Meldegesetz bringt CSU in Bredouille Seehofer nimmt keine Rücksicht

Berlin · Die Politik sucht nach dem Desaster um das verkorkste Meldegesetz nach Schuldigen. Keiner will es gewesen sein. Vor allem nicht CSU-Chef Horst Seehofer. Seine eigenen Experten lässt er dabei im Regen stehen. Einer setzt sich jedoch zur Wehr und nimmt die Neuregelungen im Meldegesetz ausdrücklich in Schutz.

 CSU-Innenexperte Hans-Peter Uhl wehrt sich gegen Kritik am neuen Meldegesetz.

CSU-Innenexperte Hans-Peter Uhl wehrt sich gegen Kritik am neuen Meldegesetz.

Foto: dpa, Frank Leonhardt

Der kuriose Werdegang des Meldegesetzes war gut genug für einen Eintrag in das Stadtbuch der Schildbürger. Am Montag endete die Posse noch bizarrer als sie angefangen hatte: Die Bundesregierung distanzierte sich von den Beschlüssen der eigenen Mehrheit im Bundestag und setzte all ihre Hoffnungen auf Korrekturen auf die Opposition im Bundesrat.

Das Echo ist verheerend. Die Presse schwankte zwischen Spott und Entsetzen. Der Eindruck: Die Regierungsparteien lassen sich von den expertenbesetzten Ausschüssen auf der Nase herumtanzen und bekommen gar nicht mit, was dort beraten und beschlossen wird. Spitzenpolitiker drehen ihr Fähnchen nach dem Wind der öffentlichen Empörung.

Seehofer gibt die Richtung vor

Unter anderem trifft der Vorwurf CSU-Chef Horst Seehofer, der seiner Partei eine neue Marschroute diktiert. Im Bundesrat werde Bayern dafür sorgen, dass das Gesetz nachgebessert wird. Über das Zustandekommen zeigt er sich verärgert. Bei den parlamentarischen Beratungen im Bundestag sei "ein dicker Fehler passiert", kritisierte der bayerische Ministerpräsident am Dienstag vor einer Klausur seines Kabinetts.

Der Zorn des bayerischen Ministerpräsidenten trifft die Fachpolitiker seiner eigenen Partei. Die hatten das neue Meldegesetz zuletzt noch verteidigt. Nach dem Kurswechsel stehen sie ähnlich respektabel da wie begossene Pudel.

Friedrich und Uhl in der Klemme

Da ist zum Einen Innenminister Hans-Peter Friedrich. Der hatte am Montag noch vor Schnellschüssen gewarnt. Nach einer Sitzung des Parteirates schwenkte er doch auf die Seehofer-Linie um: Die CSU werde nicht zulassen, dass die Behörden Bürgerdaten ohne Zustimmung herausgeben.

Regelrecht blamiert ist durch die Seehofer-Schelte aber nun der CSU-Innenexperte Hans-Peter Uhl. Neben seinem Kopf prangte am Dienstagmorgen in der "Bild"-Zeitung der Satz "Schuld am Murksgesetz". Er war es, der zusammen mit der FDP-Politikerin Gisela Piltz am 15. Juli die Änderungen im Innenausschuss auf den Weg brachte.

"Schuld liegt immer bei beiden Seiten"

Wenige Tage später winkte der Bundestag mit einer Minimal-Besetzung von gerade zwei Dutzend Abgeordneten den veränderten Beschluss durch. Meldeämter dürfen demnach Bürgerdaten ohne ausdrückliche Zustimmung zu Werbezwecken an Firmen weitergeben. In der ursprünglichen Gesetzes-Fassung aus dem Innenministerium war noch eine Regelung vorgesehen, nach der Daten erst nach aktiver Zustimmung der Bürger herausgegeben werden dürfen.

Doch das CSU-Urgestein Uhl (seit 1970 in der Partei, seit 1998 im Bundestag) ist offensichtlich nicht bereit, allein den Kopf hinzuhalten. In einem Interview mit dem Deutschlandfunk sagte Uhl, der veränderte Gesetzestext habe 13 Tage lang öffentlich ausgelegen, jeder hätte ihn einsehen können — auch die Presse.

Seehofer und Verbraucherministerin Ilse Aigner macht er für das aktuelle Chaos mitverantwortlich. "Die Schuld für so eine Kommunikationspanne liegt immer bei beiden Seiten, also auch bei den beiden", so Uhl.

Angeblich drängten die Ämter auf die Änderungen

Am Dienstag verteidigte er gleich mehrfach seine Haltung. Aus seiner Sicht ist das neue Meldegesetz eine Verbesserung im Vergleich zu den geltenden Regelungen in den Ländern. Dies ließ er auch Seehofer wissen. "

Uhl trat zudem Vorwürfen entgegen, das Gesetz komme professionellen Adresshändlern zugute. Die umstrittenen Änderungen sind ihm zufolge eigens auf Wunsch der Meldeämter eingefügt worden. Die jetzige Form, bei der Bürger einer Weitergabe ihrer Daten durch Behörden ausdrücklich widersprechen statt zustimmen müssen, sei in Absprache mit den Ämtern entstanden, so Uhl im Deutschlandfunk.

Für die Behörden sei es nicht machbar, bei jeder Anfrage erst die Betroffenen um Erlaubnis zu fragen. In einer Stadt wie München kämen pro Jahr rund 100.000 Fälle zusammen. Die meisten Anfragen kommen laut Uhl von Bürgern, die etwa Adressen alter Schulfreunde suchten. Für die Werbeindustrie seien die Meldeämter dagegen keine lohnende Quelle, weil eine Adressanfrage zehn Euro koste. "Jeder Adresshändler wäre pleite", sagte Uhl.

Seehofer kämpft gegen Umfragewerte

Uhl ist mit seinem Widerstand nicht alleine. Auch der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach, Vorsitzender des Innenausschusses, verteidigte die Neuregelung gegen Kritik. Er setzt sich vor allem gegen den Vorwurf zur Wehr, man sei der Wirtschaft bewusst entgegen gekommen. "Wenn das ein Geschenk für die Werbewirtschaft sein soll, dann wäre auch die bisherige Rechtslage in den Bundesländern ein solches Geschenk", sagte Bosbach der "Saarbrücker Zeitung".

CSU-Chef Seehofer sieht sich indes nicht nur offenem Widerstand ausgesetzt. In der CSU hat angesichts fallender Umfragewerte vor den Landtagswahlen 2013 ein Murren eingesetzt. Die in München verankerte "Süddeutsche Zeitung" schreibt von "Verwunderung und Verärgerung" über den Parteivorsitzenden.

Dazu trägt offenkundig auch die Person Seehofer bei. Der CSU-Politiker hatte in den vergangenen Monaten immer wieder mit massiven Drohungen und populistischen Untertönen für Aufmerksamkeit gesorgt.

"Ausverkauf des Datenschutzes"

Für Stimmungen hat Seehofer ein sensibles Gespür. Auch das Thema Meldegesetz fällt offenkundig in diesen Bereich. In den bayerischen Medien wurde es zuletzt als Gesetz mit CSU-Urheberschaft betitelt. Seehofer reagierte in der für ihn typischen Flexibilität. Aus der CSU heißt es, dafür habe er auch in Kauf genommen, dass Innenminister Friedrich dastehe wie ein Innenminister ohne eigenen Standpunkt.

Derweil übte auch EU-Justizkommissarin Viviane Reding massive Kritik an der deutschen Politik. Sie spricht vom "Ausverkauf des Datenschutzes". "Ich bin überrascht, dass einige deutsche Politiker die Profitinteressen von hiesigen Werbeunternehmen vor das Grundrecht der Bürger auf Datenschutz stellen", sagte Reding am Dienstag der Nachrichtenagentur dpa.

"Wie will der Staat glaubhaft von Unternehmen wie Facebook und Google verlangen, dass sie sich an strenge Datenschutzauflagen halten, während er selbst einen Ausverkauf des Datenschutzes an die Privatwirtschaft betreibt?", monierte Reding.

Mit Material von dpa und dapd

(pst)
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