Nach Massenhinrichtungen Berlin prüft Waffenembargo gegen Saudis

Berlin · Die Bundesregierung ist wegen der Hinrichtungen in Saudi-Arabien bestürzt. Minister Gabriel kündigt eine neue Prüfung von Rüstungsexporten an. Derweil eskaliert der Streit zwischen Sunniten und Schiiten.

Die Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und dem Iran
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Foto: dpa, ya sw lof

Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) wird nach den Massenhinrichtungen in Saudi-Arabien die Rüstungsexporte in das Königreich einer strengeren Kontrolle unterziehen. Panzer und Maschinengewehre sind bereits auf der Verbotsliste; nun könnten auch defensive Güter wie Patrouillenboote unter ein Embargo fallen. An den diplomatischen Beziehungen zum ultrakonservativen Staat will die Bundesregierung aber festhalten. Man setze weiter auf den Dialog, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Sanktionen seien nicht geplant.

Am Samstag hatte die saudische Führung 47 Gefangene wegen Terrorismusvorwürfen exekutieren lassen. Darunter war der schiitische Geistliche Nimr al Nimr, der für Aufstände im sunnitisch dominierten Saudi-Arabien verantwortlich gewesen sein soll. Regierungssprecher Seibert sagte, man habe die Vollstreckung der Todesstrafe mit Bestürzung zur Kenntnis genommen. Die Hinrichtung des Geistlichen habe zudem das Potenzial, religiöse und politische Spannungen in der Region zu verschärfen.

Im schiitisch geprägten Iran, dem Erzrivalen Saudi-Arabiens, wurden am Wochenende saudische Vertretungen angegriffen; weltweit protestierten Schiiten gegen die Hinrichtungen. Als Reaktion darauf hat Saudi-Arabien die Flüge in den Iran eingestellt sowie die wirtschaftlichen und diplomatischen Beziehungen zum Mullah-Staat abgebrochen. Auch die sunnitisch dominierten Länder Bahrain und Sudan wiesen iranische Botschafter aus. Die Vereinigten Arabischen Emirate riefen ihren Botschafter zurück.

Aus Sicht der Bundesregierung und anderer westlicher Staaten ist die Eskalation ein Desaster - Saudi-Arabien spielt eine wesentliche Rolle bei der Lösung des Syrien-Konflikts und der Flüchtlingskrise. Auch wegen seiner Ölvorkommen ist das Land ein wichtiger Partner. Zudem könnten der mühsam ausgehandelte Vertrag zur Beschränkung des iranischen Atomprogramms und die geplante Aufhebung der Sanktionen gegen den Iran ins Wanken geraten.

In Deutschland flammt unterdessen die Diskussion um restriktivere Rüstungsexporte wieder auf. Gabriel sagte als zuständiger Minister, es habe sich gezeigt, dass es richtig gewesen sei, weder Kampfpanzer noch G 36-Gewehre nach Saudi-Arabien zu liefern. "Wir müssen jetzt überprüfen, ob wir in Zukunft auch defensive Rüstungsgüter kritischer beurteilen müssen, die wir Saudi-Arabien bislang zur Landesverteidigung geliefert haben", sagte Gabriel. 2014 schickte Deutschland nach dem Rüstungsexportbericht Waffen im Wert von 209 Millionen Euro nach Saudi-Arabien, darunter Kriegswaffen für 51 Millionen Euro.

Der Vorsitzende der deutsch-arabischen Parlamentariergruppe im Bundestag, der CDU-Politiker Michael Hennrich, hat sich nun für einen Stopp der Waffenexporte ausgesprochen. "Ein Moratorium bei den Waffenlieferungen wäre jetzt das richtige Signal", sagte Hennrich. Ein "Weiter so" gehe nicht mehr. "Wir brauchen jetzt eine Auszeit in den Beziehungen zu Saudi-Arabien, in der das Land klären kann, welche Rolle es in der Welt spielen und welche Beziehungen es zur EU haben will", betonte Hennrich.

Grünen-Politiker Jürgen Trittin sagte unserer Redaktion, Europa müsse mit der gleichen Einigkeit, mit der es in der Ukraine agiert habe, nun auch Saudi-Arabien gegenübertreten. "Die Bundesregierung muss ein gemeinsames Waffenembargo gegen Saudi-Arabien in Europa durchsetzen", forderte er.

(jd, may-, qua)
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