Fragen und Antworten zu den Vorwürfen Was den Fall Sebastian Edathy so undurchsichtig macht

Berlin · Rückgabe des Mandats, Hausdurchsuchungen, Schweigen der Ermittler: Der Fall des SPD-Politikers Sebastian Edathy ist undurchsichtig. Er selbst weist den Verdacht auf Besitz von Kinderpornografie entschieden zurück. Doch einige Indizien scheinen gegen ihn zu sprechen. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zu dem Fall.

 Sebastian Edathy hatte am Freitag seinen Rückzug aus dem Bundestag angekündigt.

Sebastian Edathy hatte am Freitag seinen Rückzug aus dem Bundestag angekündigt.

Foto: dpa, han jhe axs hpl

Die Vorgänge um Sebastian Edathy werfen viele Fragen auf. Der SPD-Politiker hat sich nach Rückgabe seines Bundestagsmandats und Durchsuchungen seiner Wohnungen und Büros erstmal zurückgezogen. Die Staatsanwaltschaft schweigt bislang dazu, was sie gegen den langjährigen Abgeordneten konkret in der Hand hat.

Wie glaubwürdig ist Edathys Erklärung vom Wochenende, er ziehe sich aus gesundheitlichen Gründen aus dem Bundestag zurück?

Mitglieder der SPD-Fraktion berichten, dass es dem 44-Jährigen seit Monaten nicht gut ging, von akuten Erschöpfungssymptomen war die Rede. Seit Oktober gab es kaum noch neue Mitteilungen auf seiner Internetseite. Auch bekam Edathy nach der Bundestagswahl keinen herausgehobenen Posten in der großen Koalition. Seinen Mitarbeitern bedeutete er frühzeitig, sich etwas Neues zu suchen. In der SPD wähnt man Edathy derzeit in Dänemark. Die Frage ist auch, wann genau die Partei von einem möglichen Verdacht gegen ihn erfahren hat.

Gab es einen Zusammenhang mit den Ermittlungen?

Das ist unklar. Seit Januar war der SPD-Politiker krankgeschrieben, ein offizieller Antrag auf Aufhebung der Immunität lag laut Bundestag nicht vor. Erst nachdem Edathy sein Mandat aufgegeben hatte, kam es zu den Durchsuchungen, weil eben dann die Immunität nicht mehr aufgehoben werden musste. Der "Spiegel" berichtet, dass sich Hinweise auf ihn bei Ermittlungen gegen einen Kinderporno-Ring gefunden haben sollen. Laut kanadischer Polizei geht es um ein Online-Portal, bei dem Videos und Bilder mit kinderpornografischen Darstellungen bestellt werden konnten. Die Informationen über mögliche Kunden des Portals wurden an über 50 Länder weitergereicht. Am Mittwoch gab es in einem weiteren Büro in seinem niedersächsischen Heimatort Rehburg eine Durchsuchung — es war erst am Montag entdeckt worden.

Warum gab es die Razzia?

Laut Strafprozessordnung ist eine Durchsuchung nur dann zulässig, wenn eine Person "als Täter oder Teilnehmer einer Straftat oder der Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei verdächtig ist". Also muss es einen begründeten Anfangsverdacht geben. Den hatte die Staatsanwaltschaft offenbar. Nach einem Bericht des NDR-Magazins "Panorama 3" soll Edathy zwischen dem 21. Oktober 2005 und dem 18. Juni 2010 Film- und Fotosets mit Nacktaufnahmen von Kindern in Kanada bestellt und erhalten haben. Sexuelle Handlungen würden nicht dargestellt Der Besitz solcher Aufnahmen sei, so das Magazin, in Deutschland nicht strafbar, würden aber für einen Anfangsverdacht reichen. Doch Edathy betont: "Nach mir vorliegenden Informationen wirft mir die Staatsanwaltschaft ausdrücklich kein strafbares Verhalten vor." Diese weist den Vorwurf zurück, nicht rechtmäßig vorgegangen zu sein.

Welche Rolle spielt die SPD-Bundestagsfraktion?

Fraktionschef Thomas Oppermann fordert zwar im Sinne Edathys eine rasche und gründliche Aufklärung. Aber die Parlamentarische Fraktionsgeschäftsführerin Christine Lambrecht sprach als erste öffentlich vom Vorwurf auf Besitz von Kinderpornografie — und musste einräumen, dass sie sich nur auf Medienberichte beziehe. Der frühere SPD-Abgeordnete Jörg Tauss, der wegen Besitzes und Weitergabe kinderpornografischen Materials 2010 zu 15 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt wurde, kritisiert in einem offenen Brief seine früheren Fraktionskollegen scharf und warnt vor Vorverurteilung. "Wie in meinem Fall war übrigens die Presse vor mir von den Büro- und Hausdurchsuchungen informiert." Tauss hatte sich damals mit dem Argument verteidigt, dass er für die Abgeordnetentätigkeit Erkenntnisse über Verbreitung von Kinderpornografie gewinnen wollte.

Was sagt Edathy selbst zu den Vorwürfen?

Er hat bei Facebook und bei Spiegel Online die Vorwürfe zurückgewiesen. "Die Durchsuchungen waren nicht nur unverhältnismäßig, sondern stehen im Widerspruch zu rechtsstaatlichen Grundsätzen", sagte er "Spiegel Online". "Ich hoffe, dass die Staatsanwaltschft demnächst einräumt, dass die Vorwürfe gegestandslos sind."

Was sagt die Staatsanwaltschaft?

Sie hat sich noch immer nicht dazu geäußert, was sie denn Edathy nun genau vorwirft. Gegen seine Kritik verwehrt sie sich aber. "Wir haben hier ein strafrechtliches Verfahren, das sich nicht von Verfahren gegen andere Beschuldigte unterscheidet", sagte Staatsanwalt Kathrin Söfker. "Wenn Herr Edathy meint, dass nicht rechtmäßig gegen ihn vorgegangen wurde, dann kann er dagegen das Rechtsmittel der Beschwerde einlegen". Söfker äußert aber auch Verständnis für die Empörung Edathys. Dass die Durchsuchen von Journalisten begleitet wurden, so berichtet tagesschau.de, "war überhaupt nicht in unserem Sinne". Die Staatsanwaltschaft, versicherte sie, gebe solche Informationen nicht vorab weiter. "Das macht eine Staatsanwaltschaft nicht."

Was versteht man unter Kinderpornografie?

Mit dem Begriff Kinderpornografie wird die strafbare Abbildung von sexuellen Handlungen von, an und vor Kindern unter 14 Jahren bezeichnet. Für das Herstellen, Verbreiten und Vorführen kinderpornografischer Schriften sieht Paragraf 184b des Strafgesetzbuches Freiheitsstrafen von drei Monaten bis zu fünf Jahren vor. Für den Besitz sind Geldstrafen oder Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren vorgesehen. Zu Schriften zählen dabei auch Ton- und Bildträger, Datenspeicher, Abbildungen und andere Darstellungen.

Wie arbeiten die Ermittler international zusammen?

Das erfolgt über die internationale Polizeibehörde Interpol. Das Bundeskriminalamt fungiert als eine Art Bindeglied zwischen in- und ausländischen Strafbehörden. Finden also Ermittler im Ausland belastendes Material gegen Deutsche, wird dies an das BKA weitergeleitet. Hierzulande sind die Länder zuständig, eine zentrale Stelle für die Verfolgung von Kinderpornografie im Netz gibt es nicht.

Was mache ich, wenn ich auf einer Seite Kinderpornografie entdecke?

Das BKA rät auf seiner Webseite, die Adresse einer solchen Internetseite der Polizei, Staatsanwaltschaft oder dem Landeskriminalamt des Bundeslandes mitzuteilen. "Sollten Sie diese Seite mit Ihrem Internetbrowser aufgerufen haben, so löschen Sie bitte den Inhalt des Cachespeichers", heißt es dort weiter. "Dort werden möglicherweise die Inhalte der aufgerufenen Internetseiten über das Ende der Internetsitzung hinaus gespeichert, so dass Sie sich rechtlich gesehen im Besitz von Kinder- bzw. Jugendpornographie befinden." Sollte man unaufgefordert eine Mail mit entsprechendem Inhalt erhalten, so solle auch diese Mail mit Anhang an die Behörden weitergeleitet und danach vom Rechner gelöscht werden.

Auch von eigenen Recherchen, selbst wenn man die Behörden unterstützen wolle, rät das BKA ab. "Auch wenn nach einschlägigen Strafrechtskommentaren erst die Speicherung der Daten auf dem Computer und nicht bereits der Anblick des Materials auf dem Bildschirm den Tatbestand erfüllt (...), kann es in jedem Fall für Sie zu Schwierigkeiten kommen, selbst wenn sie die Absicht hatten, die Strafverfolgungsbehörden bei ihrer Arbeit zu unterstützen und dies den Ermittlungsbehörden oder dem Gericht darlegen", so das Bundeskriminalamt auf seiner Seite.

(dpa/das)
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