Bürgerschaftswahl SPD — Bremer Dauer-Sieger

Bremen (RP). Die Bremer haben das getan, was sie seit mehr als sechs Jahrzehnten alle vier Jahre tun: die SPD zur stärksten Partei gemacht. Die Sozialdemokraten feierten ihren klaren Wahlsieg euphorisch, ebenso wie die Grünen. Bei CDU und FDP hieß dagegen die Devise: Land unter.

Wahl in Bremen: FDP elend, Grüne euphorisch
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Wahl in Bremen: FDP elend, Grüne euphorisch

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Auf dem Bremer Marktplatz, gegenüber dem Rathaus, steht der "Schütting", das im 16. Jahrhundert errichtete Haus der Handelskammer mit dem goldenen Stuckarbeiten und dem legendären Spruch am spätgotischen Giebel: "Buten un binnen. Wagen un winnen". Hochdeutsch: "Draußen und daheim. Wagen und gewinnen".

Zwischen dem Resultat der Bürgerschaftswahl und dem zugleich heimattreu und weltmännisch klingenden Slogan altbremischer Kaufmanns-Gesinnung besteht anscheinend ein Widerspruch. Denn wieder haben die Bremer "binnen", zu Hause, nichts gewagt, vielmehr nach alter Gewohnheit das getan, was sie seit mehr als sechs Jahrzehnten alle vier Jahre tun: die SPD zur stärksten Partei bestimmt.

Schon bei der letzten Wahl 2007 hatte Bürgermeister Jens Böhrnsen (61) von dieser parteipolitischen Tradition profitiert. Nach vier Jahren Gewinn an Statur und Beliebtheit gingen Böhrnsen und seine SPD als erste durchs Ziel, zum Verdruss der bremischen Verliererpartei CDU mit der chancenlosen Apothekerin Rita Mohr-Lüllmann als Spitzenkandidatin. Ein mittelamerikanischer Straßenmusikus schien den bremischen Christdemokraten am Eingang zum Touristenmagnet Böttcherstraße den passenden Song spielen zu wollen: das elegische Beatles-Lied "Let It Be".

Der CDU-Mann schweigt lieber

Es einfach geschehen zu lassen, in Bremen künftig aufzugeben? "Nein, das wollen wir nicht", sagte in der CDU-Zentrale ein trauriger, dennoch trotzig wirkender Christdemokrat: "Naja, dann muss es die Rita in vier Jahren wieder probieren." "Die Rita", also Mohr-Lüllmann, gratulierte bereits fünf Minuten nach 18 Uhr Rot-Grün. Es habe keine Wechselstimmung in der Stadt geherrscht, befand die Verliererin und sagte dann, was man sagt, wenn einem eigentlich gar nicht nach Sprechen zumute ist: "Wir müssen das Votum der Wähler respektieren."

CDU-Fraktionsvize Jörg Kastendiek nannte die Unions-Spitzenfrau auffallend emotionslos eine gute Kandidatin, die gut gekämpft habe. Als man Kastendiek vorhielt, dass die bremische Union bei ihrem politischen Leib- und Magenthema Wirtschaft im Urteil der Wähler um 13 Prozentpunkte gegenüber 2007 eingebrochen sei, schüttelte der Fraktionsvize irritiert den Kopf und schwieg betroffen.

Erstmals Käsebrötchen

SPD-Fraktionschef Björn Tschöpe mochte sich bei aller Freude einen Seitenhieb Richtung Berlin nicht verkneifen: "Tolles Ergebnis für uns, wenn man sich den Zustand der SPD im Bund anschaut." Der alte und künftige Bürgermeister Böhrnsen trat seriös wie stets vor seine freudetrunkenen "lieben Genossinnen und Genossen": anthrazitfarbener Anzug, weißes Hemd, violett-dominierte Streifenkrawatte — den Schulden-Rekordhalter unter den Länderchefs hätte man so auch für den Leiter der Kreditabteilung der Bremer Bank hinterm Rathaus halten können.

Böhrnsen und seine SPD hatten das Gute des Abends frühzeitig kommen sehen und ein ganzes Lokal in der Böttcherstraße reservieren lassen: das historische "Flett", mittlerweile eine "Ständige Vertretung des Rheinlands in Bremen". Vor dem Eingang hatte man ein Schild aufgestellt. Darauf stand geschrieben: "Echt Bremen — SPD". Hochstimmung im Lokal, schon vor der ersten Prognose.
Kölsch wurde ausgeschenkt, das Angebot "Maischolle mit Butterkartoffeln" zu 11,90 Euro fand später am Wahlabend reichlich Akzeptanz. Erstmal gab's Käse- und Mettbrötchen.

Die FDP sorgt für die Untertreibung des Abends

Die bremische SPD war weit entfernt von glorreichen Zeiten mit 50 und mehr Prozent bei einer Bürgerschaftswahl; was zählte, war Platz eins und die Gewissheit, wieder Bürgermeister und Senatspräsidenten stellen zu können. Jemand sagte eine Minute nach 18 Uhr, er glaube den guten Prognosen nicht recht. Ein Nachbar hieb ihm auf die Schultern: "Gustav, freu' dich, läuft alles prima."

Bei den Grünen hörte man Stakkato-Rufe "Karo, Karo". Gemeint war die Spitzenkandidatin Karoline Linnert, die seit vier Jahren das unangenehme Finanzressort führt. Linnert, eine Frau und Mutter in den Fünfzigern und studierte Psychologin, war weit davon entfernt, auszuflippen vor Begeisterung. Das Grünen-Resultat sei ein riesiger Vertrauensbeweis: "Wir wollen uns ganz doll anstrengen und in den kommenden vier Regierungsjahren niemanden enttäuschen." Grünen-Vorstandsmitglied Susan Ella-Mittrenga war euphorischer: "Platz zwei vor der CDU, toll. Heute ist Party angesagt." Linnerts Parteifreund, der Umwelt- und Bauminister Reinhard Loske, deutete an, dass man in den Koalitionsgesprächen mit der SPD auf drei statt zwei Ressorts setzen könnte.

Der schwer geschlagene FDP-Spitzenmann Oliver Möllenstädt wiederholte immer wieder ein Wort: "Schade" — eine Untertreibung des Wahlabends, denn die Liberalen kommen nicht zurück in die neue Bürgerschaft. Fraktionsvize Torsten Staffelt blieb nichts anderes übrig, als seufzend festzustellen, die Liberalen würden aber doch dringend gebraucht in Bremen — als einzige unter lauter sozialdemokratisierten Parteien.

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