Interview mit Verbraucherschutzministerin Aigner "Schmerzgrenze für Bürger erreicht"

Düsseldorf · Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) spricht im Interview mit unserer Redaktion über die steigenden Strompreise, eine gesetzliche Deckelung von Dispo-Zinsen, den Landtagswahlkampf in Bayern und ihre für 2013 angekündigte Rückkehr von Berlin in den Freistaat

Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner warnt die CSU vor Siegesgewissheit.

Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner warnt die CSU vor Siegesgewissheit.

Foto: dpa

Können Sie sich vorstellen, eines Tages Ministerpräsidentin in Bayern zu werden?

Aigner Diese Frage stellt sich nicht, weil wir mit Horst Seehofer einen starken und erfolgreichen Ministerpräsidenten haben.

Eines Tages!

Aigner Über hypothetische Fragen denke ich nicht nach.

Die CSU ist in den Umfragen gestiegen. Liegt das an Ihrer Ankündigung, nach Bayern zurückzukehren?

Aigner (lacht) Zumindest stelle ich fest, dass die Umfragewerte deswegen nicht nach unten gegangen sind. Im Ernst: Es wäre aber vermessen, wenn jemand den Anstieg ausgerechnet darauf zurückführen würde. Tatsache ist: Die CSU ist wieder da — und das hat sie Horst Seehofer zu verdanken. Er hat es geschafft, die Partei aufzurichten, sie wieder zu einen und aus ihrer schwierigen Situation herauszuführen. Auch wenn die Ausgangslage sehr gut ist — wir haben bis zur Wahl in einem Jahr noch eine lange Wegstrecke vor uns. Vor Siegesgewissheit kann ich nur warnen. Es gab ja schon Fußballspiele, in denen die Nationalmannschaft 4:0 vorne lag. . .

Freuen Sie sich auf Bayern?

Aigner Ja, ich freue mich sehr, wieder mehr Zeit in meiner Heimat verbringen zu können. Aber Berlin werde ich dennoch vermissen.

Wie wollen Sie die Banken motivieren, sich bei den Zinsen für Dispo-Kredite zu mäßigen?

Aigner Schon bei der Debatte um die hohen Gebühren für Fremdabhebungen an Geldautomaten hat sich gezeigt, dass Wettbewerb und Transparenz helfen. Wir haben eine Gebührenanzeige eingeführt — und die Gebühren sind deutlich nach unten gegangen. Auf diese Strategie setze ich auch bei den Dispo-Zinsen, etwa durch klare Angaben im Internet und unabhängige Preisvergleiche.

Wie wäre es, wenn Sie einfach eine Obergrenze festlegen?

Aigner Ein gesetzlicher Deckel löst das Problem nicht. Vielmehr sehen Experten in unserer aktuellen Studie die Gefahr, dass günstige Banken, die unter der Grenze liegen, das Limit zum Anlass nehmen, ihre Zinsen zu erhöhen. Oder die Banken erhöhen an anderer Stelle ihre Gebühren. Dann würde es unterm Strich für alle Kunden teurer. Das will ich verhindern.

Sollte die Höhe der Dispo-Zinsen an den Leitzins der Europäischen Zentralbank gekoppelt werden?

Aigner Bei den Dispo-Zinsen ist zweifellos noch deutlich Luft nach unten. Es wäre sinnvoll, wenn sich die Banken auf eine Richtgröße festlegen könnten, an der sich die Dispo-Zinsen orientieren. Das kann der Zins der Europäischen Zentralbank sein, das kann auch ein anderer Parameter sein. Wichtig aber ist, dass es eine Orientierung für die Dispo-Zinsen gibt. Davon sollte es dann auch keine Ausnahmen geben.

Und wenn die Banken es von sich aus nicht regeln, kommt dann ein Gesetz?

Aigner Die Banken und Sparkassen wissen, dass sie hier handeln müssen. Es geht um das Vertrauen der Verbraucher — und der Druck ist enorm.

Sie drohen nicht mit einem Gesetz?

Aigner Noch nicht.

Was tun Sie, damit die Verbraucher nicht übermäßig durch die Energiewende und den Ausbau der erneuerbaren Energien belastet werden?

Aigner Ich denke, wir sind uns in der Regierung einig, dass für viele Verbraucher eine Schmerzgrenze erreicht ist und wir den Anstieg der Kosten bremsen müssen. Aber auch die Verbraucher können etwas tun: Ich rate dazu, die Stromtarife zu vergleichen und bei Bedarf zu einem günstigeren Anbieter zu wechseln. Auch gibt es unzählige Möglichkeiten, Energie zu sparen und so die Stromkosten zu drosseln.

Wie kann die Beratung konkret verbessert werden?

Aigner Bislang verhalten sich immer noch relativ wenige Verbraucher bei der Wahl ihres Strom- und Gasanbieters preisbewusst. Dabei ist der Anbieterwechsel schnell und unkompliziert — ohne dass sie befürchten müssten, plötzlich im Dunkeln zu sitzen. Was Tipps fürs Stromsparen im Alltag betrifft, leisten die Verbraucherzentralen sehr gute Beratung. Energieberater kommen auch zu den Verbrauchern nach Hause. Die Bundesregierung fördert diese unabhängige Beratung finanziell. Bundesumweltminister Peter Altmaier plant, die kostenlose Energieberatung für Bedürftige auszuweiten. Das begrüße ich sehr.

Was halten Sie von einer Abwrackprämie für energiefressende Haushaltsgeräte?

Aigner Wenig. Die Wirkung einer solchen Prämie wäre begrenzt. Durch eine Verhaltensänderung beim Stromverbrauch lässt sich mehr erreichen als durch eine Abwrackprämie, die dazu führen könnte, dass massenweise funktionstüchtige Geräte auf dem Müll landen.

Muss die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG), das für steigende Strompreise sorgt, vorangehen?

Aigner Ja. Aber Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit. Die Materie ist sehr komplex, denn der Ausbau der Erneuerbaren muss abgestimmt werden mit dem Netzausbau, mit Speichern, konventionellen Kraftwerken und dem Verbrauch. Dazu müssen auch die Länder ins Boot geholt werden. Klar ist, dass langfristig mehr Marktorientierung und weniger Subventionierung unser Ziel sein muss.

Immer mehr Betriebe versuchen, per Ausnahmeregelung von den Kosten der erneuerbaren Energien entlastet zu werden, was wiederum den Rest der Verbraucher belastet. Muss dieser Entwicklung Einhalt geboten werden?

Aigner Die Ausnahmeregelungen müssen auf den Prüfstand — nicht nur beim EEG, sondern auch bei den Netzentgelten und anderen Umlagen. Die Grundidee des EEG ist, dass nur jene Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, von der Umlage freigestellt werden sollen. Und doch gibt es viele Betriebe, die eine Befreiung beantragt haben, aber definitiv nicht im Wettbewerb stehen. Das müssen wir kritisch hinterfragen.

Wird die EEG-Reform noch vor der Bundestagswahl umgesetzt?

Aigner Da bin ich skeptisch. Minister Altmaier hat aus meiner Sicht einen realistischen Zeitplan vorgelegt, der die Fülle zu lösender Fragen berücksichtigt.

(qua)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort