SPD-Parteitag in Dortmund Martin Schulz startet den Angriff auf Angela Merkel

Der SPD-Kanzlerkandidat hat in seiner Parteitagsrede klare Kante gegen die Union gezeigt und holt sich mit Altkanzler Gerhard Schröder prominente Schützenhilfe. In letzten Umfragen rutscht die SPD aber weiter ab.

 Martin Schulz auf dem SPD-Parteitag in Dortmund.

Martin Schulz auf dem SPD-Parteitag in Dortmund.

Foto: afp

Er kann es noch. Er ist ein Kampfredner, einer, der die Menschen in seinen Bann zieht. Mit der Autorität seines früheren Amtes hat Altkanzler Gerhard Schröder den Genossen beim SPD-Bundesparteitag in Dortmund eingeheizt. "Nichts ist entschieden!", rief der auch äußerlich durchaus gealterte Schröder den 635 Delegierten und 5000 Gästen in der Westfalenhalle entgegen. Nur wer das Amt des Bundeskanzlers wirklich wolle, werde es am Ende auch bekommen, sagte Schröder. Auf dem Weg dorthin dürfe es aber keine Selbstzweifel geben. "Nicht beim Kandidaten, nicht bei Euch, nicht bei der deutschen Sozialdemokratie!", mahnte Schröder energisch.

Delegierte beschließen Programm einstimmig

Der 73-Jährige traf damit exakt den Sound, den die Partei und ihr Kanzlerkandidat Martin Schulz in ihrer desolaten Lage jetzt brauchen. Sechs Wochen nach dem Horror der verlorenen NRW-Landtagswahl haben Schulz und seine Genossen Konzepte zur Rente, zu Steuern, innerer Sicherheit und Familienpolitik vorgelegt. Mit dem Parteitag ist nun auch das Wahlprogramm einstimmig beschlossen worden. Den anfänglichen Vorwurf der fehlenden, konkreten Inhalte hat Schulz damit ausgeräumt.

Die Umfragen aber beschreiben seit Ende April einen Sinkflug der SPD, seit sich Schulz aus Rücksicht auf Hannelore Kraft und ihren Landtagswahlkampf zurückhielt. Von einst mehr als 30 Prozent auf dem Höhepunkt des Hypes um Martin Schulz sind nur noch 24 Prozent übrig. Der Abstand zur Union wuchs in einer jüngsten Emnid-Umfrage auf 15 Prozent. Was Schröder dazu sagt? "Was damals ging, das geht heute auch", sagte er in Anspielung an seine fulminante Aufholjagd im Jahr 2005, als Schröder binnen weniger Wochen mehr als 20 Prozentpunkte gegen Angela Merkel und die Union gut machte.

Wegen solcher Sätze hatte SPD-Chef Martin Schulz den Altkanzler eingeladen, obwohl der eigentlich Schulz' Vorgänger Sigmar Gabriel am liebsten im Rennen gegen Merkel gesehen hätte. Gabriel hingegen lehnte sich beim Parteitag entspannt zurück und äußerte sich im Nachgang bei Twitter: Das sei ein "großartiger Auftritt" von Schulz gewesen.

Schulz betont klare Abgrenzung zur Union

Um wieder Wind unter die Flügel zu bekommen, wollte Schulz ein Signal der Geschlossenheit vom Parteitag in die Republik senden, wollte die Genossen motivieren, die in den nächsten knapp 100 Tagen für seinen Einzug ins Kanzleramt kämpfen sollen. Mit Spannung war daher seine Rede erwartet worden: Würde es der Kandidat schaffen, der frustrierten Partei einen Ruck zu geben?

Schulz wusste, was es braucht und konzentrierte sich in seiner knapp 90 minütigen Ansprache auf eine klare Abgrenzung zur Union. Dabei ging er deutlich weiter als bisher. Der Kanzlerin warf er vor, vorsätzlich die Wahlbeteiligung zum Schaden anderer Parteien nach unten drücken zu wollen, indem sie sich zu Themen wie Rente nicht äußere. In Berliner Kreisen nenne man das vielleicht "asymmetrische Demobilisierung". "Ich nenne das einen Anschlag auf die Demokratie", schmetterte Schulz. Der Saal tobte, auf solche Brecher hatten die Delegierten gehofft - auch schon in den Wochen zuvor.

Inhaltlich hob Schulz auf die Familienpolitik ab und erinnerte an die Blockade der Union beim Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit. Er sagte, er werde keinen Koalitionsvertrag unterschreiben, in dem nicht die Ehe für alle stehe. "CDU und CSU verharren in alten Rollenbildern", rief Schulz. Er betonte, dass die SPD kostenlose Bildung von der Kita bis zur Hochschule wolle. Die SPD setzte auf Vielfalt, Toleranz, Kultur und Solidarität. "CDU und CSU treiben einen Keil in die Gesellschaft mit ihrer Angstmacherei und Leitkulturgefasel", ätzte Schulz.

Rüstung und Freiheit - starke Themen für Schulz

Die stärksten Momente hatte er jedoch bei den Themen Abrüstung, Rechtspopulismus und Europa. Während sich die Union für Aufrüstung im Sinne des Zwei-Prozent-Ziels der Nato und im Sinne des US-Präsidenten Donald Trump einsetze, warnte Schulz in seiner Rede vehement vor noch mehr Waffen. Deutschland stehe vor einer Richtungsentscheidung in Zeiten eines Umbruchs, sagte der Kanzlerkandidat. Die SPD sei immer ein Bollwerk gegen Rechtspopulismus gewesen, habe schon in den 1920er Jahren die "Vereinigten Staaten von Europa" gefordert.

Schulz spielte damit Glaubwürdigkeit aus, die er sich in den Jahren als Präsident des Europaparlaments erarbeitet hatte, etwa als er nationalistische Abgeordnete aus Griechenland des Saals verwies. Und mit fast schon gebrochener Stimme sagte er am Ende: "Für diese Idee habe ich mein ganzes Leben gekämpft." Das bleibt ihm, auch wenn es im September nicht mit den Einzug ins Kanzleramt klappen sollte. Und bis dahin dürfte sich die SPD nun Schröders letzten Satz zu Herzen nehmen: "Auf in den Kampf! Venceremos! (Wir werden siegen)", rief der letzte noch lebende Altkanzler.

(jdre)
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