Sigmar Gabriel im Iran Das große Geschäft

Teheran · Nach dem Atomabkommen können im ersten Quartal 2016 die Sanktionen gegen den Iran aufgehoben werden. Die deutsche Wirtschaft hofft auf eine Verdoppelung des Handelsvolumens. Sigmar Gabriel will auch über Israel sprechen.

 Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) wurde am Sonntag in Teheran vom Vize-Ölminister Amir Hossein Zamaninia begrüsst.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) wurde am Sonntag in Teheran vom Vize-Ölminister Amir Hossein Zamaninia begrüsst.

Foto: dpa, mkx kde

Die deutsche Wirtschaft sieht mit den zu erwartenden Aufhebungen der Sanktionen gegen den Iran ein enormes Potenzial für Geschäfte. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) ist am Sonntagabend mit einer kleinen Delegation in Teheran gelandet. Mit an Bord waren unter anderem der Chef des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Ulrich Grillo, und Eric Schweitzer, Chef des Deutschen Industrie- und Handelskammertags.

Gabriels Reise war schon seit April geplant - mit Blick auf den erhofften Abschluss für ein Atomabkommen. Der Zeitpunkt ist nun perfekt, und sein Besuch erregt Aufmerksamkeit: Durch die mehrfachen Verzögerungen bei den Verhandlungen um das Atomabkommen zwischen dem Iran und den Vereinten Nationen ist Gabriel der erste westliche Politiker, der nach dem Atom-Deal in den Iran reist. Er ist überhaupt der erste deutsche Minister seit 15 Jahren, der den Iran besucht. Erst am Montag vor einer Woche war der Durchbruch dazu gelungen, dass die Völkergemeinschaft den Iran auf Auflagen und Kontrollen verpflichten konnte, die dem Land den Bau einer Atombombe innerhalb eines Jahres unmöglich machen. Die Reise sei auch dafür gedacht, "zu zeigen, dass es sich für die Iran lohnt, auf Atomwaffen zu verzichten", sagte Gabriel.

Am Montag wird Gabriel Staatsminister Hassan Rohani treffen. Der Vize-Kanzler wird zudem mit dem Ölminister, dem Energieminister und dem Industrieminister zusammenkommen. Am späten Abend fliegt Gabriel weiter nach Isfahan, wo er morgen kulturhistorische Stätten besucht, unter anderem den Haschet Behescht Palast, den Imanplatz und die Armenische Vanak-Kathedrale.

Für die Wirtschaftsvertreter ist der frühe Zeitpunkt so gut, da für sie das Windhund-Prinzip gilt: Wer zuerst kommt, macht die besten Geschäfte. "Das Interesse am Iran ist sehr groß", betonte Schweitzer auf dem Hinflug nach Teheran. Die Unternehmen hofften auf Geschäfte in den Bereichen Energie und Umwelttechnologie, insbesondere Abwassertechnologie, sowie in der Automobilbranche. Auch bei Infrastrukturprojekten will man ins Geschäft kommen. Es gibt eine lange Tradition guter Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und dem Iran. In den 70er Jahren, zur Zeit des Schahs, war der Iran Deutschlands wichtigster Außenhandelspartner außerhalb Europas. Das Land ist wohlhabend, und ein großer Teil der knapp 80 Millionen Iraner verfügt über ein hohes Bildungsniveau. Überall im Land gibt es Universitäten.

Durch die Sanktionen gegen den Iran hat die deutsche Wirtschaft an Boden verloren, während die Inder und die Chinesen in dieser Zeit gute Geschäfte gemacht haben. So liegt das Handelsvolumen mit dem Iran aktuell bei 2,6 Milliarden Euro. Das der Chinesen ist 15-mal so hoch.

Trotz des Atomabkommens und dem grünen Licht für die Wirtschaft, im Iran wieder durchzustarten, bleiben aus Sicht der deutschen Regierung immer noch erhebliche Hürden für eine Normalisierung der Beziehungen zum Iran. Gabriel sprach dies gleich zum Auftakt der Reise sehr deutlich an: "Natürlich haben wir auch schwierige Themen zu besprechen, wie Menschenrechte und Israel", sagte der Wirtschaftsminister. Wer mit Deutschland Geschäfte machen wolle, könne nicht das Existenzrecht Israels in Frage stellen. Gabriel wird sich auch mit Vertretern von Nicht-Regierungsorganisationen treffen.

Investitionsmittel sind in dem islamischen Land, in dem als oberste Entscheidungsinstanz Revolutionsführer Ali Khamenei fungiert, reichlich vorhanden. Im Rahmen der Sanktionen waren 100 Milliarden Dollar iranisches Vermögen international eingefroren. Diese Gelder können 2016 frei werden, wenn der Iran die Umsetzung des Atomabkommens eingeleitet hat. Der Iran verfügt zudem über die zweitgrößten Erdgasvorkommen der Welt und die viertgrößten Ölvorkommen. Mit der Aufhebung der Sanktionen können auch die Finanzen durch die Exporte wieder sprudeln. Während das Bruttoinlandsprodukt des Iran auch wegen der Sanktionen und der politischen Führung 2012 um 6,6 und 2013 um 1,9 Prozent gesunken ist, stieg es 2014 mit dem 2013 gewählten moderat konservativen Rohani um drei Prozent an. Für dieses Jahr wird eine Steigerung um 0,6 und für 2016 um 1,3 Prozent erwartet.

Die deutsche Regierung hofft, durch einen intensiven Handel mit dem Iran die reformerischen Kräfte im Land zu stärken. Die Strategie könnte Erfolg haben. Durch die Sanktionen der vergangenen Jahre ist die Produktivität im Land gesunken. Es gibt eine breite Schicht junger arbeitsloser Akademiker, die Jobs in neuen Produktionsstätten deutscher Unternehmen finden könnten. Die Regierung Rohani verfolgt einen pragmatischen Politik-Ansatz. Der Iran ist sehr interessiert daran, mit dem Westen wieder ein gutes Verhältnis aufzubauen. Als eine Hürde für ein florierendes Geschäft mit dem Iran gilt allerdings die Frage, ob auch die großen deutschen Banken wieder Vertrauen in das Land setzen. Bislang mussten sie mit Strafzahlungen rechnen, wenn sie zugleich mit den USA und dem Iran Geschäfte machten.

Nach jetziger Lage könnten die Banken es wagen, wieder in das Iran-Geschäft einzusteigen. Doch im Iran gibt es so viele widerstreitende politische Kräfte, dass es keineswegs als ausgemacht gilt, dass das Atomabkommen Bestand haben wird. So verlangte das Parlament, in dem viele sehr konservative Kräfte sitzen von der Regierung, über das Abkommen abzustimmen. Die Regierung wollte dieses Risiko nicht eingehen und befragte den obersten Wächterrat, der überwiegend mit Klerikern besetzt ist. Diese beraten üblicherweise wochenlang. Im Fall des Abkommens kamen sie nach zwei Tagen zum Schluss, dass es verfassungsgemäß sei. Ein Punktsieg für die Kräfte im Land, die den Anschluss an die westliche Welt anstreben.

(qua)
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