Nach von Beusts Rücktritt Schwarz-Grün rückt in weite Ferne

Düsseldorf/Hamburg (RPO). Die Schlappe beim Volksentscheid in Hamburg ist ein deftiger Watschn für die dortige schwarz-grüne Koalition. Doch viel schwerer könnte der Abgang von Bürgermeister Ole von Beust wiegen: Mit ihm tritt eine Schlüsselfigur des politischen Modellversuchs ab. Sein voraussichtlicher Nachfolger gilt nicht als Brückenbauer. Schwarz-Grün stehen schwere Zeiten bevor - und eine Bündnisoption auf Bundesebene rückt für beide Parteien in die Ferne.

Presse: Von Beust war politikverdrossen
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Foto: ddp

In vielen deutschen Kommunen hat die vermeintliche Zukunft schon vor einigen Jahren begonnen: Schwarz-grüne Koalitionen sind in Städten und Gemeinden keine Seltenheit mehr. Nur in den Ländern oder gar im Bund will es nicht klappen - dabei müssen sich die Parteien angesichts der sich ändernden Mehrheitsverhältnisse auch für neue Bündnispartner öffnen. Deswegen schaute die ganze Republik interessiert nach Hamburg, als sich CDU und Grüne im Jahr 2008 erstmals zusammentaten.

Das Experiment steht nach zwei Jahren vor einem veritablen Stresstest. Trotz einiger Probleme (Elbphilharmonie, HSH Nordbank, Haushaltsloch und Gewaltexzesse in Teilen der Stadt) hatte die Koalition weitgehend geräuschlos gearbeitet. Mit dem designierten Nachfolger, Innensenator Christoph Ahlhaus, könnte sich das ändern. Der 40-Jährige mit Zweitwohnsitz in Heidelberg, den er sich auf Landeskosten sicherheitstechnisch aufrüsten ließ, gilt als wertkonservativ. Von Beust hingegen verkörpert eine protestantisch-liberale Haltung, was ihn in der einstigen SPD-Hochburg Hamburg für viele wählbar und koalitionsfähig macht.

Grünen-Chef Cem Özdemir schloss einen schnellen Wechsel des Koalitionspartners im "Hamburger Abendblatt" aus: "Wir haben eine Vereinbarung, an die wir uns halten wollen." Die Frage sei allerdings, ob die andere Seite an ihrem Kurs festhalte, sagte Özdemir. "Für uns Grüne bleibt es dabei, dass die Inhalte stimmen müssen." Ein Koalitionsvertrag gelte immer nur für eine Legislaturperiode.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer hat angesichts des Rücktritts gelassen reagiert. "Ministerpräsidenten sind austauschbar", sagte er der "Mitteldeutschen Zeitung". "Das haben wir jetzt häufig genug bewiesen bekommen. Das Leben geht weiter - auch in Hamburg."

Bundespolitik betroffen?

Uneinigkeit herrscht jedoch darüber, inwieweit sich die momentanen Entwicklungen auf die Bundespolitik auswirken. Die Presse hat bereits ein Urteil gefällt. Für die Koalitionsoptionen der Union sind diese laut Böhmer nicht von Belang. Zwar habe "die FDP auf der Bundesebene einen Stil vorgelegt, der das Zusammen-Regieren nicht gerade leicht gemacht", so der CDU-Politiker. Einen natürlichen Koalitionspartner habe es für die Union aber sowieso noch nie gegeben. "Das ist eine Diskussion von Theoretikern. Die Unterschiede in den Parteiprogrammen sind weniger wichtig als die Fähigkeit der Handelnden, miteinander zurecht zu kommen."

Eindeutiger ist die Meinung von Wolfgang Bosbach (CDU). "Ich hoffe, dass bei dieser Debatte etwas mehr Realismus einkehrt", sagte der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses dem "Kölner Stadtanzeiger". Für dieses Bündnis gebe es auf Bundesebene "kein ausreichendes Maß an Gemeinsamkeiten". Neben Differenzen bei der Bildungspolitik nannte Bosbach auch die Themen Energie, Zuwanderung und innere Sicherheit.

Linke: Ende der Beliebigkeit

Der Vorsitzende der Linken, Klaus Ernst sieht die Grünen nun vor einer "bundesweiten Richtungsentscheidung". Die Politik der "nach allen Seiten offenen Beliebigkeit" sei gescheitert. Beusts Rücktritt sei das gefühlte Ende von Schwarz-Grün. "Die Grünen stehen jetzt vor einer bundesweiten Richtungsentscheidung. Wollen sie weiter an der Seite der CDU unsoziale Politik machen und sich einige Rosinen herauspicken, oder wollen sie einen Politikwechsel."

Die Grünen selbst sehen die Diskussion um die Bündnisoptionen gelassen. Auswirkungen des Rücktritts auf eine mögliche schwarz-grüne Zusammenarbeit im Bund sieht Özdemir demnach nicht: "Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun." Immerhin: Mit der Jamaika-Koalition im Saarland läuft noch ein weiteres Koalitions-Experiment.

(AFP/ddp/Reuters/ndi)
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