Wolfsburg SPD-Konvent gibt grünes Licht für Ceta-Abkommen

Berlin/Wolfsburg · Rund 200 Delegierte haben beim SPD-Konvent in Wolfsburg Parteichef Sigmar Gabriel unterstützt, um das Freihandelsabkommen mit Kanada auf den Weg zu bringen. Komfortabel fiel die Mehrheit mit geschätzten zwei Drittel der Stimmen nicht aus. Dennoch darf sich Gabriel nun gestärkt fühlen.

 Sigmar Gabriel hat die Partei beim Thema Ceta hinter sich gebracht.

Sigmar Gabriel hat die Partei beim Thema Ceta hinter sich gebracht.

Foto: ap

Der Star an diesem grauen Montag in der niedersächsischen Autometropole war nicht etwa Sigmar Gabriel. Natürlich, auf den SPD-Chef kam es an. Er hat sein gesamtes politisches Gewicht in diese Abstimmung über das Freihandelsabkommen der EU mit Kanada geworfen, um seine Partei dahinter zu vereinen.

Eindruck machte aber vor allem die kanadische Handelsministerin Chrystia Freeland mit ihrer Rede. Sie, die frühere Journalistin, Buchautorin ("Die Superreichen") und Globalisierungsskeptikerin, kämpfte am Mikrofon 30 Minuten lang vehement für das Freihandelsabkommen. Die Delegierten waren baff. Eine solche Ansprache hatten sie nicht erwartet, glaubwürdig, persönlich, klug, hieß es hinterher. Sigmar Gabriel bekam bei seiner ersten Rede am Vormittag im Vergleich nur mäßigen Applaus, hieß es von Teilnehmern des nicht-öffentlichen Konvents.

Ob es aber am Ende wirklich an Freeland lag, dass die Delegierten mit einem respektablen aber wenig glorreichen Ergebnis von geschätzt rund zwei Drittel der Stimmen dem Leitantrag der Parteispitze folgten, darf bezweifelt werden. Zu festgefahren waren die Fronten, um sich von einer einzelnen Rede umstimmen zu lassen. Wesentliche Teile der SPD-Linken, Landesverbände wie Berlin und Bayern und die Jusos lehnen Ceta weiter ab, fordern harte Korrekturen, teils weitere Verhandlungen.

Die Jusos brachten am späten Nachmittag sogar noch einen Antrag ein, dass es einen weiteren Konvent geben solle. Es nützte alles nichts, am Ende setzte sich Gabriel mit seiner Linie durch. Wohl auch deswegen, weil es ihm gelungen war, die Parteilinke zu spalten und den Chef der Parlamentarischen Linken, Matthias Miersch, hinter den Leitantrag zu bringen. In letzter Minute wurden entsprechende Passagen am Antrag geändert.

So sieht der Beschluss des Konvents nun vor, dass es vor der vorläufigen Anwendung von Teilen des Ceta-Abkommens einen "ausführlichen Anhörungsprozess" zwischen dem Europäischen Parlament, den nationalen Parlamenten und gesellschaftlichen Gruppen geben soll. Außerdem wurden einige kritische Punkte nachgeschärft, etwa beim Investitionsschutz und dem sogenannten Vorsorgeprinzip, das Produkte nur erlaubt, wenn deren Unschädlichkeit für Mensch und Umwelt nachgewiesen ist.

In dem Beschluss heißt es auch, es müsse ein Sanktionsmechanismus bei Verstößen gegen Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards entwickelt werden. Und alle Gremien, die durch Ceta neu entstünden, dürften zunächst nur eine beratende Funktion haben. Sie dürften nicht die Souveränität der Parlamente und Regierungen verletzen. Ceta selbst ist zwar seit drei Jahren ausverhandelt, es wird zu den Punkten aber zusätzliche, rechtsverbindliche Erklärungen geben. Die Befürworter versprechen sich durch das Abkommen mehr Wirtschaftswachstum, Kritiker fürchten eine Schwächung der Demokratie und eine Aushöhlung von Sozial- und Umweltstandards.

Nach dem Konvent betonte Gabriel die Bedeutung des Beschlusses für ihn als SPD-Chef und Wirtschaftsminister. Das sende die Botschaft, dass es weder eine marktkonforme Demokratie brauche, noch hohe Mauern, um sich abzuschotten. Die Globalisierung brauche Regeln, die soziale Marktwirtschaft müsse sich weltweit durchsetzen, sagte Gabriel. Und dafür sei Ceta ein "riesiger Schritt nach vorn". Doch vorher war klar: Wenn Gabriel die Abstimmung verliert, sind auch seine Tage als Parteichef gezählt. Gewinnt er, ist ihm auch die Kanzlerkandidatur nicht zu nehmen.

Ob er das nun anstrebe, kommentierte Gabriel aber denkbar knapp mit den Worten, das eine habe mit dem anderen nichts zu tun. Trotzdem, die Debatte um seine Person dürfte weitergehen. Zufriedener sind seine Kritiker jedenfalls nicht mit ihm geworden. Dafür bescheinigte ihm sein loyaler Parteifreund und Chef des Europaparlaments, Martin Schulz, den Konvent genau wie Chrystia Freeland "gerockt" zu haben.

Unterdessen begrüßten führende Wirtschaftsvertreter, dass Gabriel ein grundsätzliches Nein seiner Partei gegen das geplante Freihandelsabkommen Ceta auf dem Konvent in Wolfsburg abwenden konnte. "Ceta ist für die exportstarken deutschen Unternehmen besonders in Zeiten der schwächelnden Weltwirtschaft und eines stagnierenden Welthandels wichtig", sagte Eric Schweitzer, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), unserer Redaktion. "Denn auch wenn es unserer Wirtschaft auf den ersten Blick so gut geht wie selten, steht die Weltwirtschaft auf wackeligen Füßen", betonte Schweitzer.

Ceta biete Chancen, die Wettbewerbsfähigkeit und den Wohlstand Europas zu sichern sowie die Regeln des Welthandels mitzugestalten, anstatt anderen Playern der Weltwirtschaft dieses Feld zu überlassen. "Durch eine rasche vorläufige Inkraftsetzung könnte die Wirtschaft die Marktchancen schnell nutzen", erklärte Schweitzer. In der IHK-Organisation "wird intensiv und auch kritisch über Ceta diskutiert", sagte er. "Auch für den DIHK steht dabei fest, dass europäische Schutzniveaus erhalten bleiben müssen. Das Abkommen zwischen der EU und Kanada bietet für die deutsche Wirtschaft Vorteile durch einfachere und effizientere Regelungen im Waren- und Dienstleistungsverkehr. Auch kleine und mittelständische Unternehmen würden vom leichteren Zugang zum kanadischen Markt profitieren."

Auch der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Ulrich Grillo, hat die Zustimmung der SPD-Parteikonvents gelobt. "Die SPD sendet mit ihrer Zustimmung für Ceta ein wichtiges Signal für die Bedeutung von Freihandel", sagte er unserer Redaktion. "Sie bekräftigt damit den Gestaltungsanspruch Europas für eine bessere und faire Globalisierung, von der die Menschen in Deutschland mit am meisten profitieren dürften", sagte Grillo. "Denn Abkommen wie Ceta eröffnen deutschen Unternehmen neue Chancen, sichern Arbeitsplätze und stärken europäische Werte und Standards im Welthandel", betonte der BDI-Chef. "Die Bundesregierung sollte sich nun für eine schnelle Ratifizierung und das vorläufige Inkrafttreten des Abkommens einsetzen", forderte der Industriepräsident.

Unionsfraktionsvize Michael Fuchs forderte die SPD gleichzeitig auf, jetzt auch ihren Widerstand gegen das EU-US-Freihandelsabkommen TTIP aufzugeben. "Die SPD darf nicht nur für das moderne Handelsabkommen Ceta kämpfen, sie muss jetzt genauso auch für ein gut verhandeltes TTIP kämpfen", sagte Fuchs. "Ich appelliere an die SPD-Seite, sich in den kommenden Wochen und Monaten mit derselben Kraft und Überzeugung für ein modernes, EU-Interessen sicherndes TTIP-Abkommen mit den USA einzusetzen", sagte der CDU-Politiker.

(jd/mar)
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