Koalitionspläne für 2011 Rüttgers will Klarheit über Steuerentlastungen

Berlin (RPO). Sieben Wochen vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen fordert Ministerpräsident Jürgen Rüttgers von der Bundesregierung Klarheit in der Steuerpolitik. Der CDU-Vize appellierte am Donnerstag an die schwarz-gelbe Koalition in Berlin, noch vor der Wahl Eckpunkte für eine Steuerreform vorzulegen.

Das ist Jürgen Rüttgers
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Ministerpräsident Rüttgers sagte, er habe sich schon früher dagegen gewandt, dass die Bundesregierung Entscheidungen auf die Zeit nach der Landtagswahl verschiebe. Die Steuerschätzung werde vor der Abstimmung vorliegen, deshalb werde man auch vor dem Wahltag um finanzielle Spielräume wissen. Eckpunkte einer Reform noch vor der Wahl würde er deshalb befürworten - er würde sich "schon wünschen, dass das von der Koalition in Berlin kommt".

Rüttgers machte erneut deutlich, dass nicht viele Mittel für eine Steuerreform zur Verfügung stünden. Nach menschlichem Ermessen gebe es dafür "nicht groß Geld". Zudem dürfte es durch die Reform nicht zu massiven Kürzungen bei den Kommunen kommen.

Bis zu zehn Milliarden Euro Steuerentlastungen

Nachdem den ganzen Tag widersprüchliche Meldungen über die Pläne der Koalition bezüglich einer Steuerreform herrschten, soll es nun doch zu Steuerentlastungen von bis zu zehn Milliarden Euro bereits ab 2011 zu kommen.

Noch vor der Landtagswahl am 9. Mai wollen die Koalitionsspitzen von Union und FDP Steuererleichterungen zum 1. Januar 2011 ankündigen. Dies verlautete aus Berliner Regierungskreisen. "Es gibt dazu zwar noch keine dezidierten Absprachen, aber es gibt so etwas wie Plausibilitäten", hieß es gegenüber unserer Redaktion.

Wegen der angespannten Haushaltslage streben die Koalitionsspitzen demnach an, die bislang vereinbarte jährliche Steuerentlastung um 19,4 Milliarden Euro in zwei oder mehr Stufen aufzuteilen. In einem ersten Schritt sei Anfang 2011 eine "Steuerreform light" mit einem Entlastungsvolumen von bis zu zehn Milliarden Euro "denkbar", hieß es in den Regierungskreisen.

Regierungssprecher Ulrich Wilhelm und die FDP hatten zuvor einen entsprechenden Bericht der "Süddeutschen Zeitung" dementiert. Die Zeitung hatte allerdings auch berichtet, über die "Steuerreform light" würden die Koalitionsspitzen bereits an diesem Wochenende beraten. Dies sei nicht der Fall, hieß es aus den Kreisen.

Zudem habe die Zeitung fälschlicherweise geschrieben, die Koalition plane einen "Strategiewechsel" und wolle ursprünglich erst für später geplante Steuerentlastungen angesichts schlechter Umfragewerte vor der NRW-Wahl auf 2011 "vorziehen". Auch dies sei falsch, da schon im Koalitionsvertrag Steuererleichterungen "möglichst ab 2011" vorgesehen seien.

SPD bietet Steuerbündnis an

Die SPD bot Kanzlerin Angela Merkel im Falle eines Wahlsiegs in NRW ein Steuerbündnis an: Eine Ministerpräsidentin Hannelore Kraft würde Merkel helfen, sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel der "Westfälischen Rundschau". Die SPD sei zu einem Paket von zehn Milliarden Euro bereit.

Damit solle unter anderem ein Rettungsschirm für Städte und Kommunen finanziert werden. "Dafür müssen wir als Gegenfinanzierung auch die Börsenumsatzsteuer und eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes durchsetzen", sagte Gabriel.

"Wir bleiben beim bisherigen Fahrplan"

Bisher hieß es vom Steuerexperten der Unionsfraktion, Michael Meister, die Steuerschätzung vom 6. Mai solle abgewartet werden. Er halte "insbesondere den Aspekt der Steuervereinfachung" bei der Reformvorhaben für wichtig, sagte Meister dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Die Spielräume für Entlastungen müssten aber erarbeitet werden. "Wir bleiben beim bisherigen Fahrplan."

Bundesregierung und FDP dementierten einen Bericht der "Süddeutschen Zeitung", wonach das Vorziehen ein Thema des Treffens der Koalitionsspitzen am Wochenende sei. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm erklärte: "Die Berichte sind nicht zutreffend. Das Thema Steuern wird bei dem Gespräch der Parteivorsitzenden am Sonntag nicht auf der Tagesordnung stehen."

Die FDP hatte im Februar ihr Steuerreformkonzept für den Parteitag Mitte April avisiert. Sie bestritt nun insbesondere, dass eine Reduzierung des versprochenen Entlastungsvolumens von 20 Milliarden auf zehn oder gar fünf Milliarden Euro im Gespräch sei. Aus Koalitionskreisen hieß es auf Anfrage der Nachrichtenagentur DAPD, dass die FDP sich in einigen anderen Punkten "flexibler" zeige als bisher.

Die Liberalen hatten bereits nach dem ersten Spitzengespräch Anfang Februar angekündigt, ihre Steuerreform-Pläne auf ihrem Parteitag im April vorlegen zu wollen.

Flexibel bei den Stufen

Flexibel sei die FDP allerdings bei der Frage der Stufen in einem neuen Einkommensteuertarif, hieß es weiter. Statt des bisher vertretenen Drei-Stufen-Modells seien auch vier oder fünf Stufen denkbar. Beim zeitlichen Ablauf gelte, dass "spätestens 2012" die Steuerreform umgesetzt sein müsse. Offen ist die FDP demnach bei der Frage, wieviel Entlastung 2011 und wieviel 2012 verwirklicht werden solle.

Im Mittelpunkt der Reform soll die Bekämpfung der sogenannten kalten Progression stehen. Nach FDP-Lesart geht es dabei nicht um Steuersenkungen, sondern aus Sicht des Staates lediglich um den Verzicht auf zusätzliche Einnahmen, die sich einerseits aus der wieder anziehenden Konjunktur und andererseits aus den Gehaltserhöhungen der anstehenden Tarifrunden ergeben.

Danach gerieten viele weitere Arbeitnehmer in den Steuerbereich des "Mittelstandsbauchs", wo die Progression die Gehaltserhöhung weitgehend kompensiere. Zudem könnte der Steuertarif im unteren Bereich etwas abgeflacht werden, was ebenfalls vor allem Gering- und Durchschnittsverdienern zugutekäme.

Opposition vermutet Panik im Regierungslager

Die Opposition bescheinigte der Regierung ungeachtet des Dementis "Torschlusspanik". SPD-Fraktionsvize Joachim Poß sprach von einer neuerlichen Kehrtwende. "Noch zu Wochenbeginn waren die Steuerpläne ja nach dem inzwischen üblichen Hickhack unter den Koalitionären auf 2012 verschoben worden". Schwarz-Gelb verspiele die finanzpolitische Glaubwürdigkeit.

Grünen-Vorsitzender Cem Özdemir verzweifelte: "Avanti dilettanti! Diese Bundesregierung macht einen fertig!" Über kein einziges politisches Projekt gebe es innerhalb der Koalition Konsens. In der Steuer- und Haushaltspolitik "irrlichtert die schwarz-gelbe Bundesregierung orientierungslos herum".

(RP/Birgit Marschall/APN/RTR/felt)
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