Aus Rumänien und Bulgarien Mehr Osteuropäer bekommen Hartz IV – noch mehr einen Job

Berlin · Nach fünf Jahren Arbeitnehmerfreizügigkeit hat sich die Zahl der Sozialleistungsempfänger aus Bulgarien und Rumänien verdreifacht. Gleichzeitig gibt es aber auch deutlich mehr Beschäftigte aus den Ost-Ländern.

 Baustelle der neuen Zentrale der sächsischen Aufbaubank in Leipzig: Viele Rumänen und Bulgaren arbeiten in Deutschland am Bau.

Baustelle der neuen Zentrale der sächsischen Aufbaubank in Leipzig: Viele Rumänen und Bulgaren arbeiten in Deutschland am Bau.

Foto: ZB/Jan Woitas

Fünf Jahre nach der Öffnung des deutschen Arbeitsmarkts für Bulgaren und Rumänen hat sich die Zahl der Hartz.IV-Empfänger aus diesen Ländern mehr als verdreifacht. Sie stieg von rund 45.000 Ende 2013 bis November 2018 auf gut 150.000, wie aus neuen Daten der Bundesagentur für Arbeit (BA) hervorgeht. Noch stärker nahm in den fünf Jahren der Arbeitnehmerfreizügigkeit aber die Zahl der in Deutschland beschäftigten Bulgaren und Rumänen zu: Sie stieg von gut 130.000 im Dezember 2013 auf deutlich über eine halbe Million Ende 2018. Die Beschäftigung von Bulgaren und Rumänen hat sich damit in nur fünf Jahren vervierfacht.

Noch aussagekräftiger als die absoluten Zahlen sind die Quoten. Wie aus Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur hervorgeht, kletterte die Quote der Hartz-Bezieher aus Bulgarien und Rumänien seit Ende 2013 um gut 2,6 Prozentpunkte auf heute knapp zwölf Prozent der erwerbsfähigen Menschen aus diesen Ländern. Unter den Ausländern aus den 28 EU-Ländern insgesamt beziehen dagegen nur knapp acht Prozent das Arbeitslosengeld II. Gleichzeitig ist aber die Beschäftigungsquote – der Anteil der Erwerbstätigen unter allen erwerbsfähigen Bulgaren und Rumänen in Deutschland – um eindrucksvolle 25 Prozentpunkte auf heute 60 Prozent in die Höhe geschnellt. Unter den Ausländern aus allen EU-Ländern sind dagegen nur 55 Prozent beschäftigt.

Die Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU erlaubt allen EU-Bürgern, in ein anderes Land einzuwandern, wenn sie dort einen Arbeitsplatz finden und nachweisen. Für Rumänen und Bulgaren öffnete Deutschland seinen Arbeitsmarkt zum 1. Januar 2014, ein halbes Jahr später auch für Kroaten. Gerade die Öffnung für die ärmeren osteuropäischen Beitrittsländer hatte starke Befürchtungen ausgelöst, die Einwanderung in das deutsche Sozialsystem könne sich dadurch beschleunigen.

Die BA-Daten zeigen hingegen, dass der Zugewinn an neuen Arbeitskräften in den fünf Jahren weitaus größer war als der Anstieg an Sozialleistungsempfängern. Die schnelle Integration Hunderttausender Bulgaren und Rumänen in den Arbeitsmarkt „ist eine absolute Erfolgsgeschichte und in der deutschen Wirtschaftsgeschichte einmalig“, sagte IAB-Migrationsforscher Herbert Brücker unserer Redaktion. Sie seien vor allem im Dienstleistungssektor, in der Bau- und in der Landwirtschaft tätig.

 Er räumte ein, dass zugleich die Zahl der Hartz-IV-Bezieher vor allem aus Bulgarien deutlich gestiegen ist. „Wir müssen zwischen Rumänen und Bulgaren unterscheiden: Während heute nur sieben Prozent der erwerbsfähigen Rumänen Hartz IV beziehen, sind es bei den Bulgaren fast 22 Prozent“, sagte Brücker. Ende 2013 lag der Anteil der Hartz-IV-Bezieher unter den erwerbsfähigen Bulgaren dagegen erst bei knapp 14 Prozent. „Bei den Bulgaren haben wir eine Polarisierung: Da gibt es gut integrierte Gruppen – aber andererseits auch eine Gruppe, die dauerhaft nicht in den Arbeitsmarkt integriert ist“, sagte der IAB-Forscher. Viele dieser Menschen seien zwar schon vor der Freizügigkeit in Deutschland gewesen, hätten jedoch damals noch keine Sozialleistungen bezogen. „Jetzt aber sind sie im Hartz-IV-Bezug.“

Der Zugang zum Sozialleistungsbezug sei durch die Arbeitnehmerfreizügigkeit leichter geworden. „Denn vorher war sowohl der Zugang zu Beschäftigung als auch ein möglicher späterer Übergang in den Leistungsbezug schwieriger“, sagte Brücker. „Eine gezielte Einwanderung ins Sozialsystem können wir  aber nicht feststellen“, betonte er.

Die starke Zunahme der Beschäftigten aus Osteuropa deckt einen Teil des großen Fachkräftebedarfs in Deutschland, allerdings benötigt die Wirtschaft mehr qualifizierte Migranten auch aus Drittländern außerhalb der EU. Die Koalition plant daher ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das nun aber in den parlamentarischen Beratungen feststeckt. Zwischen Union und SPD gibt es bislang keine Einigung über die geplanten Reformen bei Abschiebungen, die Teil des Gesetzes sind. Nach Angaben aus Koalitionskreisen ist dazu in der kommenden Woche ein Gespräch auf höchster Ebene geplant.

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