Koaltionsverhandlungen Schwarz-Gelb kriselt sich in die Ehe

Düsseldorf (RPO). Erstmals kommen Union und FDP heute zu den Koalitionsverhandlungen zusammen. Die drei Parteien waren als klare Wunschkoalitionspartner in den Wahlkampf gezogen – doch konnte man in den vergangenen Wochen nicht immer diesen Eindruck gewinnen. Insbesondere beim Thema Bürgerrechte scheinen Union und FDP nicht zusammenzukommen. In der schwarz-gelben Ehe kriselt es schon, bevor sie überhaupt begonnen hat.

Schnittmengen und Knackpunkte bei Schwarz-Gelb
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Düsseldorf (RPO). Erstmals kommen Union und FDP heute zu den Koalitionsverhandlungen zusammen. Die drei Parteien waren als klare Wunschkoalitionspartner in den Wahlkampf gezogen — doch konnte man in den vergangenen Wochen nicht immer diesen Eindruck gewinnen. Insbesondere beim Thema Bürgerrechte scheinen Union und FDP nicht zusammenzukommen. In der schwarz-gelben Ehe kriselt es schon, bevor sie überhaupt begonnen hat.

Seit der Bundestagswahl war von allen Seiten das immer gleiche Mantra zu hören: "Wir verhandeln nicht über die Medien, sondern am Koalitionstisch", hieß es unisono. Und doch wollen die öffentlich ausgetragenen Reibereien der künftigen schwarz-gelben Koalition nicht aufhören.

Bei den Koalitionsverhandlungen gelte zwar, dass zunächst über Inhalte und danach über Ressortzuschnitte und Personalien gesprochen werde, sagte der stellvertretende Parteivorsitzende Andreas Pinkwart der "Leipziger Volkszeitung" von Dienstag laut Vorabbericht.

Dabei gebe es aber zwei Ausnahmen: "Gesetzt sind Angela Merkel als Bundeskanzlerin und Bundesaußenminister Guido Westerwelle als Vizekanzler." Westerwelle hatte aus seinem Interesse an der Nachfolge von Frank-Walter Steinmeier als Außenminister nie einen Hehl gemacht, seine genauen Ambitionen in der großen Koalition aber offengelassen.

Konfliktlinien innerhalb der Union

Die großen Knackpunkte bei den Treffen von CDU, CSU und FDP sind klar: Steuern, Wirtschaftspolitik, Gesundheit und Bürgerrechte. Die Konfliktlinien verlaufen dabei teilweise auch quer durch die Unionsparteien. Beim Thema Steuersenkungen sind sich FDP und CSU näher als die Christsozialen mit der Schwesterpartei. Beim Thema Wirtschaft und Soziales sieht sich die CSU gemeinsam mit dem Arbeitnehmerflügel der CDU dagegen als klares Bollwerk gegen soziale Einschnitte.

Auch die NRW-CDU machte schon vor Beginn der Verhandlungen Front gegen die sozialpolitischen Forderungen der FDP. Beim Thema Subventionsabbau liegen Liberale und die bayerischen Unionsvertreter ebenfalls deutlich auseinander — die CSU hat zuletzt besonders stark bei den Bauern an Rückhalt verloren.

Hinzu kommt, dass sich die Liberalen durch das gute Ergebnis der Bundestagswahl in einer starken Position sehen: Die FDP geht mit satten 15 Prozent der Wähler im Rücken selbstbewusst in die Verhandlungen mit der geschwächten Volkspartei.

Von Seiten der Union wiederum gab es schon am Wahlabend heftige Gegenwehr gegen einen zu deutlichen liberalen Stempel der angestrebten Koalition: Unionsfraktionsvize Volker Kauder betonte, viele der FDP-Stimmen seien in Wahrheit "Merkel-Stimmen" von Wählern, die sich die Kanzlerin in einer schwarz-gelben Koalition wünschen. Tatsächlich habe viele FDP-Wähler mit der Erststimme die Union gewählt. Auch Bundeskanzlerin Merkel machte schon am Wahlabend klar, sie sei "Kanzlerin aller Deutschen" - eine klare Absage an eine zu wirtschaftsnahe Klientelpolitik.

Die neuen Themen der FDP

FDP-Parteichef Guido Westerwelle hat in den Koalitionsverhandlungen ein besonderes Anliegen: Zu lange wurde die FDP gerade über seine Person als reine "Steuersenkungspartei" wahrgenommen. Kritiker sprachen von der "Partei der Besserverdienenden", später galt die FDP — nicht zuletzte durch die Führung Westerwelles — als "Spaßpartei", Edmund Stoiber soll von dem FDP-Chef als einem "politischen Leichtmatrosen" gesprochen haben.

Deshalb hat Westerwelle im Wahlkampf neben der Steuerpolitik vor allem die Themen Bürgerrechte und Bildung betont. Herzblutthema Westerwelles sind unter der Großen Koaltion beschnittenen Bürgerrechte allerdings nicht — dafür macht Sabine Leutheusser-Schnarrenberger als etablierte Bürgerrechtlerin der Partei Druck. Sie fordert im Namen der Liberalen eine Abschaffung vieler von SPD und CDU/CSU beschlossenen Maßnahmen zur Inneren Sicherheit — von den Online-Durchsuchungen bis zur Vorratsdatenspeicherung. Leutheusser-Schnarrenberger wird möglicherweise Justizministerin unter Schwarz-Gelb.

Streit um Bürgerrechte

Die Innenpolitik könnte damit zum eigentlichen Knackpunkt zwischen Unionsparteien und Liberalen werden. Leutheusser-Schnarrenberger gilt in Sachen Bürgerrechte als wenig kompromissbereit. Sie zog 1995 die Konsequenzen aus dem von ihrer Fraktion mitgetragenen Kompromiss zum "Großen Lauschangriff" und trat wenig später zurück. Auch die Union zeigt sich hier wenig verhandlungsbereit. "Mit der Union wird es auf diesem Feld keinen Kurswechsel geben", sagte Hessens Innenminister Volker Bouffier (CDU). Wer etwa das BKA-Gesetz streichen wolle, handele "unverantwortlich". Ähnlich äußerten sich seine Amtskollegen aus Niedersachsen und Bayern.

Streit um Steuern

Während die CDU weiterhin erklärt, Steuersenkungen seien in der gegenwärtigen Finanzlage nicht machbar, beharrt FDP-Generalsekretär Dirk Niebel darauf: "Wir wollen eine Steuerstrukturreform", sagte er der "Rhein-Neckar-Zeitung". Allerdings machte der FDP-Politiker deutlich, seiner Partei sei klar, "dass wir unsere Vorstellungen nicht zu 100 Prozent umsetzen können". Auch die CSU erneuerte ihre Forderungen nach Steuersenkungen. "Wir wollen Entlastungen der Bürger bei der Einkommensteuer", sagte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt der "Berliner Zeitung". Die CSU setze auf Wachstum. "Nur Investitionen in Wirtschaft und in Arbeitsplätze führt zu mehr Beschäftigung und zum Erhalt von Arbeitsplätzen. Das führt letztendlich auch zu mehr finanziellen Spielräumen."

Das Konzept, die Steuern zu senken, um die Steuereinnahmen insgesamt zu erhöhen, ist nicht neu: Der Ökonom Arthur B. Laffer riet diese Strategie Anfang der Achtziger Jahre dem US-Präsidenten Ronald Reagan. Sein Kalkül: Eine Entlastung der Bürger sorgte seinen Vorstellungen nach nicht nur für mehr Wachstum, sondern auch für eine höhere Steuerehrlichkeit der Bürger und weniger legale wie illegale Steuervermeidung. Versinnbildlicht wurde das in der sogenannten Laffer-Kurve. Die Bilanz nach acht Jahren US-Präsidentschaft von Ronald Reagan war allerdings der höchste Schuldenberg, den bis dato je eine Volkswirtschaft aufgetürmt hatte.

Angesichts der derzeitigen Haushaltslage warnen Ökonomen die neue schwarz-gelbe Regierung daher auch vor zu schnellen Steuersenkungen. Der Berliner Wirtschaftsprofessor Michael Burda sagte der "Berliner Zeitung": "Ich rate dringend davon ab, dies kurzfristig zu tun. Denn das Korsett ist sehr eng gesetzt". Erst am Wochenende war ein internes Kanzleramts-Papier bekannt geworden, wonach die neue Regierung bis 2013 zusätzlich 40 Milliarden sparen müsse, Kosten für künftige Steuerentlastungen noch nicht mitberechnet. Auch Bundesbank-Chef Axel Weber rät der Bundesregierung frühstens 2011 zu Steuerentlastungen.

Posten-Geschacher im Hintergrund

Auch wenn alle Seiten seit Wochen betonen, es ginge zunächst um Inhalte, erst dann um Ministerposten — im Hintergrund wird auch dort schon lange um die Posten geschachert. Jedes Interesse will bedient werden: Starke Landesverbände wollen ebenso repräsentiert sein, wie die Flügel der Union — nicht zuletzt will natürlich auch jede der drei Parteien angemessen am Kabinettstisch vertreten sein.

Der von der "Bild am Sonntag" verbreitete Spekulation eines Wechsels von Roland Koch als Finanzminister nach Berlin dementierte Koch am Montag deutlich: "Ich habe sehr früh gesagt, dass mein Platz in Wiesbaden ist", sagte der hessische Ministerpräsident dem ZDF-Morgenmagazin.

(Mit Material von AP)
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