Bundeshaushalt Sozialausgaben reißen Rekordloch

Düsseldorf/Berlin (RPO). Der Bund wird 2010 einen neuen Schuldenrekord aufstellen. Finanzminister Wolfgang Schäuble muss sich an den Finanzmärkten 80,2 Milliarden Euro pumpen. Das sind 5,6 Milliarden Euro weniger als ursprünglich geplant. Doch bis jetzt macht der Bund keine Anstalten, den Rotstift anzusetzen. Ganz im Gegenteil: Die Sozialkassen bekommen eine Milliardenspritze.

Der Bundeshaushalt 2010
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Foto: ddp

80.200.000.000 Euro - diese gewaltige Summe muss sich der Bund im laufenden Jahr an den Kapitalmärkten leihen. Die leichte wirtschaftliche Erholung kommt Finanzminister Wolfgang Schäuble bei der Planung für den Haushalt 2010 zu Gute: Ursprünglich waren Schulden in Höhe von 85,8 Milliarden Euro geplant, nun werden es 5,6 Milliarden Euro weniger. "Wir fahren mit der Neuverschuldung einen gefährlichen Kurs", warnte Reiner Holznagel, Geschäftsführer des Bundes der Steuerzahler, im Gespräch mit unserer Redaktion.

Zuvor hatte die Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses bis in die Nacht gedauert, ehe die Eckpunkte des Bundeshaushalts für das laufende Jahr feststanden. "Mit diesem Etat für das Jahr 2010 haben wir eine gute Wegmarke vorlegen können", sagte der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Norbert Barthle. Sein FDP-Kollege Otto Fricke sprach von 320 Kürzungen, die kurzfristig auf den Weg gebracht wurden.

Der Bund der Steuerzahler sieht das ganz anders: "Dabei handelt es sich nicht wirklich um Kürzungen. Das ist keine seriöse Haushaltsführung." Von dem vor der Wahl bekundeten Sparwillen sei speziell bei der FDP nichts mehr übrig, sagte Holznagel, der eine Rückkehr zum Konsolidierungskurs forderte.

Ganz im Gegenteil: Der vorliegende Haushaltsentwurf sieht eine Ausgabensteigerung von 9,3 Prozent vor. Vor allem die Sozialversicherungen müssen mit staatlichen Milliardenzuschüssen über Wasser gehalten werden. Hierfür passierte ein entsprechendes Gesetz mit den Stimmen der Regierungskoalition den Bundestag am Freitag. Der eigentliche Haushalt soll noch im laufenden Monat durch das Parlament gebracht werden.

Bei den Sozialversicherungen besteht großer Handlungsbedarf. Dieser Posten macht zugleich mehr als die Hälfte des Haushaltsvolumens aus. Die steigende Arbeitslosigkeit und die Kurzarbeit belasten die Sozialkassen. Allein die Bundesagentur für Arbeit, vor der Krise noch mit Milliardenrücklagen, erwartet ein Defizit in Höhe von 12,8 Milliarden Euro in 2010. Diese Lücke soll durch einen Zuschuss durch den Bund gedeckt werden. Die defizitären Krankenkassen erhalten insgesamt 15,7 Milliarden Euro - den Rest holen sie sich über Zusatzbeiträge direkt vom Beitragszahler.

Die demografische Entwicklung hinterlässt die größten Spuren. 80,8 Milliarden Euro muss der Bund zur Rentenversicherung zuschießen. Der Anteil steigt auf 24,6 Prozent des Haushaltsvolumens - ein Ende ist vorerst nicht in Sicht. 1984 wurden gerade 13 Prozent des Budgets an die Rentenkasse überwiesen. Die Grundsicherung für Arbeitsssuchende kostet den Bund 38,7 Milliarden Euro. Dabei fallen allein 24,3 Milliarden Euro auf das ALG II, besser bekannt als Hartz IV.

Der zweitgrößte Posten im Etat sind Zinszahlungen für die Schulden des Bundes. Hier wird deutlich, in welch ungesundem Umfang sich der Staat verschuldet hat. Rund 38,9 Milliarden Euro müssen nur zur Bedienung der Zinsen aufgebracht werden - die Regierung hatte noch 40,43 Milliarden Euro angesetzt. Insgesamt drückt den Staat (inkl. Länder und Kommunen) nach Angaben des Bundes der Steuerzahler einer Schuldenlast von 1,68 Billionen Euro. Weitere große Posten: Verkehr, Bau und Wohnen (26,3 Mrd. Euro); Verteidigung (31,1 Mrd. Euro) sowie Forschung und Bildung (10,3 Mrd. Euro).

Den bisherigen Rekord in puncto Neuverschuldung hatte 1996 der damalige CSU-Finanzminister Theo Waigel mit gut 40 Milliarden Euro Nettokreditaufnahme aufgestellt. Um die neue Schuldenbremse einzuhalten, die ab 2016 greift, muss der Bund nach Angaben Schäubles sein Defizit um jährlich zehn Milliarden senken.

Konkrete Maßnahmen zur Eindämmung des Defizits sind erst nach den wichtigen Landtagswahlen in NRW am 09. Mai zu erwarten. Fest steht: Den Bürgern stehen in 2011 schmerzhafte Einschnitte bevor. "Wir sind noch nicht über den Berg", warnte Barthle.

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