An Bord der "MS Havel Queen" SPD-Rechte spekulieren bei Spargel über Staatsämter

Berlin · Die traditionelle Spargelfahrt des konservativen Seeheimer Kreises auf dem Wannsee kannte in diesem Jahr nur ein Thema: Die Kandidatensuche der SPD für die höchsten Ämter im Staat, Bundespräsident und Bundeskanzler. Entscheidende Protagonisten fehlten aber an Bord der "MS Havel Queen".

 Johannes Kahrs mit Sigmar Gabriel.

Johannes Kahrs mit Sigmar Gabriel.

Foto: dpa, nie htf

Die 55. Spargelfahrt der SPD-Rechten stand unter keinen guten Vorzeichen. Miese Umfragewerte, schlechte Stimmung in der Koalition und Partei, Druck von rechts, internationale und ökonomische Krisen — die Liste der Probleme ist lang. Sigmar Gabriel ließ sich davon aber nichts anmerken. Bei seiner Rede an Bord des Wannseeschiffes "MS Havel Queen" gab sich der SPD-Chef Mühe, Zuversicht und Optimismus zu verbreiten. Das sei es schließlich auch, was die Rechtspopulisten und Anhänger der "Schlechte-Laune-Partei" AfD mit ihrem rückwärtsgewandten Weltbild hassen würden.

Gabriel traute sich gar, bei der wichtigsten Veranstaltung der SPD-Konservativen den linken Übervater und von Genossen oft als Verräter bezeichneten Oskar Lafontaine zu zitieren. Man könne nur überzeugen, wenn man selbst überzeugt ist, gibt Gabriel seinen Genossen als Ratschlag mit Lafontaines Worten auf den Weg. Ob diese Erwähnung gar als ein Zeichen in Richtung rot-rot-grüner Präsidentschaftskandidat zu verstehen war? Zumindest war das ein Moment, in dem wirklich alle der Rede des Vorsitzenden zuhörten.

Und tatsächlich ging es an den zahlreichen Stehtischen des Schiffs, bei Sonnenschein, Beelitzer Spargel, kaltem Bier und Wein, fast ausschließlich um die Nachfolgedebatte an der Staatsspitze. Wer wird der nächste Bundespräsident oder - viel besser - Präsidentin? Ernstzunehmende Namen fielen kaum. Nur eines sagte ein Vertrauter des Parteichefs: "Auf jeden Fall werden wir jemanden präsentieren, der Angela Merkel ärgern wird." Die andere Frage: Wer kann für die SPD das Rennen um das Kanzleramt gegen Merkel gewinnen, wer könnte an der SPD-Spitze einen besseren Job als Gabriel machen?

Zumindest für letztere Ämter waren viele Genossen im Gespräch, die aber gar nicht an Bord gekommen waren. Europaparlamentschef Martin Schulz ließ sich mit Verweis auf die Sitzungswoche in Straßburg entschuldigen, auch Arbeitsministerin Andrea Nahles, Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz und Justizminister Heiko Maas glänzten durch Abwesenheit. Die Parteilinke Nahles hatte — Absicht oder nicht — sogar zu einem eigenen Empfang in ihr Arbeitsministerium geladen. Selbst Außenminister Frank-Walter Steinmeier — aus SPD-Sicht klarer Favorit für das Präsidentenamt — konnte nicht auf dem Wannsee schippern, weil er gerade erst von einer Dienstreise zurückgekommen war.

Dass es bei der traditionellen Fahrt viel Gerede um Präsidentschaftskandidaten gibt, ist indes nicht neu. 2008 war das schon einmal so. Damals wurde Gesine Schwan im Mai von der SPD für das Rennen um Schloss Bellevue aufgestellt. Zehn Tage später durfte sie bei der Spargelfahrt ans Mikro und präsentierte sogleich eine Untergangsgeschichte, als sie mit ihrem Mann einmal auf dem See kenterte. Schwan wurde bekanntlich nicht ins Amt gewählt, sie unterlag im Mai 2009 ein zweites Mal dem Unionskandidaten Horst Köhler. Frank-Walter Steinmeier wurde bei derselben Fahrt immer wieder als Kanzlerkandidat der SPD genannt — das hingegen trat auch so ein.

650 Gäste waren in diesem Jahr dabei, machten sich über 400 Kilogramm Spargel her. 1000 Gäste hätten es nach Angaben aus dem Seeheimer Kreis locker werden können, das geben die Kapazitäten des Schiffs aber nicht her. 100 Abgeordnete waren an Deck, neben Umweltministerin Barbara Hendricks, Familienministerin Manuela Schwesig und Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke. Wer es an Bord schafft, darf sich zu den einflussreicheren Genossen zählen.

Der Seeheimer Kreis, derzeit unter der Führung einer Dreierspitze um den Hamburger Haushaltspolitiker Johannes Kahrs, gilt seit jeher als Kaderschmiede der Sozialdemokraten. Die Gruppe mit rund 70 Mitgliedern nennt sich progressiv statt rechts oder konservativ. Mitte der 1970er Jahre gründete sich der Seeheimer Kreis als Nachfolgeorganisation der berüchtigten "Kanalarbeiter". Sie waren eine Truppe loyaler Gefolgsleute von SPD-Kanzler Helmut Schmidt, die ihm intern als Konservative den Rücken freihielten und die Regierungsfähigkeit der Partei gegen den aufstrebenden linken SPD-Flügel garantierten. Ihren Namen verdanken die Seeheimer ihren Treffen in den 70er Jahren, die sie im Lufthansa-Schulungszentrum in Seeheim nahe Bonn abhielten. Auch damals luden sie bereits zur Spargelfahrt ein, anfangs auf dem Rhein, nach dem Umzug des Bundestags nach Berlin auf dem Wannsee. Nicht zuletzt wegen ihrer stets ungebrochenen Machtambitionen gelten die Seeheimer als die Gruppe mit den besten Karrierechancen in der SPD.

Und wie will Gabriel nun seine Partei aus dem Schlamassel ziehen? Er habe mal ein Schild gesehen mit der Aufschrift "In diesem Ort wird SPD gewählt". "Diese Dinger an jeden SPD-Haushalt, dann wird's besser", sagte Gabriel. Er selbst wolle jedenfalls so ein Schild an die eigene Haustür in Goslar hängen.

(jd)
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