Steuer- und Freihandel SPD-Linke rebelliert gegen Sigmar Gabriel

Der Ärger über SPD-Chef Sigmar Gabriel wächst. Nun wehrt sich der linke Flügel lautstark gegen den Steuer- und Freihandelskurs des Parteichefs. Auslöser sind Gabriels Aussagen zur Abkehr von der Vermögensteuer und zu möglichen Investitionsschutzklauseln beim Freihandelsabkommen mit Kanada.

 Sigmar Gabriel muss sich mit Widerständen in der eigenen Partei auseinandersetzen.

Sigmar Gabriel muss sich mit Widerständen in der eigenen Partei auseinandersetzen.

Foto: dpa, lus cul

Sigmar Gabriel hat es nicht leicht in diesen Tagen. Während Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wenig Widerstand in ihrer Partei fürchten muss, bröckelt so langsam die mühsam von ihm aufgebaute Geschlossenheit der SPD. Forsch vertritt der SPD-Chef als Wirtschaftsminister Positionen, die dem linken Flügel so gar nicht schmecken. Und der will sich nun eine neue Schlagkraft verleihen.

Am Freitag und Samstag treffen sich rund 200 Parteilinke im Magdeburger Kongress- und Kulturwerk Fichte, um eine bessere Koordinierung zu verabreden. Der Namensgeber des Zentrums, der Philosoph Johann-Gottlieb Fichte, sagte mal: "Nicht zum müßigen Beschauen Deiner selbst, zum Verändern bist Du auf der Welt." Das trifft die Gemütslage so manches Sozialdemokraten, der sich eingeengt fühlt, durch das Korsett des Koalitionsvertrages mit der Union.

Es geht auch um einen Neustart, nachdem im Juli Arbeitsministerin Andrea Nahles und weitere namhafte SPD-Politiker ihren Austritt aus dem Forum Demokratische Linke (DL21) erklärt hatten. Grund war eine kritische Mitteilung der Vorsitzenden Hilde Mattheis zum Konzept von Nahles für die Einführung des Mindestlohns von 8,50 Euro. Mattheis sprach wegen einiger Ausnahmen von einem angefaulten Apfel.

Um Mattheis ist es still geworden, das Gewicht bei der SPD-Linken hat sich verlagert hin zur Parlamentarischen Linken, die vom Bremer Bundestagsabgeordneten Carsten Sieling koordiniert wird. Und zum Landeschef von Schleswig-Holstein, dem stellvertretenden Vorsitzenden der Bundes-SPD Ralf Stegner, der trotz Zurechtweisungen von Gabriel weiter versucht, sein Profil und das des linken Flügels zu schärfen.

"Ich selbst fordere öffentlich nichts, was nicht unserer Beschlusslage entspricht", verteidigt sich Stegner. "Ich glaube, dass es wichtig ist, mit unterschiedlichen Rollen zu spielen - auf der einen Seite muss das Regierungshandeln vertreten werden, auf der anderen Seite das Parteiprofil." Stichwort Beschlusslage, an die erinnern Sieling und Stegner nun Gabriel via "Stuttgarter Zeitung".

Streitpunkt 1: die Freihandelsabkommen der EU mit Kanada (Ceta) und mit den USA (TTIP). Gabriel war als Wirtschaftsminister im Oktober in den USA. Dort sagte ihm der Präsident der Deutsch-Amerikanischen Handelskammer, Caroll Neubauer, das amerikanische Rechtssystem sei total kaputt, Vergleiche kosteten schnell sechsstellige Summen.
Investitionsschutzklauseln und die Option auf Schiedsgerichte brauche man bei TTIP, um nicht der US-Gerichtsbarkeit ausgeliefert zu sein.

Das ist nur eine Stimme, sie gehört zum vielstimmigen Chor derer, die sowas verlangen. Das aber widerspricht der SPD-Beschlusslage. Gabriel sagte nun mit Blick auf das schon ausgehandelte Abkommen Ceta: "Ich glaube nicht, dass es möglich sein wird, Investitionsschutzabkommen komplett aus Ceta herauszubekommen". Zündstoff für die SPD, soll Ceta doch Blaupause für TTIP sein. Durch den Abbau von Zöllen und gleiche Standards sollen mehr Jobs und Wachstum entstehen. Befürworter ködern damit, dass EU-Bürger durch TTIP angeblich bis zu 545 Euro pro Jahr mehr in der Tasche haben könnten, doch ob diese Rechnung aufgeht?

Sieling und Stegner weisen Gabriels Aussage zurück, sie fürchten, das durch Schiedsgerichte demokratisches Recht gefährdet und ausgehebelt werden kann. Allerdings gibt es schon bei weit über hundert internationalen Handelsabkommen solche Investitionsschutzklauseln.

Streitpunkt 2: Das Steuerprogramm. In der Partei hat es bisher keine breite, die Basis mit einbeziehende Aufarbeitung des Wahlergebnisses von nur 25,7 Prozent 2013 gegeben. Einige in der SPD sehen den Wahlerfolg der Union auch in der strikten Absage an Steuererhöhungen begründet, zumal in der Zeit die Einnahmen in Rekordhöhe sprudelten.

Nun hat Gabriel in einer Diskussion mit dem linken Ökonomen Thomas Piketty, Autor des Bestsellers "Das Kapital im 21. Jahrhundert", betont: "Die Vermögensteuer ist tot" - obwohl er "über viele Jahre Vorsitzender des Vermögensteuer-Fanclubs" in seiner SPD gewesen sei.

Piketty hingegen ist für eine progressive Vermögensteuer, damit Reiche mehr zur Finanzierung des Gemeinwesens beitragen. Sieling twitterte dazu: "Da hat Sigmar Gabriel den richtigen Mann in sein Haus geladen." Und Stegner betont: "Zur Steuerpolitik haben wir noch keine neueren Beschlüsse, bis auf weiteres gilt unser Wahlprogramm." Beide kritisieren auch das Dogma eines Haushalts ohne neue Schulden.

Auch wenn es aktuell so scheinen mag, dass der linke Flügel zuletzt begrenzten Einfluss auf das Regierungshandeln hatte. Hinter ihm stehen auch rund 70 000 Juso-Mitglieder. Und auch Hoffnungsträgerin Nahles wird in Magdeburg erwartet, wo laut Stegner kein neuer Club gegründet werden soll - es geht vor allem um mehr Geschlossenheit.

Die Frage ist, ob das für Gabriel eine gute Nachricht wäre, auch mit Blick auf die für ihn derzeit unrealistische Option Rot-Rot-Grün. Stegner jedenfalls freut sich über die geplante Thüringer Premiere:
"Der Union gehen mit Blick auf 2017 die Gewissheiten verloren."

(dpa)
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