Drei tote Soldaten in Afghanistan Soldaten schlecht für Gegenwehr ausgerüstet

Düsseldorf (RP). Drei Bundeswehrsoldaten sind am Dienstag im Norden Afghanistans bei einem Unfall ums Leben gekommen. Die Männer starben nach einem Angriff auf ihre Patrouille nahe der Stadt Kundus, als sie mit ihrem Panzer von der Fahrbahn abkamen und sich überschlugen. Die Situation im Norden des Landes wird immer gefährlicher. Und die Ausrüstung ist schlecht.

Tote deutsche Soldaten in Afghanistan
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Foto: AP

Eine Bombe am Straßenrand explodiert, mehrere Selbstmordattentäter stürmen auf die gestoppte Fahrzeugkolonne zu. Panzerfaustschützen eröffnen von der Seite das Feuer. Weitere, mit Kalaschnikow-Gewehren bewaffnete Angreifer legen unterdessen einen Hinterhalt für die zur Hilfe kommende Verstärkung — militärisch organisiert sind seit einigen Wochen die Überfälle auf die Bundeswehr im Raum Kundus.

Dahinter stehen offenbar auch erfahrene tschetschenische Söldner, die nach dem Waffenstillstand mit den Russen im Norden Afghanistans ein anderes Betätigungsfeld gefunden haben. Diese "neue Qualität" der Bedrohung bestätigen Verteidigungsminister Franz Josef Jung und Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan.

Während früher einzelne Attentäter mit Sprengladungen am Leib oder im Auto Militärfahrzeuge oder Soldatengruppen angriffen, per Handy-Signal improvisierte Sprengfallen an Wegen gezündet oder aus alten russischen Artilleriegranaten gebastelte, wenig treffsichere Raketen auf die deutschen Feldlager abgefeuert wurden, bereiten jetzt offenbar taktisch geschulte "professionelle Terroristen" die Überfälle vor.

Bundeswehr muss sich an deutsche Gesetze halten

Für wirkungsvolle Gegenwehr ist die Bundeswehr, die ihren Schwerpunkt auf Wiederaufbauhilfe und polizei-ähnliche Patrouillen setzt, weder ausgerüstet noch juristisch befügt. Sie muss auch im Krisenland Afghanistan nach deutschen Gesetzen vorgehen und tut sich damit schwer, aufgeklärte Taliban-Kräfte offensiv zu bekämpfen, wenn diese noch nicht angegriffen, sprich: sich noch keiner Straftat schuldig gemacht haben. Außerdem tragen die Islamisten landesübliche Kleidung und verstecken sich unter den Dorfbewohnern.

Die Fahrzeug-Ausstattung der Soldaten ist defensiv ausgelegt: der Mercedes-Geländewagen ist nicht bewaffnet, die gepanzerten Rad-Transporter "Fuchs" und "Dingo" haben nur ein Bord-Maschinengewehr. Will die "Fuchs"-Besatzung sich wehren, muss der MG-Schütze die Luke öffnen — und wird zum lohnenden Ziel für Scharfschützen mit alten russischen Präzisionsgewehren wie dem "Dragunow".

Die deutschen Soldaten selbst sind mit dem Schnellfeuergewehr G 36, der Pistole P 8 oder der Maschinenpistole MP 7 ausgestattet. Kugelblenden, durch die aus dem Fahrzeug herausgeschossen werden kann, besitzen die deutschen Transporter nicht. Eine angegriffene Patrouille ist also weitgehend wehrlos, wenn sie im Fahrzeug sitzen bleibt. Die schwere Schutzweste Bristol, die am Körper getragen wird, schützt aber nicht gegen jede Art von Beschuss.

Angriffe ohne schwere Waffen

Gegenangriffe müssen ohne schwere Waffen durchgeführt werden. Offenbar verfügt die Bundeswehr in Afghanistan auch nicht über einsatzfähige Mörser, die ihre Granaten bogenförmig verschießen und damit Angreifer in Deckung treffen könnten. Die Briten verwenden amerikanische Kampfhubschrauber "Apache", die mit Raketen und Kanonen bewaffnet sind. Die Niederländer setzen am Hindukusch bereits seit Jahren die deutsche Panzerhaubitze 2000 ein, die Kanadier haben sich deutsche Kampfpanzer vom Typ "Leopard 2 A 6" ausgeliehen und damit große Erfolge erzielt.

Im Bundeswehr-Feldlager Masar-i-Sharif parkt zwar ein ähnliches "Kaliber": vier Schützenpanzer Marder aus dem westfälischen Augustdorf mit 20-mm-Schnellfeuerkanonen. Sie sind aber bislang nicht benutzt worden, vermutlich vorrangig aus politischen Gründen. Denn in Deutschland gibt es über den möglichen Einsatz solcher schwerer Waffen Streit: Einerseits befürchten Experten, dass durch deren massive Waffenwirkung auch unbeteiligte Zivilisten getroffen werden könnten.

Panzer sind nur schwer einsetzbar

Andererseits sind schwere Panzerfahrzeuge auf den miserablen, engen Straßen des zerklüfteten Landes schwer einsetzbar. Und hinter Panzerplatten unsichtbar gewordene deutsche Soldaten — so die größte Sorge - könnten bei der afghanischen Bevölkerung schnell das Image von anonymen Besatzern bekommen und damit wie die Russen zum verhassten Feind werden.

Doch inzwischen sollen amerikanische Kampfflugzeugpiloten bereits mehrfach von Taliban-Kämpfern umzingelte deutsche Kameraden "herausgehauen" haben; ein Pilot einer bulligen A 10 "Warzenschwein" mit großer Gatling-Kanone wurde dafür sogar kürzlich mit einem amerikanischen Orden ausgezeichnet. So setzt sich auch bei den deutschen Verteidigungspolitikern mehr und mehr die Meinung durch, die als "bewaffnetes Technischen Hilfswerk" verspottete Bundeswehr in Afghanistan stärker bewaffnen zu müssen.

Dafür stehen zum Beispiel kleine, leichte und wendige Luftlande-Panzer "Wiesel" mit Schnellfeuerkanone bereit. Die Transporthubschrauberflotte muss vergrößert werden, um schnell neue Schwerpunkte bilden zu können. Einen einsatzfähigen Kampfhelikopter hat die Bundeswehr noch nicht, der "Tiger" ist noch einsatzreif. Die Truppe kann aber auf unbemannte kleine Aufklärungsflugzeuge wie "Luna" oder "Aladin" zurückgreifen, die Hinterhalte rechtzeitig von oben aufklären können. Zur weiteren Verstärkung sind die ersten nagelneuen Geländewagen "Eagle" bereits in Afghanistan eingetroffen.

Sie werden auf dem Dach eine von innen bedienbare sogenannte Waffenstation erhalten — ein großer Fortschritt für die Sicherheit der deutschen Soldaten. Keine Aussagen gibt zur Ausstattung mit modernem technischen Gerät wie Laser-Zielgeräten, die gegnerische Stellungen für Jagdbomber mit fürs Auge unsichtbarem Infrarot markieren.

(RP)
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