Landtagswahl am 31. August Schwarz-Gelb in Sachsen - ein Auslaufmodell?

Dresden · Kurz vor der Landtagswahl am 31. August liegen die Christdemokraten bei mindestens 40 Prozent. Der Koalitionspartner FDP kommt nur auf drei Prozent. Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) fürchtet die Wahlträgheit - und die AfD.

  Der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich (r./CDU) nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten 2009. Als Geschenk gab's einen erzgebirgischen Nußknacker in den Farben schwarz und gelb. Überreicht wurde der ihm von Holger Zastrow, Fraktionsvorsitzender des jetzigen Koalitionspartners FDP.

Der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich (r./CDU) nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten 2009. Als Geschenk gab's einen erzgebirgischen Nußknacker in den Farben schwarz und gelb. Überreicht wurde der ihm von Holger Zastrow, Fraktionsvorsitzender des jetzigen Koalitionspartners FDP.

Foto: dpa

Martin Dulig macht zurzeit Wahlkampf am Küchentisch. Das private Möbelstück nimmt Sachsens SPD-Chefwahlkämpfer demonstrativ zu Veranstaltungen mit. CDU-Spitzenkandidat und Ministerpräsident Stanilaw Tillich nimmt daran natürlich nicht Platz.

Aber es könnte sein, dass Dulig und Tillich nach der Wahl am 31. August künftig am Kabinettstisch zusammensitzen. Das wäre dann eine weitere große Koalition aus CDU und SPD in Deutschland, wenn auch kein wirkliches Bündnis der Großen. Denn alle Umfragen prognostizieren Tillichs Partei 40 Prozent und mehr, den in Sachsen traditionell schwachen Sozialdemokraten jedoch nicht mehr als 15 Prozent.

Der sechsfache Vater Dulig (40) wurde von seinem Parteifreund, Alt-Kanzler Gerhard Schröder, als "einer der interessantesten jungen Leute in der SPD" geadelt. Dulig, den bislang wenige kennen, braucht nichts so dringend wie Aufmerksamkeit.

Tillich hingegen, der seit 2008 regiert und dienstältester CDU-Ministerpräsident ist, kann sich über mangelnde Aufmerksamkeit nicht beklagen. Wohin der 55-Jährige - ob in schwerer Dienstlimousine oder im CDU-Wahlkampfbus - auch kommt: Tillich ist der Typ Landesvater, der mit einer guten Regierungsbilanz aufwarten kann: Die Arbeitslosenquote in Sachsen ist seit 2009 von 14 auf unter neun Prozent gesunken; die Schuldentilgung beträgt 75 Millionen Euro jährlich; der Investitionsanteil am Haushalt (16,8 Milliarden) liegt bei 20 Prozent. Tillich leistet sich angesichts dieser Bilanz einen derben Hieb gegen das rot-grün regierte NRW: Er empfinde es als skandalös, dass dort trotz hoher Steuer-Mehreinnahmen Jahr für Jahr neue Schulden in Milliardenhöhe angehäuft würden.

Mit Dulig, dem "Mister-15-Prozent" der SPD, liefert sich Tillich kein TV-Duell vor der Wahl, wohl aber mit dem Oppositionsführer von der Linkspartei, Rico Gebhardt, dem rund 20 Prozent vorausgesagt werden.

Dulig, der die Sachsen-SPD aus der Zehn-Prozent-Grube der Landtagswahl 2009 herausholen möchte (und wohl auch wird), tourt im roten Bus und mit besagtem Küchentisch durch den Freistaat Sachsen und bittet Spitzen-Genossinnen und Sptzengenossen wie Hannelore Kraft (NRW), Malu Dreyer (Rheinland-Pfalz), Olaf Scholz (Hamburg) und Alt-Kanzler Gerhard Schröder zum Tischgespräch. Manchmal zieht sich der SPD-Nobody Dulig Badelatschen mit den Buchstaben SPD auf der Sohle an und versucht, mit sächsischen Feriengästen an Ostseestränden ins Gespräch zu kommen. Oft mit diesem Scherz über die roten Latschen auf den Lippen: Das seien seine einzigen Wahl-Schlappen.

Tillich käme so etwas nicht in den Sinn. Der Christdemokrat mit dem eisgrauen Schopf und einer spürbaren Wirkung auf die Damenwelt, der er dicke Komplimente macht ("Was wären wir ohne unsere wunderbaren Frauen"), hat trotz Wahlkampfzeit mit seiner Frau eine Woche Urlaub in Südtirol gemacht. Jetzt allerdings ist er jeden Tag in den 60 Wahlkreisen Sachsens werbend unterwegs - bis zur Abschlusskundgebung am 29. August in Dresden mit Kanzlerin Angela Merkel. Sie tritt insgesamt vier Mal an Tillichs Seite auf; noch häufiger kommt Bundesinnenminister Thomas de Maizière, ein gebürtiger Bonner, der vor seiner Berliner Karriere in Dresden diverse Ministerämter bekleidet hat und seither als "Wahlsachse" gilt.

Tillich würde am liebsten die einzige noch bestehende schwarz-gelbe Koalition im Bund fortsetzen. Aber kein Demoskop signalisiert den Liberalen mehr als fünf Prozent, viele sogar nur drei Prozent. Vor fünf Jahren hatte die FDP noch zehn Prozent erreicht. So wie Tillich das nun an drei bis vier Terminen pro Wahlkampftag macht, verweist FDP-Spitzenkandidat Holger Zastrow auch in gezielt adressierten Briefen an einflussreiche Leistungsträger auf den "erfolgreichen sächsischen Weg" - mit soliden Finanzen sowie vorzeigbarer Bildungs- und Mittelstandspolitik. Tillich und Zastrow präsentieren "Schwarz-Gelb" als sächsisches Erfolgs-Duo. Zastrows Liberale merken dazu zusätzlich auf Plakaten an: "Sachsen ist nicht Berlin".

Trotz aller Siegeszuversicht befürchtet der CDU-Ministerpräsident dreierlei: Dass, so wie 2009, nur jeder Zweite der Wahlberechtigten seine Stimme abgibt; dass sich unter CDU-Sympathisanten der Eindruck verfestigen könnte, die Sache sei sowieso schon gelaufen; und dass es die neue konservative "Alternative für Deutschland" (AfD) in den Dresdner Landtag schafft - und so die klitzekleine Chance für Schwarz-Gelb oder gar die Union allein zunichte macht.

Dulig fordert Tillich immer wieder auf, klar zu sagen, ob er auch mit der AfD koalieren würde. Tillich schließt das aus - trotz einiger "Wenn" und "Abers". Die Sachsen-AfD erscheint ihm mit seinem Hang zum Soliden und Belastbaren als zu unberechenbar. Erst in dieser Woche hatten die "Dresdner Neuesten Nachrichten" wieder Kurioses von der AfD gemeldet: "Ein verärgertes Vorstandsmitglied will via Verfassungsgerichtshof die Teilnahme seiner Partei an der Landtagswahl verbieten lassen." So etwas Irritierendes lässt bei Tillich die Hoffnung wachsen, dass sich der leichte Abwärtstrend der AfD in Sachsen noch verstärken möge.

(RP)
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