Guttenberg-Kommission "Sorgfaltswidrigkeit als bewusster Arbeitsstil"

Bayreuth (RPO). Die Universität Bayreuth hat den Abschlussbericht der sogenannten Guttenberg-Kommission ins Internet gestellt. Auch wenn die Ergebnisse in Teilen bereits seit Tagen bekannt sind, macht der Bericht noch einmal das Ausmaß des Plagiats deutlich. Und der Ex-Minister selbst muss fürchten, dass die Demütigung nicht die letzte sein könnte. Denn dem Franken droht noch ein Nachspiel vor Gericht.

Pressestimmen zum Guttenberg-Rücktritt
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Foto: dapd

Schon der Titel ist wuchtig: "Bericht an die Hochschulleitung der Universität Bayreuth aus Anlass der Untersuchung des Verdachts wissenschaftlichen Fehlverhaltens von Herrn Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg". Das 83-seitige Dokument zählt in wissenschaftlich akkurater Sprache die Verfehlungen des Freiherrn und CSU-Politikers auf. Exemplarisch kritisieren die Autoren den Umgang mit Texten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags. Das Urteil fällt vernichtend aus.

"(…)In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, dass Herr Frhr. zu Guttenberg darauf verweist, die Ausarbeitungen des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages seien für Vorträge im Rahmen des Abgeordnetenmandats verwendet worden, so dass der Eindruck entsteht, hier würden eigene Vortragstexte in der Dissertation verarbeitet. Der Buchtext lässt keine eigenständige Bearbeitung der Gegenstände der Ausarbeitungen des Wissenschaftlichen Dienstes erkennen, sondern nur eine weitgehend wörtliche Übernahme der fremden Texte."

Guttenbergs mehrmals vorgebrachtes Argument, es handele sich um bedauernswerte Pannen und Flüchtigkeitsfehler, die auf seine hohe Arbeitsbelastung zurückzuführen seien, will die Kommission nicht gelten lassen. Im Bericht liest sich das dann so:

"Herr Frhr. zu Guttenberg hat auch vorsätzlich gehandelt, also die Falschangaben bewusst getätigt bzw. sich die Autorschaft "angemaßt", was bewusstes Vorgehen voraussetzt. Die Kommission geht in Anlehnung an die allgemein anerkannte Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zu Promotionsangelegenheiten davon aus, dass sich der Täuschungsvorsatz aus der Quantität und Qualität der objektiven Verstöße gegen die Standards guter wissenschaftlicher Praxis, also aus objektiven Indizien, herleiten lässt." (…)

Für die Universität liegt der Fall glasklar. Guttenberg wurde unter anderem zum Verhängnis, dass er übernommene Texte teilweise leicht verändert hat.

"Weitere Indizien sind Umformulierungen des Textes, die Umstellung der Syntax, die Verwendung von Synonymen sowie einzelne Auslassungen; auch sie deuten auf den Willen des Doktoranden hin, die Übernahme fremder Texte zu verschleiern. Die Aufnahme einer Publikation allein in das Literaturverzeichnis ändert daran nichts."

Guttenberg schilderte dem Bericht zufolge gegenüber der Kommission, wie er den vielfachen Belastungen durch seinen Beruf als Bundestagsabgeordneter, als junger Familienvater und als Doktorand nicht stand gehalten habe. Er habe eine "ungeordnete Arbeitsweise" mit "gelegentlich chaotischen Zügen" gezeigt, zugleich aber auch den Druck verspürt, seine Promotion fertig stellen zu müssen. Er habe dabei nicht die Kraft gehabt, das Projekt aufzugeben. "Ich wollte mir eine Schwäche nicht eingestehen", hieß es in der Stellungnahme Guttenbergs.

Die Kommission will dieses Argument nicht gelten lassen:

"Die Kommission vermag nicht nachzuvollziehen, dass jemand, der über Jahre Quellen für seine Dissertation bearbeitet, derart in einen Zustand der Dauervergesslichkeit gerät, dass ihm die allerorten in seiner Arbeit nachweisbaren Falschangaben vollständig aus dem Bewusstsein geraten."

Das Fazit der Experten fällt entsprechend vernichtend aus:

"Wer jahrelang akzeptiert, dass er Sorgfaltsstandards nicht einhält, handelt nicht fahrlässig, sondern vorsätzlich, weil er die Sorgfaltswidrigkeit zum bewussten Arbeitsstil erhebt."

Auch der letzte Satz dieses Teils ist eindeutig:

Nach alledem steht für die Kommission ein vorsätzliches wissenschaftliches Fehlverhalten von Herrn Frhr. zu Guttenberg außer Frage.

Guttenberg selbst schweigt und lässt seit Wochen nur seine Anwälte sprechen. Zuletzt wandte er sich auf seiner Facebook-Seite an seine Hunderttausende von Fans. "Danke — ich werde mich melden", lauteten am 22. März dort seine bislang letzten Worte. Jetzt droht dem Ex-Minister ein juristisches Nachspiel. Ein erstes Plagiatsopfer hatte bereits Strafantrag gestellt. Rechtsexperten halten nun sogar eine Anklage für möglich.

Der frühere CSU-Generalsekretär Thomas Goppel rechnet nicht mit einem politischen Comeback des Freiherrn. In einer solchen Situation ziehe man sich wohl "am besten aus der Szene zurück", sagte Goppel am Mittwoch dem "Deutschlandfunk".

(csi/top)
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