere Änderungen gehen.
Etwa, dass alle Tankstellenpreise in eine Datenbank eingepflegt werden müssen, damit die Autofahrer unterwegs vergleichen können, wo der Sprit am billigsten ist. Auch das würde den Preisdruck erhöhen.

Was oft bei Politikern unter den Tisch fällt: Der hohe Steueranteil beim Sprit ist in hohem Maße mitverantwortlich für die hohen Preise - der Staat ist daher sogar Nutznießer der Rekordpreise. Eine Erhöhung der Pendlerpauschale von derzeit 30 Cent pro Kilometer lehnt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) aber klar ab, er will auch an Mineralöl- und Mehrwertsteuer nicht rütteln. Vor den anstehenden Wahlen stellt Rösler am Freitag diesen Regierungskurs aber infrage und fordert überraschend eine höhere Pauschale.

SPD: Schwarz-gelbes Osterei 2012

Für die Opposition ist die Uneinigkeit und der Aktionismus zur Beruhigung der Autofahrer symptomatisch. SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber sagt, immer wieder mache Schwarz-Gelb völlig unausgegorene Vorschläge, wenn der Benzinpreis gerade hoch sei. Passieren tue dann nichts. Er nennt die neuesten Vorstöße das "das schwarz-gelbe Osterei des Jahres 2012".

In der Mineralölbranche rechnet man damit, dass man bei einem Aus für häufige Preiserhöhungen sogar mehr Geld zu verdienen sein könnte.
Klaus Picard, Hauptgeschäftsführer des Mineralölwirtschaftsverbandes betont: Der Gesetzgeber müsse entscheiden, was ihm wichtiger sei: Ein hoher Preis oder ein niedriger, schwankender Preis. "Wenn Kunden Tanktourismus nach Österreich oder Luxemburg betreiben, so liegt das nicht an der Regulierung dort, sondern an den niedrigeren Steuern im Vergleich zu Deutschland", sagt Picard.

(dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort