Krach in der Koalition Gabriel watscht Seehofer ab

Berlin · Mit seinen Äußerungen zur Russlandpolitik des Außenministers bringt CSU-Chef Horst Seehofer die SPD gegen sich auf. Vor einem Spitzentreffen in Berlin lässt Chef-Genosse Gabriel seinen Ärger nun in bissigen Bemerkungen aus. Seehofer könne man nicht ernst nehmen.

 SPD-Chef Sigmar Gabriel kann sehr unangenehm werden, er verfügt über ein bissiges rhetorisches Talent.

SPD-Chef Sigmar Gabriel kann sehr unangenehm werden, er verfügt über ein bissiges rhetorisches Talent.

Foto: dpa, wk htf

Das Treffen war schon länger geplant. Die Partei- und Fraktionschefs der Koalition wollen am Dienstagabend im Kanzleramt strittige Fragen klären. Einen Tag zuvor ist die Stimmung schlecht. CSU-Chef Horst Seehofer hat ein neues Streitthema aufgetan.

Dieser hatte am Wochenende die Frage aufgeworfen, ob die SPD die Russland-Politik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wirklich unterstütze oder ob Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) in der Sache eine "eigene Diplomatie" betreibe.

Die SPD ist einigermaßen verstimmt. "Man kann das nicht ernst nehmen", sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel zu Seehofers Äußerungen. Gabriel führte die Äußerungen des CSU-Chefs auf eine "besondere Art von Humor" zurück.

Steinmeier müsse keine Nebenaußenpolitik führen, weil er als Außenminister ohnehin die fachliche Zuständigkeit habe, sagte Gabriel. Er sehe keine Differenzen zwischen Union und SPD in der Russland-Politik. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer reagiert auf Gabriels Kritik verstimmt und sagte: "Wir brauchen keine Belehrungen von der SPD."

CDU-Generalsekretär Peter Tauber stellte am Montag ebenfalls "große Einigkeit" zwischen Merkel und Steinmeier fest. Das entspricht wohl auch den tatsächlichen Gegebenheiten. Merkel und Steinmeier vertrauen sich und stimmen sich in außenpolitischen Fragen eng miteinander ab. Freilich waren zuletzt im Umgang mit Putin verschiedene Tonlagen zu vernehmen.

Seehofer hatte im "Spiegel" gesagt, er erwarte beim Koalitionstreffen "Klarheit" von der SPD, ob sie Merkels Bemühungen in der Russland-Politik unterstütze oder nicht.

Weiteres Thema des Koalitionstreffens, an dem die Partei- und Fraktionschefs, nicht aber die Generalsekretäre und parlamentarischen Geschäftsführer teilnehmen, soll die Frauenquote für Führungsposten in Unternehmen sein. Gabriel forderte die Union auf, die Quote so wie im Koalitionsvertrag vereinbart umzusetzen. "Ich hoffe, dass wir in dieser Woche endlich Klarheit darüber schaffen", sagte Gabriel.

Teile der Union haben Bedenken, dass der Gesetzentwurf Schwesigs über die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag hinaus gehen und die Wirtschaft übermäßig reglementieren könnte. Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" (Montagsausgabe) forderte die Union substanzielle Änderungen an den Plänen.

Kanzlerin Merkel will nach Koalitionsangaben noch vor dem Spitzentreffen am Dienstagabend mit Gabriel, Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) und Justizminister Heiko Maas (SPD) Kompromisse ausloten.

Im Koalitionsvertrag hatten Union und SPD vereinbart, dass die etwa 100 börsennotierten und mitbestimmungspflichtigen Unternehmen ab 2016 mindestens 30 Prozent weibliche Aufsichtsräte haben müssen. 3500 Firmen, die entweder börsennotiert oder mitbestimmungspflichtig sind, sollen sich ab dem kommenden Jahr "Zielvorgaben" zur Geschlechtergerechtigkeit setzen.

Unterschiedliche Vorstellungen bestehen in der Koalition auch über die Aufteilung des geplanten Zehn-Milliarden-Euro-Investitionspakets. Wie unsere Redaktion erfuhr, sieht Unions-Chefhaushälter Norbert Barthle Investitionen in die Infrastruktur als Priorität, SPD-Haushaltssprecher Johannes Kahrs schlägt mehr Ausgaben für die Kommunen und zur Förderung der energetischen Gebäudesanierung vor.

Angesichts der stark steigenden Zahlen von Flüchtlingen in Deutschland will die SPD beim Treffen der Koalitionsspitzen mehr Hilfen für Städte und Kommunen aus dem Bundeshaushalt durchsetzen. Diese sollten bis zu eine Milliarde Euro etwa für die Flüchtlingsunterbringung und Gesundheitsversorgung bekommen, sagte Gabriel nach den Gremiensitzungen seiner Partei.

(AFP)
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