Erste Hochrechnung aus Hamburg SPD klarer Sieger - CDU erleidet historische Schlappe

Hamburg · Die SPD kann jubeln: Aus der Hamburger Bürgerschaftswahl ist die Partei nach der ersten Hochrechnung als klarer Sieger hervorgegangen, während die CDU auf ein historisches Tief abrutscht. FDP und AfD schaffen höchstwahrscheinlich den Einzug ins Parlament.

2015: Hamburg wählt eine neue Bürgerschaft
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2015: Hamburg wählt Scholz und die SPD

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Foto: dpa, soe

Die SPD braucht aber voraussichtlich einen Koalitionspartner. Laut den Hochrechnungen von ARD und ZDF (21.15 Uhr) lag die SPD mit 45,9 bis 46,0 Prozent unter ihrem Ergebnis der Bürgerschaftswahl von 2011 (48,4 Prozent). Die CDU setzte ihren Abwärtstrend fort und schnitt mit 15,9 bis 16 Prozent (2011: 21,9) so schlecht wie nie in Hamburg ab. Die Grünen bestätigten mit 12,0 bis 12,2 Prozent in etwa ihr altes Wahlergebnis (11,2). Die Linkspartei legte deutlich zu und erreichte 8,5 Prozent (6,4). Die FDP lag bei 7,3 bis 7,5 Prozent (6,7). Der Partei gelang damit erstmals seit September 2013 wieder der Verbleib in einem Landesparlament. Die erst 2013 gegründete AfD schaffte nach den Erfolgen bei der Europawahl sowie drei ostdeutschen Wahlen auch in Hamburg 6,1 Prozent.

Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz hat nach seinem Wahlsieg Kontinuität in der Regierungsarbeit angekündigt. "Hamburg wird auch in den nächsten Jahren eine verlässlich regierte Stadt sein, eine sozialdemokratisch regierte Stadt", sagte er vor den SPD-Anhängern bei der Wahlparty der Partei. Die SPD habe verlässlich regiert und ihre Versprechungen eingehalten. Es gelte nun alles, was er vor der Wahl gesagt habe. "Wir werden niemanden enttäuschen." SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi lobte die "kluge Politik" von Scholz und sagte: "Das ist wirklich ein beeindruckendes Wahlergebnis."

SPD-Chef Sigmar Gabriel hat Scholz zum Wahlerfolg gratuliert und ihm eine hervorragende Arbeit attestiert. "Das ist ein wirklich überragendes Ergebnis. Olaf Scholz hat einen einmaligen Vertrauensbeweis für seine Politik und die SPD bekommen", sagte Gabriel am Sonntagabend in Berlin. "Manchmal wünschte man sich in der Politik, dass sich Leistung lohnt, und in Hamburg ist das so."

Die CDU setzte unter Spitzenkandidat Dietrich Wersich ihren Abwärtstrend fort und schnitt mit 16 Prozent (2011: 21,9) so schlecht wie nie in Hamburg ab. Bundesweit ist es ihr schwächstes Landesergebnis seit 1959 - den Zeiten von Kanzler Konrad Adenauer. Wersich hat das schlechte Abschneiden seiner Partei als "herbe Enttäuschung" bezeichnet. "Wir haben die Ziele, die wir als Union in dieser Stadt uns gesetzt haben, nicht erreicht", sagte er am Sonntagabend. "Das war ein großer Kampf und es ist schade und traurig, dass der nicht belohnt wurde." "Das ist kein schönes Ergebnis. Nun war es aber das Ergebnis einer einzelnen Großstadt - nicht mehr und nicht weniger." Das sagte der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer.

Die Grünen bestätigten mit 11,5 bis 12 Prozent in etwa ihr altes Wahlergebnis (11,2). Sie hatten ebenso wie Scholz im Wahlkampf für eine Neuauflage der bis 2001 regierenden rot-grünen Koalition geworben - falls er denn überhaupt einen Partner bräuchte. Die Grünen haben allerdings harte Verhandlungen angekündigt, falls sie in eine Koalitionsregierung mit der SPD eintreten sollten. "Wir sind eine Programmpartei; wir werden hart verhandeln und sind dann zuverlässige Partner", sagte Jens Kerstan, einer der beiden Grünen-Spitzenkandidaten am Sonntagabend.

Die Linkspartei legte deutlich zu und erreichte 8,5 bis 9 Prozent (6,4). Die Linken-Vorsitzende Katja Kipping sieht im guten Abschneiden ihrer Partei eine inhaltliche Anerkennung. Die Programmatik der Linken sei eindeutig bestätigt worden, sagte Kipping am Sonntag. Das Ergebnis habe gezeigt: "Die Linke kann im Westen zulegen", sagte Kipping.

Die FDP ist wieder da

Die FDP, die auf ein Ende ihrer langen Serie von Niederlagen setzte, lag am frühen Abend bei 7 bis 7,5 Prozent (6,7). Die Partei von Spitzenkandidatin Katja Suding schaffte erstmals seit September 2013 wieder den Verbleib in einem Landesparlament. Suding hat das Abschneiden ihrer Partei als "sensationell" bezeichnet. "Ich bin wirklich stolz auf meine Partei, und wir sehen, was man erreichen kann, wenn man wirklich zusammen kämpft", sagte sie am Sonntagabend in Hamburg.

Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner ist mit dem Abschneiden seiner Partei hoch zufrieden. "Dieses Ergebnis hat für die FDP insgesamt eine enorme Bedeutung", sagte Lindner am Sonntag in der ARD. "Ich bin stolz auf das neue Teamwork der FDP." Das Angebot erneuerter Freier Demokraten habe das erste Mal zur Wahl gestanden und sei hervorragend bestätigt worden. "Die Freude und die Erleichterung sind groß, aber wir bleiben auf dem Teppich, denn morgen muss weiter hart gearbeitet werden."

Der stellvertretende Bundesvorsitzende der Liberalen, Wolfgang Kubicki, sieht "die FDP wieder zurück im politischen Spiel". Gegenüber der "Leipziger Volkszeitung" sagte Kubicki: "Die Querulanten sind weg. Jetzt müssen wir uns des neuen Vertrauens würdig erweisen, dann gewinnen wir auch bundesweit."

Die erst 2013 gegründete AfD erlitt nach den Erfolgen bei der Europawahl sowie drei ostdeutschen Wahlen ihren ersten Dämpfer und zog mit 5,2 bis 5,5 Prozent wenn überhaupt nur knapp in die Bürgerschaft ein. Der Hamburger AfD-Spitzenkandidat Jörn Kruse hat in die ersten Wahlprognosen für seine Partei mit großer Zufriedenheit aufgenommen. "Ich bin froh, dass wir in die Bürgerschaft eingezogen sind", sagte der AfD-Landesvorsitzende am Sonntagabend. "Ich bin zuversichtlich, dass nachher die Auszählungen das bestätigen werden, was die Prognose sagt." Kruse zeigte sich überzeugt: "Wir werden jetzt in den nächsten Ländern auch in die Landtage einziehen, angefangen bei Bremen."

Die eurokritische Partei hatte im Wahlkampf vor allem auf eine latente Unzufriedenheit in Teilen der Bevölkerung gesetzt - und auf die Prominenz zweier Hanseaten: ihres Bundesvorsitzenden Bernd Lucke sowie des Europaabgeordneten und Ex-BDI-Präsidenten Hans-Olaf Henkel. Der sieht im Ergebnis der Bürgerschaftswahl in Hamburg ein Signal auch für andere Bundesländer. "Wenn wir den Einzug in die Bürgerschaft schaffen, schaffen wir es überall in Deutschland", sagte der AfD-Europaabgeordnete und Ex-BDI-Präsident am Sonntag im ZDF. Seine Partei sei konservativ und liberal.

Bliebe es bei diesem Ergebnis, ergäbe sich folgende Sitzverteilung: SPD: 59, CDU 20; Grüne 15, Linke 11, FDP 9 und AfD 7. Die absolute Mehrheit liegt bei 61 Sitzen - der SPD fehlen demnach 2 Mandate für eine Fortsetzung ihrer Alleinregierung.

Den Oppositionsparteien insgesamt war es im Wahlkampf nicht gelungen, sich vom beliebten Bürgermeister Scholz abzusetzen und mit polarisierenden Themen zu punkten.

Scholz wird wichtiger

Mit seinem erneuten Wahlsieg gewinnt Scholz auf der SPD-Bundesebene noch stärkeres Gewicht - selbst wenn er in Hamburg einen Partner brauchen sollte: Im Parteivorstand kann niemand sonst zwei derart klare Wahlerfolge vorweisen. In der Partei herrscht angesichts der schwachen Umfragewerte um 25 Prozent unter dem Vorsitzenden Sigmar Gabriel die Sorge, bei der Bundestagswahl 2017 erneut zu unterliegen.

Für die Landes-CDU setzt sich der Abwärtstrend fort, der mit dem Abschied von Ole von Beust und dem Scheitern der schwarz-grünen Koalition (2008-2011) begonnen hatte. Obwohl Merkels Partei auf Bundesebene in Umfragen weiter deutlich führt, laufen ihr in den Großstädten seit Jahren die Wähler davon.

Große Streitthemen gab es im Wahlkampf kaum - abgesehen von der Verkehrspolitik des SPD-Senats. Konkret ging es um ein Busbeschleunigungsprogramm sowie die Frage, ob eine neue teure U-Bahn oder eine günstigere Stadtbahn gebaut werden soll.

Wahlberechtigt waren rund 1,3 Millionen Hamburger, darunter erstmals auch 16- und 17-Jährige. Die Legislaturperiode dauert nun - wie fast überall - fünf statt vier Jahre. Wegen des komplizierten Wahlrechts mit zahlreichen Kombinationsmöglichkeiten wurden am Sonntagabend zunächst nur die Zweitstimmen ausgezählt und die Sitzverteilung ermittelt - das Erststimmen-Ergebnis wird am Montag verkündet.

(dpa)
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