Uni Düsseldorf: Kommission beginnt Untersuchung Schavan wehrt sich gegen Plagiatsvorwürfe

Berlin · Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) wehrt sich gegen den anonymen Vorwurf von Plagiaten in ihrer Doktorarbeit. In einem Internet-Blog werden dazu zahlreiche Stellen aus ihrer Dissertation vor 32 Jahren aufgeführt - sie soll Quellen nicht immer ausreichend benannt haben. Schavan forderte den oder die Autoren des Blogs am Mittwoch in Berlin auf, sich zu erkennen zu geben. Zugleich versicherte sie, aufklären zu wollen.

 Bundesbildungsministerin Annette Schavan sieht sich Plagiatsvorwüfen ausgesetzt.

Bundesbildungsministerin Annette Schavan sieht sich Plagiatsvorwüfen ausgesetzt.

Foto: dapd, Maja Hitij

Schavan: "Ich habe heute diese entsprechende Seite mir angeschaut, es ist eine anonyme Seite, deshalb ist meine erste Antwort: Wer sich mit meiner Dissertation beschäftigt hat, mit dem bin ich gerne bereit, über diese Dissertation zu sprechen, über das Zustandekommen." Sie gebe gerne jedem Rechenschaft über die Quellen, versicherte Schavan. "Mit anonymen Vorwürfen kann man schwerlich umgehen", betonte die Ministerin.

Es geht um die Arbeit "Person und Gewissen - Studien zu Voraussetzungen, Notwendigkeit und Erfordernissen heutiger Gewissensbildung", mit der Schavan 1980 an der Universität Düsseldorf den Doktortitel mit der Note "magna cum laude" im Fach Erziehungswissenschaften erwarb. Die stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende ist seit 2005 Bundesministerin für Bildung und Forschung. Zuvor war sie Kultusministerin in Baden-Württemberg.

Anders als bei früheren Plagiatsvorwürfen gegen Politiker - etwa im Fall des zurückgetretenen Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) - geht es bei den anonymen Vorhaltungen gegen Schavan nicht um die Übernahme kompletter Textstellen aus anderen Veröffentlichungen. Vorgeworfen wird Schavan vor allem, Quellen nicht vollständig aufgelistet und zum Teil auch "verschleiert" zu haben.

Bei dem Blog, der am vergangenen Sonntag im Internet eingestellt wurde, geht es auch um wissenschaftliche Standardfragen - etwa wie weit Schavan eigene Gedanken und eigenen Erkenntnisgewinn früheren Ausführungen anderer Autoren zum Thema entlehnt hat, ohne dies exakt auszuweisen. So gibt es unter anderem inhaltliche Textvergleiche zwischen ihren Ausführungen und denen des Bonner Moraltheologen Franz Böckle - ohne Quellenhinweis. Böckle war allerdings Zweitgutachter bei Schavans Dissertation.

Promotionskommission will prüfen

Schavan sagte der "Süddeutschen Zeitung": "Ich habe mein Thema damals sehr genau bearbeitet." Ihre Dissertation habe sie "nach bestem Wissen und Gewissen" angefertigt. Für die Arbeit mit Quellen habe sie einen Zettelkasten verwendet, den sie noch heute besitze. Man könne nie ausschließen, dass ähnliche Gedanken oder Formulierungen auch in anderen Werken stünden.

Die Promotionskommission der Philosophischen Fakultät der Universität Düsseldorf wird die Plagiatsvorwürfe prüfen. Das Gremium werde kommende Woche seine Arbeit aufnehmen, sagte ein Uni-Sprecher. "Das in solchen Fällen übliche Verfahren entspricht auch der Bitte von Frau Professor Schavan." Wie lange die Prüfung dauert, sei offen.

Schavan hat seit dem Wintersemester 2009/2010 eine Honorarprofessur an der FU Berlin und bietet Lehrveranstaltungen im Fach Katholische Theologie an.

Bei der Internet-Plattform "wordpress.com" handelt es sich um einen US-Anbieter. Blogs wie der "schavanplag" können dort quasi von jedermann auch anonym eingestellt werden. Eine Ermittlung des Urhebers ist aus Expertensicht nur bei schwersten strafrechtlich relevanten Vorwürfen möglich.

Die Deutsche Presse-Agentur wie auch andere Medien waren am Mittwochmorgen per Fax auf die Internetseite hingewiesen worden. Als Absender war ein "Robert Schmidt" angegeben - allerdings ohne Faxkennung oder Rückruf- und Kontaktmöglichkeiten.

Seit Mittwoch darf sich der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Florian Graf, nicht länger Doktor nennen. Die Universität Potsdam entzog dem 38-jährigen Politiker den Doktortitel. Der Promotionsausschuss der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät bescheinigte Graf in seiner Sitzung, die Universität getäuscht zu haben, teilte die CDU-Fraktion mit. Graf hatte den Entzug seines 2010 erworbenen Doktortitels selbst beantragt.

Hintergrund zum Begriff Plagiat

Der Begriff Plagiat ist dem Französischen entlehnt und wurzelt in dem lateinischen Wort plagium. Das bedeutete Menschenraub oder auch Seelenverkauf. Heute bezeichnet der Begriff Plagiat den Diebstahl geistigen Eigentums. Dabei kann es um alle Formen geistiger Arbeit gehen, also neben Texten auch um Design, bildende Kunst und Musik.

Das Plagiat sei allerdings kein juristischer Tatbestand, sagt der Münchner Rechtsprofessor Volker Rieble. Es gebe allein den Begriff der Urheberrechtsverletzung. Der zielt darauf ab, dass ein Autor dem anderen den Text stiehlt. Der Plagiatsbegriff bezeichnet nach Riebles Meinung als nichtrechtlicher Begriff etwas anderes: Die Irreführung des Lesers. Dabei stehe nicht die Schädigung des ursprünglichen Autors im Mittelpunkt, sondern die Täuschung des Lesers. Ein Plagiat beginnt für Rieble in wissenschaftlichen Arbeiten schon bei zwei bis drei wortwörtlich übernommenen Sätzen ohne Verweis auf den Urheber.

Typisch für Plagiate ist zum Beispiel für die US-amerikanische Modern Language Association die Unterlassung von geeigneten Quellenhinweisen - sei es bei der Verwendung der Formulierungen eines anderen, aber auch bei der Zusammenfassung von Argumenten oder bei der Darstellung von Gedankengängen anderer.

Studenten lernen in der Regel vom ersten Semester an das korrekte Zitieren. Das Wort Zitat wird aus dem lateinischen Wort citare (herbeirufen) hergeleitet. Die Wissenschaft unterscheidet dabei heute zwischen verschiedenen Grundtypen.

Wörtlich zu zitieren heißt zum Beispiel, einen Text in Orthografie und Interpunktion genau wiederzugeben. Das Zitat ist dann durch Anführungszeichen gekennzeichnet. Sinngemäße Zitate werden dagegen nicht in Anführungszeichen gesetzt. Der Quellenbeleg kann aber durch Formulierungen wie "nach", "siehe" oder "vergleiche" eingeleitet werden. Üblich ist es, bei wissenschaftlichen Texten die gesamte Quellenangabe als Fußnote zu vermerken.

(dpa)
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