Gabriel unterstützt Steinmeiers Nato-Kritik "Dürfen Nato nicht in Kalten Krieg führen"

Berlin · Der Chef der SPD springt dem Außenminister zur Seite: Sigmar Gabriel teilt die kritische Haltung von Frank-Walter Steinmeier an der Russland-Politik der Nato.

Sigmar Gabriel unterstützt Frank-Walter Steinmeiers Nato-Kritik
Foto: afp, DG/jlu

Steinmeier habe völlig Recht, wenn er darauf hinweise, die Nato nicht in die Zeiten des Kalten Krieges zurückzuführen, sagte Gabriel am Montag in Berlin. "Wir müssen mit Russland im Gespräch bleiben." Das sei die Lehre der Entspannungspolitik.

Der Vorwurf an Steinmeier, dieser bewege sich mit seinen Äußerungen außerhalb des westlichen Bündnisses, "der ist absurd". Die Nato sei nicht schwach, das wisse auch Russland. Gabriel warnte, erst finde eine Eskalation der Sprache statt, dann Manöver und schließlich würden weitere Waffensysteme gekauft. Zugleich sprach er sich erneut für eine schrittweise Lockerung der wegen des Ukraine-Konflikts verhängten westlichen Sanktionen aus - wenn Russland Erfolge beim Minsker Friedensprozess vorweisen kann.

Union empört

Derweil hat Steinmeier hat mit seiner Kritik am "Säbelrasseln" der Nato gegenüber Russland für Verärgerung beim Koalitionspartner Union gesorgt. Von der Linken und der AfD erhielt der SPD-Politiker am Montag dagegen Applaus. Steinmeier hatte die Aufregung mit einem Text für die "Bild am Sonntag" ausgelöst, der folgenden Satz zur Russland-Politik der Nato enthielt: "Was wir jetzt nicht tun sollten, ist durch lautes Säbelrasseln und Kriegsgeheul die Lage weiter anzuheizen. Wer glaubt, mit symbolischen Panzerparaden an der Ostgrenze des Bündnisses mehr Sicherheit zu schaffen, der irrt."

Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Volker Bouffier forderte Steinmeier zur Klarstellung auf. "Ich glaube das ist das falsche Signal an Putin", sagte der hessische Ministerpräsident. CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn nannte Steinmeier einen "Putin-Versteher". Der Außenminister bereite mit seiner Kritik den Weg zu einem Bündnis mit der Linkspartei.

"Abschreckung wird am Ende nicht ausreichen"

Steinmeier rückte von seinen Äußerungen nicht ab. Er betonte, dass es ihm darum gegangenen sei, die Bedeutung des Dialogs mit Russland hervorzuheben. "Mir scheint es im Augenblick so zu sein, als würden wir diese zweite Säule völlig vergessen", sagte er in Luxemburg. Abschreckung werde am Ende nicht ausreichen.

Steinmeier machte zugleich deutlich, dass er nicht die Beschlüsse des Nato-Gipfels in Wales in Frage stellt. Dort hatten sich die Bündnispartner 2014 in Reaktion auf den Ukraine-Konflikt geeinigt, an der Ostflanke deutlich aufzurüsten und die Abschreckung zu stärken. "Wir entziehen uns nicht der Verantwortung, wir tragen sie in hohem Maße", sagte Steinmeier mit Blick auf den starken deutschen Beitrag.

Auch Gauck pflichtete dem Außenminister bei einem Besuch in Bukarest indirekt bei: "Wenn führende Politiker sich Gedanken machen, wie ein besseres Gesprächsklima hergestellt werden kann zu Moskau, dann kann das ja wohl nicht bedeuten, dass das gleichzeitig ein Abrücken ist von Vertragstreue, die für uns Deutsche selbstverständlich ist."

Beifall von den Linken

Die Linke nahm Steinmeier gegen Kritik des Koalitionspartners in Schutz. "Die provokativen Nato-Kriegsspiele nahe der russischen Grenze sind eine unverantwortliche Gefährdung des Friedens in Europa", sagte Fraktionschefin Sahra Wagenknecht.

Auch der stellvertretende AfD-Vorsitzende Alexander Gauland gab Steinmeier "völlig recht". "Spätesten seit der Krim-Krise sollte jedem klar geworden sein, dass Abschreckung gegen Russland nicht funktioniert, sondern das Gegenteil provoziert", sagte er.

Grünen-Chef Cem Özdemir kritisierte besonders den Zeitpunkt der Debatte kurz vor dem britischen EU-Referendum: "Drei Tage vor der Brexit-Abstimmung frage ich mich, was das soll."

Aus Russland gab es bereits am Wochenende einen Kommentar zu der Debatte: "Steinmeier hat sich gegen das Steckenpferd von (Nato-Generalsekretär Jens) Stoltenberg ausgesprochen - Russland einzuschüchtern. So sind durch den Vorhang von Drohungen und Hysterie einzelne Stimmen der Vernunft zu hören", schrieb der russische Außenpolitiker Alexej Puschkow im Internetdienst Twitter.

Nato-General sieht keine Bedrohung durch Russland

Der Vorsitzende des Nato-Militärausschusses, Petr Pavel, sieht derweil keine unmittelbare Bedrohung Europas durch Russland. "Es ist nicht das Ziel der Allianz, im Osten eine militärische Barriere gegen eine ausgedehnte russische Aggression zu schaffen, denn eine solche Aggression steht nicht auf der Tagesordnung", sagte der tschechische General der Agentur CTK zufolge am Montag in Prag. Es gebe darauf keine geheimdienstlichen Hinweise.

Eine dauerhafte größere Militärpräsenz im Baltikum sei auch deshalb nicht vorgesehen, weil dies den bestehenden Vereinbarungen mit Russland widersprechen würde. Vielmehr gelte es, ein Szenario wie auf der Krim zu verhindern. "Hier geht es eher um das, was wir eine hybride Gefahr nennen", sagte Pavel mit Blick auf die geplanten rotierenden Einheiten in Osteuropa. Die hybride Kriegsführung reicht von Propaganda über Wirtschaftsdruck bis hin zu verdeckten Einsätzen.

(felt/dpa)
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