Interview Rüttgers: Kein gesetzlicher Mindestlohn

Düsseldorf (RP). Während des Bundesparteitages der CDU in Hannover sprachen wir mit dem Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, Jürgen Rüttgers.

Merkels markigste Aussagen auf dem CDU-Parteitag
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Merkels markigste Aussagen auf dem CDU-Parteitag

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Foto: AFP

Welches Signal geht für den weiteren Kurs der CDU von diesem Parteitag aus?
Rüttgers: Die CDU hat sich mit diesem neuen Grundsatzprogramm als Volkspartei der Mitte positioniert. Sie ist offen für alle Schichten, offen für Junge und Alte, für Arbeitnehmer und Unternehmer, für alle Leistungsträger und diejenigen, die Hilfe brauchen. Damit hat sie ihren Anspruch bekräftigt, auch in Zukunft die Politik in Deutschland maßgeblich mitzugestalten. Die SPD hat sich dagegen auf ihrem Parteitag als linke Volkspartei definiert und ist zurückgekehrt zum demokratischen Sozialismus. Damit bleibt die SPD für die nächsten Jahre im 20-Prozent-Bunker.

Fühlen sich auch Konservative in dieser Mitte wohl?
Rüttgers: Nur eine Politik der Mitte ist in Deutschland mehrheitsfähig. Dazu gehören sowohl Konservative, wie Christlich-Soziale wie Liberale.

Auffällig deutlich hat die CDU-Vorsitzende gegen Manager-Abfindungen Stellung bezogen. Wie sehen Sie das?
Rüttgers: Nicht nur die Verfassung lebt von Werten, sondern auch die soziale Marktwirtschaft. Auch Unternehmer müssen ganz klar wissen, dass es ein Verhältnis geben muss zwischen Leistung und Erfolg. Was die meisten Leute ärgert: Wenn einer ein Unternehmen vor die Wand gefahren und Tausende Arbeitsplätze gefährdet hat, und dann trotzdem horrende Abfindungen erhält.

Wie sehen Sie das Klima in der NRW-Koalition angesichts einer FDP, die in der Bildungspolitik zunehmend auf Distanz geht?
Rüttgers: Die Koalition der Erneuerung setzt Schritt für Schritt den Koalitionsvertrag um. Wir sind Anhänger des gegliederten Schulwesens. Wir werden unsere Politik fortsetzen, die Hauptschulen zu stärken, die Ganztagsschulen auszubauen, die individuelle Förderung in den Schulen zu unterstützen, und weiter Lehrerinnen und Lehrer zusätzlich einzustellen, um Unterrichtsausfall zu bekämpfen und die Qualität des Unterrichts zu verbessern. Es ist damit klar, dass wir auf der gemeinsam vereinbarten Grundlage weiter Politik machen.

Und die davon abweichenden Vorstellungen der FDP zum Beispiel in Richtung Einheitsschule machen Ihnen keine Sorgen?
Rüttgers: Jeder Koalitionspartner hat das Recht, über seine Programmatik zu diskutieren. Ich habe mit Interesse aktuelle Umfragen zur Kenntnis genommen, wonach die ganz große Mehrheit ein Einheitsschulwesen ablehnt, ein gegliedertes Schulwesen will.

Können Sie nach den Erfahrungen in den letzten zweieinhalb Jahren die Koalition mit der FDP auch für den Bund empfehlen oder sollte man sich da als Union mehr offen halten?
Rüttgers: Wir haben in NRW unheimlich viel bewegt. Den Menschen geht es besser. Wir haben helfen können, die Arbeitslosigkeit abzubauen, wir haben den Unterrichtsausfall fast halbiert, die Neuverschuldung auf den niedrigsten Stand seit 30 Jahren gebracht. Weil wir auch ohne permanenten Streit zusammen arbeiten, empfehle ich das Modell auch für die Bundesregierung nach der nächsten Bundestagswahl.

Auch die Bundeskanzlerin hat sich nun der Meinung angeschlossen, Moscheen dürften nicht höher sein als Kirchen. Was halten Sie davon?
Rüttgers: Ich halte von solchen Festlegungen gar nichts. Die ergeben keinen Sinn. Die Muslime, die bei uns leben und die wir eingeladen haben, zu uns zu kommen, haben ein Anrecht auf würdige Gotteshäuser. Ich habe den Eindruck, dass der Ruf nach staatlichen Vorgaben für die Größe von Minaretten nur eine große Verunsicherung zeigt. Wir sollten viel selbstbewusster unsere christlich-abendländische Kultur vertreten. Dazu gehört, dass man tolerant ist und andere Überzeugungen akzeptieren kann.

Die CDU-Basis hat durchgesetzt, dass für die Türkei die Tür zur EU zu bleiben soll. Auch Ihre Meinung?
Rüttgers: Gerade weil die Türken unsere Freunde sind, war es richtig, was Angela Merkel gesagt hat: Dass sie eine Vollmitgliedschaft für die Türkei nicht sieht, sondern stattdessen eine privilegierte Partnerschaft.

Der Mindestlohn wird immer mehr auch für die CDU zum Thema. Wie empfindet das der auch stark mittelständisch geprägte CDU-Landesverband NRW?
Rüttgers: Wir haben von Nordrhein-Westfalen aus im Vorfeld die Lösung mitgestaltet. Ganz wichtig ist: Es gibt keinen gesetzlichen Mindestlohn. Lohnfestlegung durch die Politik ist ein Irrweg. Dann wird demnächst vor jeder Wahl der Mindestlohn erhöht. Vor einer Erklärung von Mindestlöhnen zur Allgemeingültigkeit müssen Anträge von Arbeitgebern und Gewerkschaften vorliegen. Das kann nicht unsinnig sein, sonst würden die Arbeitgeber das ja nicht machen.

Wie offen sollen Menschenrechte in der internationalen Politik eingefordert werden?
Rüttgers: Duckmäusertum bei Menschenrechten hat sich noch nie ausgezahlt. Man muss es klar benennen. Angela Merkel hat das richtig gemacht.

Ist die CDU nun da angekommen, wo Sie sie haben wollten oder bleibt noch etwas zu tun?
Rüttgers: Ich bin sehr zufrieden. Jetzt wird es darauf ankommen, die Grundsätze in konkrete Politik umzusetzen. Wir haben beispielsweise noch nicht genügend darüber diskutiert, was wir in den nächsten Jahren tun müssen, um unser Land besser auf die demografischen Veränderungen vorzubereiten.

Was muss also noch kommen?
Rüttgers: Es muss die Diskussion darüber kommen, wie man ein Land mit einer älter werdenden Bevölkerung weiter innovativ hält. Wir werden über die Steigerung der Arbeitsproduktivität reden müssen — den Einsatz von mehr High Tech, mehr Robotern. Wir werden über eine höhere Frauenerwerbsquote reden müssen und mit den Bemühungen fortfahren, bessere Betreuungsangebote und mehr Ganztagsschulen zur Verfügung zu stellen. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir im Alter leben wollen. Das wird nicht alles staatlich zu organisieren sein.

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