Prozess gegen Sebastian Edathy Vielleicht nicht illegal, aber moralisch verwerflich allemal

Meinung | Berlin · Am Montagvormittag hat im niedersächsischen Verden der Strafprozess gegen den ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy begonnen. Dazu ein Kommentar von Jan Drebes.

  Der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy (links) und sein Anwalt Christian Noll stehen beim Prozessauftakt im Landgericht in Verden.

Der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy (links) und sein Anwalt Christian Noll stehen beim Prozessauftakt im Landgericht in Verden.

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Verhandelt wird nicht die politische Affäre um möglichen Geheimnisverrat in Sicherheitskreisen und das offenbar ausufernde Getratsche in der SPD. Verhandelt wird schlicht die Frage, ob sich Edathy durch den Erwerb von Kinderpornografie strafbar gemacht hat.

Sebastian Edathy: Vielleicht legal, aber allemal moralisch verwerflich
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Neun Verhandlungstermine sind bis Ende April angesetzt — dann soll die Sache bereits aufgeklärt sein. Die Staatsanwaltschaft Hannover wirft dem einstigen Hoffnungsträger der SPD vor, Kinderpornos im Internet gekauft zu haben.

Im November 2013 soll sich Edathy in sechs Fällen mit Hilfe seines Dienst-Laptops kinderpornografische Bild- und Videodateien eines russischen Anbieters von kanadischen Seiten heruntergeladen haben. Zudem soll der 45-Jährige im Februar 2014 einen Bildband und eine CD besessen haben, deren Inhalt von der Staatsanwaltschaft als jugendpornografisch eingestuft wird.

Edathy streitet die Vorwürfe ab — oder zumindest, dass es sich bei dem Material aus Kanada um Kinderpornografie gehandelt hat. Doch selbst wenn die Bilder und Videos gerade noch so legal gewesen wären: Moralisch verwerflich ist der Erwerb allemal.

Keine Reue erkennbar

Auf Kosten von Kindern und Jugendlichen wird Profit mit Bildern gemacht, die gleich eine ganze Reihe an Persönlichkeitsrechten der minderjährigen Opfer verletzen. Und so ist die Art und Weise, wie sich Edathy im vergangenen Jahr immer wieder als das größte Opfer in der Affäre inszeniert hat, obendrein verwerflich. Reue war und ist bei ihm nicht erkennbar.

Auf einem ganz anderen Blatt steht der himmelschreiende Skandal, dass nach NDR-Recherchen 57 Politiker, Ermittler und Amtsträger in Niedersachsen bereits vor den Durchsuchungen von Edathys Wohn- und Büroräumen von dem Verdacht gegen den damaligen Abgeordneten gewusst haben sollen. Das spricht gegen die bisherige Darstellung der SPD-Spitze, es habe sich lediglich um einen kleinen, exklusiven Kreis von Informierten gehandelt.

Und auch, dass der Celler Generalstaatsanwalt Frank Lüttig Dienstgeheimnisse im Fall Edathy (und im Fall der Anklage gegen den einstigen Bundespräsidenten Christian Wulff) weitergegeben haben soll, erweckt unter dem Strich den Eindruck, als handle es sich nicht mehr nur um einen überschaubaren Politik-Skandal.

In der Konsequenz hat heute Vormittag die Verteidigung von Edathy eine Einstellung des Strafverfahrens gefordert. Begründung: Etwa das Vorgehen des Chef-Ermittlers Lüttig sei ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens.

Längst geht es also um einen ausgedehnten Sumpf in Sicherheitskreisen und der SPD, den — parallel zum Strafprozess gegen Edathy — wiederum andere niedersächsische Staatsanwaltschaften sowie der Untersuchungsausschuss des Bundestages ausgerechnet unter SPD-Führung trockenlegen wollen. Wenn in der Öffentlichkeit durch diese Gemengelage ein desaströses Bild von Politik und zunehmend auch von Strafermittlungsbehörden entsteht, dürfte das niemanden mehr wundern.

(jd)
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