Grünen-Politiker Anton Hofreiter im Interview "Schwarz-Grün könnte spannend sein"

Düsseldorf/Berlin · Der Fraktionschef der Grünen spricht über seine neue Rolle und die Gefahren einer großen Koalition.

Nach drei Tagen als Fraktionschef saßen Sie schon mit der Kanzlerin am Tisch. Genießen Sie das?

Hofreiter Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. Es ist eine spannende Arbeit, eine Arbeit, die mir viel Spaß macht. Es ist auch eine große Herausforderung. Die Fußstapfen, die Jürgen Trittin und Renate Künast zurückgelassen haben, sind auch nicht die kleinsten. Ich freue mich auf die Aufgabe, aber das Wort "genießen" würde ich dafür eher nicht verwenden.

Was ist Ihr wichtigster Job als neuer Fraktionsvorsitzender?

Hofreiter Ich muss die gesamte Fraktion zusammenhalten und der Fraktion eine Richtung vorgeben. Im Moment konzentriere ich mich auf die Sondierungsgespräche mit der Union.

Mancher argwöhnt, Sie seien nur der verlängerte Arm von Jürgen Trittin.

Hofreiter Ach, wissen Sie, das sind oberflächliche Zuschreibungen, denen ich nicht sehr viel Bedeutung beimesse. Jürgen Trittin ist ein Klasse-Politiker. Natürlich spricht man miteinander. Alles andere wäre seltsam.

Wie wollen Sie den Realoflügel von sich überzeugen?

Hofreiter Das Flügeldenken ist manchmal albern. Ich bin von einer breiten Mehrheit der Fraktion gewählt worden. Ich bin nicht Vorsitzender eines Flügels, sondern der gesamten Fraktion in ihrer ganzen Bandbreite und Pluralität. Ich möchte die gesamte Fraktion inhaltlich und mental darauf vorbereiten, dass künftig sowohl rot-grün-rote als auch schwarz-grüne Koalitionen denkbar sein sollten. Entscheidend sind die Inhalte.

Im Sondierungsgespräch mit der Union sollen Sie als der neue starke Linke der Grünen aufgetreten sein.

Hofreiter Typisch CDU/CSU! Die machen immer dieses Spiel "gute Grüne, schlechte Grüne". Aber wenn sie meinen, ich sei stark, soll's mir recht sein.

Wird Ihnen bei Schwarz-Rot bange, wenn zwei Kohle-Parteien regieren?

Hofreiter In der Tat besteht mit einer Koalition von Union und SPD die Gefahr, dass große Fehler in der ökologischen Modernisierung dieses Landes gemacht werden. Das allein kann für uns aber nicht das Argument sein, eine Koalition mit der Union einzugehen, um das zu verhindern. In einer Demokratie ist die Rolle der Opposition auch nicht zu unterschätzen. Man kann auch in der Opposition viel verändern, wenn man die gesellschaftlichen Mehrheiten hinter sich hat, siehe das Beispiel Atomausstieg.

Was wäre der Vorteil von Schwarz-Grün gegenüber Rot-Rot-Grün?

Hofreiter Es gibt zwei unterschiedliche Koalitionstypen. Rot-Grün-Rot wäre eine Koalition mit vielen inhaltlichen Übereinstimmungen. Schwarz-Grün wäre eher eine komplementäre Koalition. Hier wären wir in vielen Dingen unterschiedlicher Meinung, aber es könnte auch durchaus spannend sein, in so einer Konstellation zu gemeinsamen Lösungen zu kommen.

Sie sind Doktor der Biologie. Haben Sie Angst vor Plagiatsjägern?

Hofreiter (lacht) Nein, da kann ich ganz ruhig bleiben. Bei einer naturwissenschaftlichen Arbeit wie meiner stellt sich die Frage, ob man einen Fehler beim Mikroskopieren gemacht hat, eher als die Frage, ob man abgeschrieben hat.

BIRGIT MARSCHALL UND EVA QUADBECK FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

(qua / mar)
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