Staatsakt für Altbundespräsidenten Dieser Abschied hätte Roman Herzog gefallen

Berlin · Mit einem Trauergottesdienst und einem Staatsakt im Berliner Dom haben Familie, Politiker und Prominente Abschied von Roman Herzog genommen. Der ehemalige Bundespräsident war am 10. Januar gestorben.

Roman Herzog: Politiker und Prominente nehmen Abschied vom Altbundespräsidenten
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Politiker und Prominente nehmen Abschied von Roman Herzog

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Es hätte ihm gefallen, wie das graue Pult klein, unauffällig, aber Orientierung gebend im Berliner Dom steht. Darauf ein goldener Adler, der den Staatsakt markiert, aber gleichwohl so dezent, dass es dem vielen Gold am Altar nichts von seiner Pracht raubt. Roman Herzog, mit 82 Jahren am 10. Januar gestorbener Alt-Bundespräsident, hätte es wohl genau so arrangiert. Bundespräsident Joachim Gauck verneigt sich tief vor seinem Sarg. Er stützt Herzogs Witwe, Alexandra Freifrau von Berlichingen.

Auch sie sei ein Teil von Gottes Liebe gewesen, die Herzog zu Lebzeiten erfahren durfte, erläutert EKD-Ratsvorsitzender Heinrich Bedford-Strohm — und er erinnert im selben Atemzug an Herzogs erste Ehefrau Christiane, die ihm als First Lady während seiner Präsidentschaft zur Seite stand und viel zu früh gestorben sei. Bevor es die Redner beim Staatsakt vertiefen, arbeitet der Landesbischof wesentliche Charakteristika Herzogs heraus. Seinen "wunderbaren Humor", seine Wahrnehmung als "Bürgerpräsident", nicht zuletzt sein Eintreten für eine neue Erinnerungskultur, für die er "Botschafter der Versöhnung" geworden sei.

Für Gauck ist es der dritte Abschied

Für Gauck ist es bereits der dritte Amtsvorgänger, von dem er während seiner eigenen Amtszeit Abschied nehmen muss. Er empfindet es auch sei etwas wie "Abschied von der alten Bundesrepublik" — Herzog sei dabei ein Präsident des Übergangs gewesen. In Bonn gewählt und zumeist auch an seinem Schreibtisch, und doch schon bestrebt, Berlin und das Schloss Bellevue ins Bewusstsein der Menschen zu bringen. Gauck erinnert an Herzogs erste Auslandsreise nach Polen und sein nachdrückliches Bekenntnis zu Deutschlands Verantwortung als wichtigste politische Tat seit Willy Brandts Warschauer Kniefall. Wenig später wird auch EU-Ratspräsident Donald Tusk die Bedeutung Herzogs für die europäische Einigung herausstellen.

"Unverkrampft", das Wort Herzogs, das viele mit Bezug auf die Vergangenheitsbewältigung schreckte, habe nichts mit Verdrängung zu tun gehabt, vielmehr mit dem intensiven Nachdenken über die Zukunft des Erinnerns in Zeiten, in denen keine Augenzeugen mehr berichten können — so wurde Herzog zum Erfinder des 27. Januar als Holocaust-Gedenktag. Gauck beschreibt Herzogs innere Souveränität, seine angstlose Freiheit, sich seine eigenen Gedanken über die Menschen zu machen.

An der Stelle mit dem ausgeprägten Fähigkeit Herzogs zum Witz und zur Selbstironie schweifen die Gedanken ab. Hin zu jenem Flug als begleitender Journalist in der Präsidentenmaschine Richtung Naher Osten. Die Nacht war kurz, die Augen wurden schwer — und plötzlich wird man wach, weil man spürt, dass alle einen anschauen, einer ganz besonders nah ans Gesicht heranrückt, und im Wachwerden hört man dessen Bemerkung: "Ich schaffe es, ihn wachzugucken, wetten?" Dann sind die Augen auf, Roman Herzog weicht mit triumphierendem Lächeln zurück und sagt fröhlich: "Ich bin's nur — Ihr Präsident!"

Ein bewundernswertes Lebenswerk

Der Präsident, der schon als Verfassungsjurist ein bewundernswertes Lebenswerk vorzuweisen gehabt hätte. Daran erinnert kein geringerer als Verfassungsgerichtspräsident Andreas Voßkuhle. Wie Herzog schon als 37-Jähriger eine ausgewachsene Staatsrechtslehre vorlegte, wie er als Kommentator des Grundgesetzes Generationen von Verfassungsjuristen prägte und wie er mit zupackendem Stil und Sinn für die Zerbrechlichkeit von Institutionen als Verfassungsgerichtspräsident zum "Glücksfall" für das Karlsruhe Verfassungsorgan wurde. Herzogs Vermächtnis: "Im Mittelpunkt der Rechtsordnung steht der einzelne Mensch."

Zum Schluss sagt Wegbegleiter Wolfgang Schäuble Persönliches und Baden-Württembergisches über einen "großen Staatsmann und außergewöhnlichen Politiker". Einen, der in den CDU-Bundesvorstand nicht als Teil der Absprachen über die Vertretung landsmannschaftlicher und soziologischer Gruppen in der Parteiführung habe gewählt werden wollen — "sondern als Roman Herzog".

Acht Soldaten schultern den Sarg, bringen ihn zum militärischen Zeremoniell vor den Dom. Getragene Trauermusik, feuchte Augen, tiefes Gedenken. Dann zieht die Ehrenformation ab. Rechts um, im Gleichschritt — Marschmusik der beschwingten Art. Ein Schnitt fast wie bei lateinamerikanischen Trauerzügen, die sich ins Fröhliche wenden. Herzog hätte es gefallen.

(RP)
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