Plagiatsvorwürfe gegen Minister Schavan nimmt Guttenberg in Schutz

Berlin (RP). Die Plagiatsvorwürfe gegen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) weiten sich aus. Mindestens 15 Passagen seiner Dissertation soll der Politiker ohne Quellenangabe kopiert haben. Die Uni verlangt Aufklärung. Bildungsministerin Annette Schavan nahm Guttenberg in Schutz

Plagiatsvorwürfe gegen Guttenberg: Pressestimmen
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Foto: dapd

Binnen zwei Wochen muss Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) gegenüber der Universität Bayreuth ausführlich und schriftlich Stellung zu den Plagiatsvorwürfen nehmen. Der populäre CSU-Politiker soll an mindestens 15 Stellen seiner 2006 fertiggestellten Doktorarbeit teilweise wortwörtlich und ohne Angabe von Quellen aus Zeitungsartikeln und Aufsätzen abgeschrieben haben.

Es gebe bisher keine Hinweise darauf, dass das Promotionsverfahren nicht ordnungsgemäß verlaufen sei, erklärte die Universität. Guttenberg sagte am Donnerstagabend überraschend eine Wahlkampfveranstaltung in Barleben in Sachsen-Anhalt ab und traf sich mit Kanzlerin Angela Merkel in Berlin.

Weitere Passagen im Internet gefunden

Die am Dienstag von einem Bremer Rechtsprofessor erstmals erhobenen Kopiervorwürfe wurden am Donnerstag von Internetnutzern erhärtet, die weitere Passagen ausfindig machten, die sich mit bereits veröffentlichten Texten decken. Über Konsequenzen berät derzeit eine vierköpfige Kommission an der Universität.

Guttenbergs Doktorvater gehört dem Gremium nicht an. Eine Aberkennung des Doktortitels ist möglich, sollte die Eigenleistung des Autors nicht erkenntlich sein. Ob Guttenberg in einem solchen Fall Minister bleiben kann, ist im politischen Berlin derzeit die am meisten diskutierte Frage.

Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) nahm Guttenberg in Schutz. "Ich finde, auch Minister haben den Anspruch, nicht vorverurteilt zu werden", sagte sie unserer Redaktion. Die Universität Bayreuth werde den Vorgang prüfen. Das müsse in Ruhe abgewartet werden.

Der Bonner Politikwissenschaftler Gerd Langguth bemerkte, dass der Vertrauensverlust für Guttenberg gefährlicher sein könnte als alle bisherigen Affären, etwa die jüngsten Vorfälle auf dem Bundeswehr-Segelschulschiff "Gorch Fock" oder der tödliche Schuss eines deutschen Soldaten in Afghanistan Ende 2010.

Nur wenige äußern sich öffentlich

Guttenberg ist seit mehr als einem Jahr der beliebteste Politiker in Deutschland. Umfragen zeigen, dass die Bürger besonders die geradlinige und ehrliche Art des 39-jährigen Freiherrn aus Franken schätzen, der vor zwei Jahren überraschend als Wirtschaftsminister in die Bundesregierung eintrat. "Allein die Debatte über seine Glaubwürdigkeit ist eine schwere Hypothek", sagte ein Mitglied der CSU-Landesgruppe.

Öffentlich äußern wollen sich in der Regierungskoalition nur wenige. Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer hält sich auffallend zurück. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat nach Informationen unserer Redaktion von ihrem Kabinett öffentliche Zurückhaltung verlangt. Kein Bundesminister solle mit Äußerungen die Spekulationen anheizen, ließ sie intern verbreiten.

CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt vermutet hinter den Vorwürfen eine "Schmutzkampagne" der Opposition. Der Bremer Jurist Andreas Fescher-Lescano, der die Affäre mit seinen Recherchen ins Rollen brachte, gehört zum Umfeld der früheren hessischen SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti, die 2008 eine rot-rot-grüne Koalition in Hessen plante.

Doktorvater verteidigt Guttenberg

Eine Textpassage in der Dissertation gilt in Fachkreisen als besonders heikel. So soll Guttenberg Auszüge eines Artikels der Politikwissenschaftlerin Barbara Zehnpfennig in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" in die Einleitung seiner Arbeit kopiert haben, ohne die Quelle zu nennen. Die Professorin bezeichnete die Passage in mehreren Interviews als Plagiat.

Nach herrschender Meinung in der Wissenschaft ist die Einleitung immer eine persönliche Erklärung des Doktoranden. Der Prüfling soll über Motive seiner Arbeit in Eigenleistung Auskunft geben. Der Münchner Plagiatsexperte Volker Rieble sieht in der Dissertation des Politikers grundlegende Verstöße gegen Standards in wissenschaftlichen Arbeiten.

"Da sind eindeutige Fremdtexte wortwörtlich abgeschrieben, es sind keine Fußnoten, es sind teilweise keine Angaben im Literaturverzeichnis zu den Fremdtexten", sagte er. Sein Fazit: "Ich finde das Buch wissenschaftlich gesehen mangelhaft." Die Deutsche Forschungsgemeinschaft, das Selbstverwaltungsorgan der Wissenschaft, erklärte: "Es ist ein elementarer Grundsatz wissenschaftlicher Arbeit, dass fremdes Gedankengut als solches eindeutig kenntlich gemacht werden muss."

Guttenbergs Doktorvater, der angesehene Verfassungsjurist Peter Häberle, hatte die Arbeit mit der Bestnote "summa cum laude" bewertet und Guttenberg verteidigt. "Die Arbeit ist kein Plagiat", sagte er.

(RP)
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