Bundesrechnungshof Weniger Subventionen hätten Spielräume für Soli-Abbau geschaffen

Berlin · Im Oktober veröffentlichte der Bundesrechnungshof einen Sonderbericht, der wenig Beachtung fand. Dabei ist dem Bericht präzise aufgelistet, wie eine Jamaika-Koalition durch gezielten Subventionsabbau Spielräume für den kompletten Soli-Abbau gewonnen hätte.

 Kay Scheller, Präsident des Bundesrechnungshofs (Archivbild).

Kay Scheller, Präsident des Bundesrechnungshofs (Archivbild).

Foto: dpa, car fdt

Es war ein zu stiller Auftritt des Bundesrechnungshofs (BRH) Ende Oktober. Auf ihrer Website veröffentlichten die Finanzkontrolleure des Bundes einen Sonderbericht. Das war ungewöhnlich, denn üblicherweise meldet sich der Rechnungshof erst im Dezember mit einem dicken Band zu Wort, in dem er die Verschwendungsfälle von Steuergeld anprangert. In diesem Jahr aber wollten die Rechnungsprüfer nicht mitansehen, wie sich die nächste Bundesregierung einfach weiter auf der zurzeit günstigen Haushaltslage ausruht. Ihr weitgehend unbeachteter Sonderbericht hat es in sich.

Hätten Union, FDP und Grüne ihn vor oder während der Sondierungsgespräche gelesen, wäre das Experiment womöglich doch geglückt. Dann hätten sie nämlich mehr als die mühsam zusammengeklaubten 45 Milliarden Euro bis 2021 zur Verfügung gehabt, um alle teuren Projekte der Parteien zu finanzieren.

Der wichtigste inhaltliche Ausstiegsgrund der FDP wäre wahrscheinlich entfallen: Jamaika hätte genügend Geld gehabt, um den Soli bis 2021 komplett abzuschaffen. Statt der nötigen 20 Milliarden Euro pro Jahr gab es aber im allerletzten Sondierungspapier vom Sonntagabend für den Soli-Abbau nur 14 Milliarden Euro - vier Milliarden 2020 und zehn Milliarden 2021.

Handlungsspielräume scheinen ausgereizt

Das Zauberwort der Rechnungsprüfer in ihrem Sonderbericht lautet Haushaltskonsolidierung. Seit die Konjunktur brummt und die Steuereinnahmen sprudeln, ist das in der Berliner Finanzpolitik nur noch ein seltener Begriff. "Die Bundesregierung wird sich nicht allein auf steigende Steuereinnahmen und historisch niedrige Zinsen verlassen können, um auch künftig einen ausgeglichenen Haushalt zu sichern", mahnt BRH-Präsident Kay Scheller. "Sie sollte die Chance für eine nachhaltige strukturelle Konsolidierung des Bundeshaushalts ergreifen."

Soli-Abbau wäre durch weniger Subventionen möglich
Foto: Grafik: Schnettler Quelle: Bundesfinanzministerium

Auch der BRH halte zwar den vom geschäftsführenden Bundesfinanzminister Peter Altmaier (CDU) nach der November-Steuerschätzung skizzierten Spielraum von 45 Milliarden Euro 2018 bis 2021 für plausibel, heißt es in Bonn. "Wenn aber über die bislang bekannten finanziellen Spielräume weitere hinzukommen sollen, sollte sich eine künftige Bundesregierung an die Steuervergünstigungen heranwagen und diese kritisch auf den Prüfstand stellen", sagt Scheller.

Wegen der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen in der vergangenen Legislaturperiode, der Flüchtlingshilfen und der demografiebedingt deutlich steigenden Sozialausgaben erscheine die Finanzlage des Bundes mittelfristig gar nicht mehr so rosig, warnt der Bericht: "Mit Blick auf die flüchtlingsbezogenen Aufwendungen sowie die Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen mit großzügigen finanziellen Zugeständnissen des Bundes erscheinen seine Handlungsspielräume weitgehend ausgereizt."

Dieselbesteuerung kritisch überprüfen

Da bei den Ausgaben wegen der vielen Rechtsansprüche der Leistungsempfänger wenig zu sparen sei, raten die Rechnungsprüfer jeder neuen Regierung, Subventionen und Steuervergünstigungen in den Blick zu nehmen, deren gesamtgesellschaftlicher Sinn sich nicht mehr erschließe. Dies gelte vor allem für gesundheits- und umweltschädliche Steuervergünstigungen wie den geringeren Mineralöl-Steuersatz für Diesel-Kraftstoff gegenüber Benzin.

Allein 2015 habe der Fiskus durch die vergünstigte Dieselbesteuerung acht Milliarden Euro weniger Mineralölsteuer und 1,5 Milliarden Euro weniger Umsatzsteuer eingenommen. Das Bundesfinanzministerium sehe keine Notwendigkeit für Änderungen und habe darauf hingewiesen, dass Diesel-Fahrer zum Ausgleich eine höhere Kfz-Steuer zahlen müssten.

 Ein Diesel-Auspuff. Der Bundesrechnungshof sieht die Steuerbegünstigungen für den Diesel kritisch (Symbolbild).

Ein Diesel-Auspuff. Der Bundesrechnungshof sieht die Steuerbegünstigungen für den Diesel kritisch (Symbolbild).

Foto: dpa

Im Gegensatz zum Ministerium sieht der Bundesrechnungshof Handlungsbedarf: Er hält es "unter finanzwirtschaftlichen, steuersystematischen, ökologischen und gesundheitspolitischen Gesichtspunkten für überlegenswert, die Besteuerung des Dieselkraftstoffs einer kritischen Überprüfung zu unterziehen".

Ähnlich urteilen sie über klimaschädliche Vergünstigungen für energieintensive Betriebe: "Von den 20 größten Steuervergünstigungen des Bundes in einem Volumen von 14,3 Milliarden Euro (2018) entfallen mit 7,3 Milliarden Euro mehr als die Hälfte auf die Stromsteuer und die Energiesteuer (früher: Mineralölsteuer)." Auch die steuerliche Vergünstigung von Firmenwagen verursache Mindereinnahmen von 3,5 bis 5,5 Milliarden Euro pro Jahr, die der BRH als ungerechtfertigt ansieht.

FDP trägt Mitschuld an gescheitertem Soli-Abbau

Doch auch die Steuerermäßigungen für haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen erreichten mit 2,5 Milliarden Euro 2018 ein verzichtbares Volumen. "Angesichts erheblicher Mitnahmeeffekte, Doppelförderungen und einer weitgehend ungeprüften Leistungsgewährung hat der BRH wiederholt eine Abschaffung dieser Steuerermäßigung oder zumindest die Einführung eines Sockelbetrags empfohlen", heißt es im Bericht.

 Der Soli-Abbau war für die FDP und ihren Vorsitzenden Christian Lindner eine der Bedingungen für eine Jamaika-Koalition.

Der Soli-Abbau war für die FDP und ihren Vorsitzenden Christian Lindner eine der Bedingungen für eine Jamaika-Koalition.

Foto: dpa, bvj exa

Ebenso monieren die Rechnungshofer, dass keine Regierung den Mut findet, die Liste der Produkte mit dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent kritisch zu überprüfen. Hier wäre das Konsolidierungspotenzial erheblich, selbst wenn man bei Kürzungen soziale Ausgleichsmaßnahmen vorsehen müsste: "Die Größenordnung der Steuermindereinnahmen aufgrund des ermäßigten Umsatzsteuersatzes liegt bei 30,6 Milliarden Euro", heißt es.

In den gescheiterten Jamaika-Verhandlungen hatten FDP und Grüne jeweils unterschiedliche Subventionsabbau-Maßnahmen gefordert, konnten sich damit gegen die Union aber nicht durchsetzen. Die FDP konzentrierte sich auf den ermäßigten Mehrwertsteuersatz und anderes, die Grünen auf klimaschädliche Vergünstigungen. Auch das Umweltbundesamt hatte zuvor klima- und umweltschädliche Subventionen von insgesamt über 50 Milliarden Euro pro Jahr aufgelistet.

Auch die FDP wollte Steuervergünstigungen etwa für die energieintensive Industrie, für Diesel, Firmenwagen oder Luftfahrt keinesfalls anfassen. Insofern tragen die Liberalen auch selbst Mitschuld daran, dass für den kompletten Soli-Abbau nicht genügend Spielraum war.

(mar)
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