"Digitalagentur" Regierung prüft zentrale Behörde für Internet-Aufsicht

Berlin · Wirtschaftsminister Gabriel und Justizminister Maas prüfen die Gründung einer "Digitalagentur". In ihr könnten die bestehenden Kompetenzen verschiedener Behörden zur Aufsicht über die digitale Wirtschaft gebündelt werden. Ein Zehn-Punkte-Katalog sieht zudem mehr Rechte für Kunden vor, etwa bei Telefonverträgen.

Der SPD-Parteichef Sigmar Gabriel (l.) beantwortet im Willy-Brandt-Haus in Berlin Fragen in einem Live-Chat.

Der SPD-Parteichef Sigmar Gabriel (l.) beantwortet im Willy-Brandt-Haus in Berlin Fragen in einem Live-Chat.

Foto: DPA

Die Bundesregierung will Verbraucher besser vor Anbietertricks im Internet schützen. Dazu prüfen Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel und Justizminister Heiko Maas (beide SPD) die Gründung einer staatlichen "Digitalagentur". In ihr könnten die Kontrollaufgaben verschiedener Behörden über das Geschäftsgebaren der Internet-Anbieter gebündelt werden.

Bisher sind für diese Aufsicht viele Bundesbehörden zuständig, etwa die Bundesnetzagentur, das Bundeskartellamt oder die Finanzdienstleistungsaufsicht. Es müsse "hinterfragt werden, ob die derzeitige, auf eine Vielzahl von Behörden aufgeteilte Durchsetzung der Verbraucherinteressen nachhaltig und sachgerecht ist", heißt es in einem Zehn-Punkte-Papier der beiden Ministerien zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Internet. Das Papier liegt unserer Redaktion vor.

Die digitale Wirtschaft gehört längst zur Lebenswirklichkeit fast aller Bürger: Sie bestellen und bezahlen Waren über das Internet, sie kommunizieren in sozialen Netzwerken oder finden im Internet neue Partner fürs Leben. Der Gesetzgeber konnte mit dem digitalen Wandel aber nicht überall Schritt halten; es gibt viele Regulierungslücken. Zudem eröffnete die digitale Technik Unternehmen neue Möglichkeiten, Kundendaten zu sammeln oder Kunden auszuspähen, Märkte vor Konkurrenz abzuschotten und bisherige Verbraucherrechte sowie Wahlfreiheiten zu umgehen.

Diese Lücke wollen die beiden Minister mit ihrem Zehn-Punkte-Katalog weiter schließen. "Wir dürfen auch in der digitalen Welt keinen Machtmissbrauch erlauben", begründete Wirtschafts-Staatssekretär Matthias Machnig (SPD) die Maßnahmen. Im Koalitionsvertrag hatten Union und SPD zudem festgelegt, den Verbraucherschutz als gleichrangiges Ziel neben den Schutz vor Firmenkartellen und anderen Rechte zu stellen.

"Möglicherweise könnte eine Bündelung der behördlichen Zuständigkeiten in Bezug auf die Verbraucherrechte auf eine Behörde mit starken Aufsichts- und Durchsetzungskompetenzen angemessen sein", heißt es in dem Papier. "Eine neu zu schaffende Digitalagentur könnte die Aufgaben zur Erhaltung und Förderung von funktionierenden Wettbewerbsstrukturen und der Marktregulierung zusammenfassen", schreiben die Ministerien. Diese Frage werde "noch in dieser Legislaturperiode" geklärt.

Bei Telefon- und Internetverträgen plant die Regierung weitere Verschärfungen. Eine neue Transparenz-Verordnung verpflichte die Telefon- und Internet-Anbieter, "auf der monatlichen Rechnung den Vertragsbeginn und das Ende der Mindestlaufzeit abzudrucken". Dadurch werde der Verbraucher in die Lage versetzt, immer genau zu wissen, wann sein Telefon- oder Internetvertrag endet. Darüber hinaus will die Regierung Warnhinweise für solche Mobilfunktarife vorschreiben, bei denen große Datenmengen in schneller Geschwindigkeit transportiert werden können: "Das schützt die Verbraucher vor unerwartet hohen Rechnungen."

Telekom-Anbieter sollen zudem künftig ein "Produktinformationsblatt" veröffentlichen müssen. Darin soll der Verbraucher vor Vertragsschluss über sämtliche Konditionen unterrichtet werden. Auf einen Blick sollen Kunden zwingend Vertragslaufzeiten, Voraussetzungen für Kündigungen und Verlängerungen, das monatlich zu entrichtende Entgelt und die Datenübertragungsrate erhalten.

Der Verbraucher soll zudem selbst überprüfen können, ob vertraglich festgelegte Bandbreiten und Geschwindigkeiten eines Internet-Anschlusses eingehalten werden. Eine Untersuchung der Netzagentur habe ergeben, dass es deutliche Differenzen zwischen vertraglich vereinbarten Datenübertragungsraten und den tatsächlich übertragenen Raten gebe. Künftig solle der Kunde über klassische Messplattformen selbst testen können, wie schnell seine Daten übertragen wurden. Der Gesetzgeber will Anbietern auch vorschreiben, Kunden hinterher über tatsächliche Übertragungsraten zu informieren.

Durch das Internet habe die kommerzielle Verarbeitung von Verbraucherdaten "explosionsartig zugenommen", heißt es in dem Papier. Der Einzelne sei zur Durchsetzung seiner Rechte oft nicht in der Lage, etwa wenn gegen seinen Willen Datenhandel betrieben wird. Deshalb will die Regierung die Klagerechte der Verbraucherverbände durch eine Änderung des Gesetzes über Unterlassungsklagen erweitern.

(mar)
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