Hessens Ministerpräsident Roland Koch, der Reservekanzler

Berlin/Wiesbaden (RP). Mehr konservatives Profil, mehr Atomkraft, mehr Sparmaßnahmen – Hessens Ministerpräsident Roland Koch läuft sich für höhere Aufgaben in Berlin warm. Ob CDU-Kanzlerin Angela Merkel den Chefkritiker aus Hessen erhört, ist indes fraglich. Koch kann ihr gefährlich werden.

Roland Koch: Leben, Erfolge, Skandale
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Berlin/Wiesbaden (RP). Mehr konservatives Profil, mehr Atomkraft, mehr Sparmaßnahmen — Hessens Ministerpräsident Roland Koch läuft sich für höhere Aufgaben in Berlin warm. Ob CDU-Kanzlerin Angela Merkel den Chefkritiker aus Hessen erhört, ist indes fraglich. Koch kann ihr gefährlich werden.

Lange hat er, der so gerne redet und sich einmischt, still gehalten. Der dürftige Start der schwarz-gelben Bundesregierung — ein Kabinettsmitglied bezeichnete die zurückliegenden Monate neulich als "permanente Dissonanz" — begleitete Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) ungewohnt stillschweigend.

Dabei gilt doch ausgerechnet der konservative Regierungschef aus Wiesbaden als notorischer Kritiker der Kanzlerin und möglicher politischer Erbe Merkels. Doch Koch, der bei der Landtagswahl in Hessen 2008 eine Schlappe erlitten hatte und sich zunächst demütig zeigte, wollte unbedingt loyal sein. Selbst als sein Parteifreund, der hessische CDU-Fraktionschef Christean Wagner, im Januar diesen Jahres in einem Essay mit Merkels "Watte-Wahlkampf" abrechnete, distanzierte sich Koch scharf von seinem eigenen Mann.

Doch seit Sonntag ist das vorbei. Die Niederlage der NRW-CDU und ihres "Arbeiterführers" Jürgen Rüttgers gibt Koch, dem Vorkämpfer des konservativen Parteiflügels, Rückenwind. Im Parteipräsidium, in kleiner Runde und in Interviews rüffelt Koch seither unverhohlen die Stillhalte-Politik der Bundesregierung vor der Landtagswahl, prangert die Führungsschwäche Deutschlands bei der Euro-Rettung an und fordert ein umfassendes Sparpaket. Er habe die Berliner Regierungsarbeit bisher als "organisierten Stillstand" empfunden, sagt einer, der Koch ganz gut kennt.

Sowohl die Absage an die von der FDP vehement geforderten Steuersenkungen als auch die Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke hätten längst erledigt sein können, findet Koch. Auch den Mut zu Sparmaßnahmen vermisst der selbst ernannte Reformpolitiker. Hatte nicht Koch schon 2005 mit Ex-Minister Peer Steinbrück (SPD) ein umfassendes Konvolut an Kürzungsideen für den Bundeshaushalt vorgelegt? Nun ist die Mehrheit im Bundesrat weg — und Merkel handlungsunfähig.

Koch will sich als Kandidat ins Spiel bringen

Die Offensive des gebürtigen Frankfurters, der mit 14 Jahren in die Junge Union eintrat, fällt allerdings in eine politisch heikle Situation. In Berlin wird über die Ablösung des gesundheitlich angeschlagenen Finanzministers Wolfgang Schäuble (CDU) spekuliert. Kochs Name fällt in diesem Zusammenhang nun regelmäßig. Er selbst findet eine Debatte über Schäubles Rücktritt "unfair". Dass er als Nachfolger gehandelt wird, wohl nicht.

Einige CDU-Bundespolitiker glauben, dass sich Koch mit den Wortbeiträgen zur Griechenland-Hilfe und den Einsparungen im Haushalt als Kandidat ins Spiel bringen will. "Wer äußert sich denn sonst seit Tagen so kritisch zur Finanzpolitik?", fragt ein CDU-Regierungsmitglied. Der Koch-Kurs in Sachen Finanzpolitik ist auch deshalb so auffallend, weil der andere, nach der NRW-Wahl noch übriggebliebene CDU-Landeschef mit Einfluss, Christian Wulff, das Thema tunlichst vermeidet. Schon ist von einem Geheimabkommen zwischen Wulff und Koch die Rede. Wulff werden Ambitionen auf das Amt des Parteichefs oder des Bundespräsidenten nachgesagt. Koch will Kanzler werden oder wenigstens die Finanzpolitik dirigieren.

Das liebe Geld ist seit Jahren Kochs Spielfeld (Spötter sagen, seit der hessischen Spendenaffäre im Jahr 2000). Bei den schwarz-gelben Koalitionsverhandlungen im Herbst führte Koch neben dem ebenfalls als Schäuble-Nachfolger gehandelten Innenminister Thomas de Maizière die Verhandlungen in der Arbeitsgruppe "Steuern, Haushalt, Finanzen". Es war Koch, der schon im September vor "übertriebenen Erwartungen" bei den Steuersenkungen warnte.

Mit Schäubles Vorgänger Peer Steinbrück arbeitete der Hesse zur Zeit der großen Koalition in diversen Bund-Länder-Arbeitsgruppen eng und vertrauensvoll zusammen. Der SPD-Mann hält Koch für einen "klugen und zuverlässigen" Politiker. Was man mit Koch vereinbare, das halte er auch ein. In der übrigen SPD ist dagegen kaum einer so verhasst wie Roland Koch, der 1999 im Landtagswahlkampf mit einer Unterschriftenaktion gegen die doppelte Staatsbürgerschaft fremdenfeindliche Ressentiments bediente und gerne gegen kriminelle Ausländer schießt. Diese Härte und Polarisierungsfähigkeit qualifiziert Koch wiederum zum Heroen des konservativen CDU-Flügels. Der leidet unter Merkels Modernisierungs-Kurs.

Im Bundesfinanzministerium würde der Sachpolitiker Koch durchaus auf Anhänger treffen. Als sich Steinbrück nach dem überraschenden Wahlsieg von Union und FDP auf einem Fest von seinen Mitarbeitern verabschiedete, tuschelten die SPD-nahen Finanzbeamten an den Bierbänken über ihren Lieblings-Nachfolger aus den Reihen der CDU. Koch war oft dabei. Der könne einen harten Sanierungskurs durchsetzen, hieß es. Schäuble hatte keiner auf dem Zettel.

Dass der 52-jährige Hesse nach Berlin will, gilt trotz aller Dementis als sicher. Als Kochs hessischer Parteifreund Franz-Josef Jung, Ex-Verteidigungsminister, in der Kundus-Affäre sein Amt (inzwischen war er Arbeitsminister) abgeben musste, soll Koch dezent im Kanzleramt vorgefühlt haben. Doch Kanzlerin Merkel hievte Ursula von der Leyen auf das prestigeträchtige Amt im Arbeitsministerium.

Das Verhältnis zwischen Merkel und Koch ist nicht konfliktfrei. Als sie ihm anbot, in Brüssel deutscher EU-Industriekommissar zu werden, lehnte Koch ab. Er wollte sich nicht auf einen Brüsseler Posten "abschieben" lassen, heißt es in der CDU-Spitze. Weil Koch auf seine richtige Chance noch wartet?

Sollte Schäuble gehen wollen, stände Koch bereit. Doch für Merkel bärge eine solche Personalrochade die Gefahr, dass sie sich mit der "Repolitisierung" des in Hessen eigentlich isolierten Koch einen neuen Konkurrenten züchtet. "Ich bin nicht Everybody's Darling" hatte Koch schon 2003 in einem Interview gedroht. Im Berliner Kanzleramt würde man das schnell zu spüren bekommen. Eine Lösung mit Innenminister Thomas de Maizière als neuem Finanzchef und Jürgen Rüttgers als neuem Innenminister wirkt da verträglicher.

(RP)
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