Deutscher aus türkischer Haft entlassen So reagiert die Politik auf die Freilassung Steudtners

Berlin/Istanbul · Die Freilassung des deutschen Menschenrechtlers Peter Steudtner aus türkischer Haft hat für große Erleichterung gesorgt. Aber auch nachdenkliche Stimmen sind zu hören.

Ein Gericht in Istanbul hatte am späten Mittwochabend angeordnet, die Untersuchungshaft für Steudtner nach mehr als drei Monaten aufzuheben. Die türkische Justiz wirft ihm die Unterstützung einer terroristischen Gruppe vor. Es kamen auch sieben weitere Menschenrechtsaktivisten auf freien Fuß, darunter die Direktorin von Amnesty International in der Türkei, Idil Eser.

Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) sprach von einem "ermutigenden Signal". Es handele sich um einen ersten Schritt. "Die Entscheidung zeigt, dass unsere Stimme für Rechtsstaatlichkeit, unser Mahnen nach einem fairen Verfahren und unsere Bemühungen für Peter Steudtner gehört werden." Das Urteil dürfe allerdings nicht darüber hinweg täuschen, dass weitere Deutsche "aus nicht nachvollziehbaren Gründen" in türkischer Haft seien. Auch hier werde man auf eine Lösung und Freilassung drängen.

Gabriel erklärte, er begrüße es ebenso, dass die Untersuchungshaft auch einiger Mitarbeiter von Amnesty International aufgehoben worden sei. "Gerade Amnesty hat in der Vergangenheit immer wieder auf Fehlentwicklungen in der Türkei hingewiesen - diese wichtige Stimme darf nicht verstummen." Auch Regierungssprecher Steffen Seibert zeigte sich auf Twitter erfreut über die neuen Entwicklungen.

Roth: Ende der Untersuchungshaft ist noch kein Freispruch

Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth erinnerte auf NDR Info zugleich daran, dass der Prozess gegen Steudtner in der Türkei weitergehe, obwohl die Anklage "völlig aus der Luft gegriffen und durch nichts zu rechtfertigen" sei. Das Ende der Untersuchungshaft sei noch kein Freispruch. Die Menschenrechtler waren am 5. Juli auf der Insel Büyükada vor Istanbul bei einem Seminar festgenommen worden. Den Angeklagten drohten bis zu 15 Jahre Haft.

Der Deutsche Richterbund wertete die Haftentlassung als erstes ermutigendes Zeichen nach einer Kette von Rückschlägen. Der Vorsitzende Jens Gnisa sagte: "Wer in der Türkei inhaftiert wurde und vor Gericht steht, dem droht letztlich, der Willkür der Richter ausgesetzt zu sein."

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) forderte die türkische Justiz auf, nach der Haftentlassung Steudtners auch die inhaftierten deutschen Journalisten auf freien Fuß zu setzen. "So unschuldig wie er sitzen die deutschen Journalisten Mesale Tolu und Deniz Yücel hinter Gittern. Ihr einziges "Vergehen" heißt kritischer Journalismus", sagte DJV-Chef Frank Überall.

Schröder soll für Freilassung gesorgt haben

Bei der Freilassung des Menschenrechtlers hat nach Recherchen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder eine zentrale Rolle gespielt. Schröder habe den Fall bei einem Treffen mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan angesprochen und erreicht, dass Steudtner aus der Haft entlassen wird, berichtete das Redaktionsnetzwerk am Donnerstag. Schröder ließ in Berlin erklären, dass er dazu keine Stellungnahme abgeben werde. Er freue sich gleichwohl über die Freilassung Steudtners.

In der Berliner Kirchengemeinde von Steudtner hieß es: "Wir haben ein unglaubliches Gefühl der Erleichterung." Viele seien sich am Donnerstagmorgen um den Hals gefallen, sagte der Geschäftsführer der Evangelischen Kirchengemeinde Prenzlauer Berg, Frank Esch. Für den Abend (18 Uhr) war eine Dank-Andacht geplant. "Und jetzt werden hier Willkommens-Schilder gebastelt." Seit Wochen trafen sich jeden Abend Menschen in der Gethsemanekirche, um für Steudtner zu beten und zu singen.

Bischof Markus Dröge zeigte sich am Donnerstag in Berlin vor der evangelischen Landessynode dankbar, dass die "Gebete und die Appelle an das Gerechtigkeitsempfinden und die Wahrhaftigkeit der Rechtsprechung in der Türkei gewirkt haben".

Dröge begrüßte, "dass es nicht zu einem politischen Schauprozess gekommen ist, um an einem Unschuldigen ein Exempel zu statuieren".
Der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz rief dazu auf, "weiter in den Fürbittgebeten unserer Gottesdienste für die zu Unrecht Inhaftierten einzutreten". In der evangelischen Kirchengemeinde Berlin-Prenzlauer Berg hatte es in den vergangenen drei Monaten täglich ein öffentliches Fürbittgebet für Steudtner und weitere zu Unrecht Inhaftierte gegeben.

(felt)
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