Debatte um "Wahlwoche" statt "Wahltag" SPD findet Fahimi-Vorschlag "goldrichtig" - CSU nennt ihn "Unsinn"

Berlin · Die Vorschläge von SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi für eine Reform des Wahlverfahrens in Deutschland stoßen beim Koalitionspartner CSU auf strikte Ablehnung. Auch Grüne und Linke äußerten sich skeptisch.

Bundestagswahl 2021: Politik-Lexikon von A bis Z - alle Begriffe
Infos

Das Lexikon zur Bundestagswahl 2021

Infos
Foto: dpa, Julian Stratenschulte

"Etwas Praxisfernes und Manipulationsanfälliges werden wir in unserer funktionierenden Demokratie nicht zulassen", sagte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer der "Welt am Sonntag". Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner sprach hingegen von einer "goldrichtigen Initiative".

Fahimi will als Mittel gegen sinkende Wahlbeteiligung den klassischen Wahlsonntag abschaffen und eine ganze Wahlwoche wie in Schweden einführen. Ebenso sollten Stimmkabinen auch an öffentlichen Orten wie vor Supermärkten oder Postämtern aufgestellt und die Wahlperiode des Bundestages von vier auf fünf Jahre ausgedehnt werden.

Stegner sagte: "Es kann keine Partei kalt lassen, wenn manches Mal die Hälfte der Bürger nicht zur Wahl geht." Natürlich müsse sich die Politik auch an die eigene Nase fassen. Die Parteien müssten inhaltliche Unterschiede erkenntlich machen und Entscheidungen transparenter gestalten. Stegner: "Der Blick über den Tellerrand zeigt, dass es Länder mit höherer Wahlbeteiligung gibt. Warum sollen wir von unseren europäischen Partnern nicht lernen?"

Die CSU-Landesgruppenchefin im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, sagte dagegen: "Mit der Briefwahl könnten die Menschen schon heute am heimischen Küchentisch ihre Bürgerpflicht erfüllen. Näher am Wähler geht nicht." Wer die Möglichkeit der Briefwahl nicht wahrnehme, gehe auch nirgendwo anders hin, sagte Hasselfeldt der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Samstag).

SPD-Vize Stegner hielt dagegen: "Eine geringe Wahlbeteiligung stärkt vor allem rechtspopulistische und extreme Parteien." Deshalb müssten alle demokratischen Parteien ein Interesse an einer höheren Beteiligung haben. "Politiker aller Parteien sollten sich überlegen, welche Vorschläge sie in die Debatte einbringen können, statt jeden Vorschlag pauschal abzulehnen."

Niedrige Wahlbeteiligungen

Sorge hatte zuletzt die mit 52,7 Prozent extrem niedrige Beteiligung bei der Landtagswahl in Thüringen im September ausgelöst. An der Landtagswahl 2013 in Bayern hatten sich 63,9 Prozent der Bürger beteiligt, fünf Jahre zuvor waren es aber auch nur 57,9 Prozent. Bei der Bundestagswahl im Herbst 2013 lag in Bayern die Wahlbeteiligung mit 70,2 Prozent etwas niedriger als im Bundesschnitt (71,5 Prozent).

Grünen-Chefin Simone Peter äußerte sich zum Fahimi-Vorstoß skeptisch. Generell beteiligten sich die Grünen gern an Diskussionen darüber, wie Wahlbeteiligung erhöht werden könne, sagte sie der Zeitung "Die Welt". "Aber die schwindende Wahlbeteiligung muss man auch an der Wurzel bekämpfen." Dazu seien wieder mehr ehrliche Diskurse und glaubwürdige Politik nötig.

Peter verwies auf die Vorschläge der Grünen zur Ankurbelung der Wahlbeteiligung, zum Beispiel eine Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre sowie mehr direkte Demokratie und Bürgerbeteiligung. Auch die Linke sieht zunächst die Politik in der Pflicht. "Die Ursache für die Wahlmüdigkeit sehe ich weniger im Wahlgesetz als vielmehr in der Politik der Bundesregierungen", sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der Linksfraktion im Bundestag, Petra Sitte, der "Passauer Neuen Presse".

Fahimi hatte ihren Vorschlag bereits Anfang September nach einer Sitzung der SPD-Spitze öffentlich gemacht, damals ohne das ganz große Echo. Eine SPD-Arbeitsgruppe soll bis zum Frühjahr ein konkretes Konzept ausarbeiten, das die SPD-Generalsekretärin dann mit ihren Amtskollegen aus den anderen Parteien erörtern will.

(dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort