Nach abgelehnter Sicherungsverwahrung Schmähbriefe an den Bundesgerichtshof

Karlsruhe (RPO). Der Präsident des Bundesgerichtshofs (BGH), Klaus Tolksdorf, hat vor einer "Sicherheitshysterie" im Umgang mit Gewaltverbrechern und Sexualstraftätern gewarnt. "Der Rechtsstaat funktioniert und schützt seine Bürger, ohne dass es einer weiteren Verschärfung der Gesetze bedürfte", sagte Tolksdorf. Der BGH erhielt zuletzt zahlreiche Schmähbriefe, weil er die Sicherungsverwahrung für einen rückfälligen Sexualstraftäter aus Rechtsgründen abgelehnt hat.

 Der Bundesgerichtshof hat über die Bildersuche bei Google entschieden.

Der Bundesgerichtshof hat über die Bildersuche bei Google entschieden.

Foto: AP

"Löst diesen Justizapparat auf und gebt uns Waffen, damit wir unsere Kinder schützen können", heißt es in einem Brief. In einem weiteren steht: "Die eigentlichen Täter sitzen im BGH."

Sicherungsverwahrung abgelehnt

Der 1. Strafsenat des BGH in Karlsruhe hatte am 13. Januar 2010 die nachträgliche Sicherungsverwahrung für einen mehrfachen Vergewaltiger abgelehnt, weil es keine neuen Tatsachen gab, die nach seiner Haftverbüßung eine Unterbringung gerechtfertigt hätten. Der Mann wird von der Polizei überwacht.

Tolksdorf zeigte Verständnis für das unsägliche Leid, das Opfer von Sexual- und Gewaltverbrechen erleiden. Man müsse aber auch wissen, dass die Zahl der Sexualstraftaten seit Jahren rückläufig und die Aufklärungsquote so hoch wie noch nie sei. Dies sei eine sehr positive Entwicklung. "Wir leben seit Jahren sehr sicher in Deutschland", sagte der BGH-Präsident. Die Diskrepanz zwischen gefühlter und tatsächlicher Kriminalität sei höher denn je.

Rechtslage gleicht "Flickenteppich"

Die Zahl der Sicherungsverwahrten sei seit 1993 um zweihundert Prozent gestiegen. Angesichts solcher Zahlen sei es auch Aufgabe der Medien, "allzu billigem Populismus und unangemessener Hysterie" entgegenzutreten.

Der BGH-Präsident beklagte, dass fast jedem größerem Verbrechen "reflexartig" der Ruf nach schärferen Gesetzen folge. Die Rechtslage bei der Sicherungsverwahrung gleiche inzwischen einem "Flickenteppich" aus kurzatmigen und oft populistischen Gesetzesänderungen.

Der BGH hatte im Januar entschieden, dass ein nachweislich gefährlicher Sexualverbrecher aus Heinsberg auf freiem Fuß bleibt. Der 59-jährige Karl D. konnte nicht nachträglich in Sicherungsverwahrung genommen werden, weil es nach der derzeitigen Rechtslage dafür laut BGH "keine gesetzliche Handhabe" gibt.

(AP/pegn)
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